Samstag, 8. Oktober 2011

Cordjackett


Comeback des Cordsakko. Eigentlich ist es falsch, beim Cordsakko von einem Comeback zu sprechen – denn es war eigentlich nie richtig weg. Das Sakko von Tommy Hilfiger wurde jedoch ganz neu interpretiert und die Idee des Cordsakkos auf innovative Weise umgesetzt. Und das kann sich sehen lassen! Der Einreiher aus Baumwollcord ist schmal geschnitten und kommt zunächst recht casual daher. Doch die Details sprechen eine andere Sprache und lassen das Herrensakko ganz schön elegant wirken. Es lässt sich, je nach Anlass, perfekt kombinieren und wertet jedes Outfit – egal ob Businesslook oder die sportliche Jeans/Pullover-Variante – extrem auf. Die typischen Kissing Buttons an den Ärmeln, die feine Verarbeitung der Taschen und Nähte und das softe Innenfutter mit darin eingewebtem Designer-Schriftzug machen das Stück zu einem echten Hilfiger.

Ich lese so etwas ja zu gerne, weil diese Texte (gleichgültig für welche Marke) so völlig schwachsinnig sind. Glaubt irgendjemand das, was hier steht? Erinnern Sie sich noch an den Loriot Sketch mit dem ➱Anzugkauf? Vielleicht lernen Verkäufer diese Texte auswendig, um sie ihren Kunden zuzuflüstern. Wenn irgendjemand in der Lage ist, Locken auf eine Glatze zu ziehen, dann sind es die Werbetexter, die für die Modeindustrie schreiben.

Der berühmte ➱Roland Barthes hat einmal ein Buch mit dem Titel Die Sprache der Mode geschrieben. Aber so scharfsinnig und witzig er sonst in seinen Beobachtungen der Alltagskultur ist, dies ist leider ein völlig humorloses und unlesbares Werk. Ein etwas verzweifelter Versuch mit einem strukturalistisch-semiotischen System Claude Lévi-Strauss zu imponieren. Barthes hoffte vergebens, dass Lévi-Strauss (nicht mit der Jeansdynastie verwandt) das als Doktorarbeit annehmen würde. Ich will mich nicht auf die semiotischen Spuren von Roland Barthes begeben, Sätze wie Ein Zeichen des ersten Systems (ein schwarzes Kleid, das einen festlichen Anlaß bedeutet) wird zum Signifikanten des zweiten Systems, dessen Signifikat die Modeideologie oder Moderhetorik bildet, werden mir nicht über die Lippen kommen.

Natürlich sagt Kleidung etwas. Auch wenn wir die Botschaft häufig nicht verstehen, selbst als dedicated follower of fashion. Wie zum Beispiel bei den Klamotten von ➱Thomas Gottschalk. Was sollen sie uns sagen? Und selbst, wenn auf dem Kleidungsstück noch eine sprachliche Botschaft steht, ist die nicht immer klar. Für 12,50 € können Sie bei amazon.com ein T-Shirt mit der Aufschrift I fucked Paris Hilton kaufen. Ob der Käufer qualifiziert ist, ein Hemd mit diesem Satz zu tragen, wird von Amazon nicht überprüft. Die Sprache der Mode ist ein Babel, für das Google Translate noch kein Übersetzungsprogramm hat. Aber ich will nicht auf der Ebene von Roland Barthes Sprache der Mode schreiben, ich will auch nicht Alison Luries interessantes Buch The Language of Clothes diskutieren, ich möchte einmal dem Cordjackett in der Geschichte der Mode nachgehen. Und der Frage: woher kommt es eigentlich?

Das Cordjackett ist jetzt überall zu sehen. Letzte Woche habe ich im Fernsehen drei Moderatoren gesehen, die eins trugen. Es ist schon seit einigen Jahren Mode (ich bin mit meinen unzeitgemäßen Beobachtungen etwas spät dran), vor zehn Jahren wurde in Modezeitschriften eine Renaissance des Cordjacketts gefeiert. Im Herbst 1994 auch, es kommt offensichtlich immer beharrlich wieder. Und beharrlich kommen auch solche Sätze wieder wie: Corduroy used to be considered déclassé. But with today's plush new versions and colours, the fabric has a more luxe look that even works for evening. Sidney Webb wäre im ausgehenden Jahrhundert ein Zeuge für den Gedanken des déclassé, wenn er schreibt: corduroy has been relegated to the use of navvies and tramps.

Aber der Cord kommt seit einigen Jahrzehnten in der Herrenmode immer wieder, und das nicht bei den navvies und tramps. Eher bei Caruso, Cucinelli, Kiton und Zegna, bei denen ein Cordjackett dann auch leicht etwas Vierstelliges kostet. Cord ist vor allem gefragt, wenn sich Männer jugendlich geben wollen. Wir alle haben Edmund Stoiber mit seinem hellbraunen Cordanzug noch nicht vergessen. Das war natürlich a bit too much of a good thing, ➱Cordhosen sind O.K. Cordsakkos auch, aber Cordanzüge, die sind nun ganz daneben. Es sei denn, Sie hätten noch einen olivgrünen needlecord Anzug von John Stephen aus Carnaby Street circa 1970, das lassen wir noch durchgehen. Catherine Horwood ist in ihrem Buch Worst Fashions: What we shouldn't have worn...but did etwas doktrinärer. Bei ihr heißt es ganz simpel: Avoid at all costs: Anything corduroy - poor man's velvet! So streng wollen wir heute mal nicht sein. Dennoch gelten Regeln für Cord. Erstens: niemals Breitcord! Zweitens: keine Cordanzüge! Erst recht keine Cordanzüge aus Breitcord. Das sage ich nun einmal in meiner Eigenschaft als arbiter elegantiarum. Stoiber hätte mich fragen sollen, da ist er jetzt selbst dran Schuld, dass er kein Bundeskanzler geworden ist. Das war eine Sprache der Mode, die wir alle verstanden haben.

Die Cordjacketts in ihrer augenblicklichen Form sind als modisches Kleidungsstück noch nicht so alt. Wenn wir mal alle Formen von Arbeitsjacken und Outdoorjacken (links) und deren Revival (wie zum Beispiel die schönen toskanischen Jagdjacken von der Firma Capalbio) draußen vor lassen. In dem Bereich kann man Cordjacken schon bis ins frühe 19. Jahrhundert zurückverfolgen, und für solche Jacken hat Cord immer eine Rolle gespielt. Auch Cowboys haben Cordjacken getragen. Der Katalog vom Versandhaus Montgomery Ward enthält 1895 ein halbes Dutzend Cordjacketts, die mit Preisen zwischen 9 und 11 Dollar sogar teurer sind als manche Jacketts aus Wolle. Wahrscheinlich werden sie deshalb gekauft, weil sie den Ruf haben, unverwüstlich zu sein, the poor man's velvet.

Es fehlt auch nicht an Erwähnungen von Cordjacketts in englischen Romanen und Autobiographien im 20. Jahrhundert, wo sie immer etwas zweckentfremdet von Großvätern als Jacke für die Gartenarbeit getragen werden. Entweder haben die alle den selben Großvater mit dem selben Cordjackett oder der Opa im Garten mit dem alten Cordjackett ist schon zu einem Stereotyp geworden. Es fehlt auch nicht an Klagen darüber, dass man keine qualitativ hochwertigen Cordhosen oder Cordjacketts mehr bekommt, weil sie keine Mode sind. Das kann ich nachfühlen, das kenne ich. Ein Leben lang auf der Suche nach der ultimativen Cordhose - und manchmal gab es zehn Jahre lang überhaupt nichts (außer Zimmermannshosen aus Manchesterkord) in den Läden. Gibt es nur, wenn es der Mode einfällt, von einem Comeback des Cordsakko zu reden - mit der Mode für Cordjacketts ist es wie mit dem Schweinezyklus.

Im Amerika der zwanziger Jahre taucht Cord in der Form von Cordhosen an den Ivy League Universitäten auf - von den ➱Waschbärmänteln und den Stutz Bearcats wollen wir heute nicht reden. Cordjacken auch, die werden aber nur von Studentinnen getragen (und dann in bunten Farben). An die Damen richtet sich auch eine Mode, die nach dem Krieg aus Frankreich nach Amerika schwappt (auf jeden Fall schreibt Life ganz begeistert im Jahre 1946 darüber), Cordjacken aller Art und Kostümjacken aus Cord sind die große Mode. Ist auch billiger als teure Wollstoffe. Für die einen gibt es ➱Christian Diors New Look, für die anderen gibt es Cord. Der wird (wie alle Gewebe, die im Englischen fustian heißen) das Image nie ganz los, the poor man's velvet zu sein.

In der Herrenmode gibt es in Amerika in den fifties auf dem ➱Ivy League Campus auch Cordjacketts, auf jeden Fall bieten J. Press und Brooks Bros. so etwas an. Die werden zu einer Art typischer Berufskleidung von Professoren. Und Lehrern. Wird auch so in Katalogen beworben: perfect for the classroom. Da, wo man sich nicht den guten Anzug ruinieren will. Die Sakkos ist einreihig, beige oder braun. Meistens drei Knöpfe, wobei das oberste Knopfloch in den 50er und 60er Jahren noch in das Revers hineingebügelt wurde. Nicht nur bei Cordjacketts, das ist eine amerikanische Eigenart, die ich nie verstanden habe. Sie können in Alan Flussers Clothes and the Man genügend Bilder davon sehen. Die Italiener, die so stolz auf ihr strappato Revers sind, würden bei diesen Bildern wahrscheinlich auf der Stelle blind werden.

Aber nicht nur Professoren tragen das corduroy jacket, irgendwann tragen es auch die Studenten. Falls Sie einen Beweis brauchen sollten: was trägt Dustin Hoffmann in der Szene von The Graduate, in der sich Anne Bancroft so lasziv ihre Strümpfe anzieht? The PTA, Mrs. Robinson Won't OK the way you do your thing Ding, ding, ding. Da sich der Ivy League Stil offensichtlich ad infinitum recyceln lässt, hat natürlich heute Ralph Lauren Cordjacketts im Programm. Wenn man Glück hat, sind die in Italien von einer reputierlichen Firma gemacht. Ich habe mal in einem Secondhand Laden ein altes Brooks Brothers Cordjackett (Made in the USA of Imported Fabric) gekauft, das bei mir nur mein Mrs Robinson Jackett heißt. Immer wenn ich es trage, warte ich heimlich darauf, dass ich ➱Katharine Ross treffe.

In England sieht es mit der Entwicklung des Cordjacketts ein wenig anders aus (von diesem Cordanzug aus dem Jahre 1967 mal abgesehen). Zum einen sind Cordhosen an englischen Universitäten in den zwanziger Jahren kein Thema. Man trägt flannels, die irgendwann unter dem Namen ➱Oxford bags groteske Weiten annehmen. Und dazu einen Blazer vom Cricketclub oder der Rudermannschaft. Oder ein Tweedjackett. Das Cordjackett oder Cordsamtjackett findet sich eher in den Kreisen, die man heute mit dem Wort Bloomsbury belegt. Da kommt man zwar aus der upper middle class aber man möchte gerne ein wenig Bohème sein, da ist ein Cordjackett oder ein Cordsamtjackett genau das richtige. Aber nicht in den Farben von beige bis braun, die heute vorherrschen.

Wenn man schon die englische Bohème ist, dann besinnt man sich doch auf englische Exzentrik und trägt Cordjacketts in allen Schattierungen von Lila. Ein dunkles Flaschengrün ist auch sehr beliebt. Der Farbton wird sich in England lange halten, David Hemmings trägt in ➱Antonionis 'Blow-up' natürlich ein dunkelgrünes Cordjackett. Es war nicht sein eigenes, wie man manchmal liest: I had a costume fitting that same afternoon, where they threw a pair of white jeans and a green corduroy jacket at me. And for the first time, I was allowed to see the script and was given a copy to take away. Das Jackett wurde übrigens während der Dreharbeiten gestohlen. Jocelyn Rickards, die für die Klamotten des Films verantwortlich zeichnete, hatte großes Schwierigkeit, ein Ersatzjackett so umzuschneidern, dass man beim späteren Dreh keine Unterschiede zum ersten Jackett erkennen konnte.

Bei diesem Typ des Cordjacketts kann man sicherlich in Farbe und Materialien die Vorläufer in dem englischen ➱smoking jacket des 19. Jahrhunderts sehen. Dieser Look wird sich in England lange halten, der New Edwardian Style wird ihn wiederbeleben. Dessen groteske Proletarisierung, der ➱Teddy Boy Look, wird ihn nicht umbringen können. Und in der Zeit der Peacock Revolution ist er wieder da, und in den Anzeigen der sixties liest man Farbbezeichnungen wie crimsonmauve und burnt orange. Im Katalog The Cutting Edge: 50 Years of British Fashion 1947-1997 des Victoria & Albert Museums findet sich zum Beispiel ein schönes dunkelbraunes Cordsamtjackett mit paspelierten Revers, das einmal Roy Strong gehört hatte. Den habe ich immer für seine schrille Kleidung bewundert.

Und selbst eine eher konservative langweilige Firma wie Dunn & Co. hatte nette flaschengrüne Cordjacketts im Angebot (links). Wo ich die verblichene Firma Dunn & Co., die über Jahrzehnte ganze Generationen von Engländern mit Tweedjacketts versorgte, erwähne, sollte ich auch Beale&Inman erwähnen, die mal für die Qualität ihrer Cordprodukte berühmt waren. Auch sie gibt es nicht mehr, sie wurden irgendwann von der Moss Bros. Gruppe geschluckt, in ihren Laden in London ist inzwischen die italienische Firma Corneliani eingezogen. Das sind so Sachen, die ich bedauere. Wenn bei ➱Staben in Hamburg die italienische Firma Pal Zileri einzieht, dann bedauere ich das nicht. War eh der langweiligste Laden in Hamburg (Helmut Schmidt kaufte da immer), und der Senior Willi Staben war ein großer Nazi (mit dem schönen Titel Reichsmodewart) gewesen.

Ich lasse die Italiener heute mal draussen vor. Sie machen keine Mode, sie machen nur alles eleganter und in besserer Qualität, aber sie sind nicht wirklich innovativ. Doch einen Sprung über den Kanal zu den frogs müssen wir noch machen, nach Paris, an das linke Seineufer. Dort, wo der Existentialismus in den Straßencafés und Jazz Clubs gelebt wird. Wo man all das abgelegte Zeug der amerikanischen Truppen trägt - army surplus wird jetzt mit einem Hauch existentialistischer Theorie veredelt. Jean Paul Sartre trägt auch eine Parka. Cord bekommt hier zusätzlich eine klassenkämpferische Note, weil es eigentlich eine Handwerker- und Arbeiterkleidung ist - aus diesem Grund hatten in den dreißiger Jahren englische Linksintellektuelle begonnen, Cordhosen zu tragen. Man wollte dem Arbeiter näher sein. Der Pariser Schmuddel-Look, lange bevor in Seattle grunge entsteht, ist zum Teil aus der Not der Nachkriegszeit geboren, zum Teil ist er aber auch nur Inszenierung.

Der Look wird sich lange halten. Er verschmilzt auch schnell mit einer anderen Jugendkultur, die wir in England und den USA finden, den so genannten folkies. Karierte Holzfällerhemden und Cordjacketts werden ihr Standardoutfit. Woody Allen läuft immer noch so rum. Wir müssen die folkies noch von den gleichzeitig auftauchenden Beatniks abgrenzen, mit denen sie aber viel gemeinsam haben. Es gibt jetzt zum ersten Mal im 20. Jahrhundert gleichzeitig eine Vielzahl von Jugendkulturen, die sich durch einen eigenen Modestil auszeichnen. Das Cordjackett findet sich bei mehreren dieser Kulturen (Existentialisten, folkies, Beatniks und zum Teil auch bei Teddy Boys), wird aber niemals von hipsters, ➱Mods oder Rockern getragen. Kleidungsstücke sprechen jetzt nicht nur eine Sprache, sie werden auch schon zu einer Art Glaubensbekenntnis.

Wenn Pierre Cardin in den sechziger Jahren die Mode revolutioniert, hat er auch Cordjacketts im Programm. Die haben dann allerdings kein Revers und keinen Kragen mehr, und wir können sie wenig später an den Beatles entdecken. Mein Bruder hatte damals so ein Teil, als er eine schwere Phase von Beatlemania hatte. Die Beatles tragen natürlich keine Pierre Cardin Jacken. Aber ihr Schneider ➱Douglas ("Dougie") Millings (hier auf dem Photo) hatte sich schon von dem Franzosen inspirieren lassen.

So, da haben wir in Kurzfassung die Entwicklungslinien. Amerikanische Universitäten, zerstreute Professoren, folkies, ältere Buchhändler in Antiquariaten - Hollywood trägt in vielen Filmen seinen Teil zur Stereotypisierung bei. Cordjackett bedeutet immer: ein klein wenig intellektuell und ein klein wenig weltfremd. Der perfekte Tarnanzug für alle grauen Modemäuse und alle Woody Allens dieser Welt. Und dann haben wir noch die englische Bohème der Zwanziger, die Pariser Intelligentzia im Quartier Latin der Nachkriegszeit. Aus all dem bedient sich heute die italienische Mode. Heute bringen italienische Luxusfirmen wie ➱Raffaele Caruso Cordsakkos mit echten Knopflöchern auf den Markt, das muss nicht sein. Ich fand es schon etwas übertrieben, dass die Knopflöcher an meiner Tom Reimer Cordhose schneidermäßig echt umsäumt sind. Der Cord bei dem Caruso Jackett ist (ich weiß das, weil ich eins habe) aus einem Stoff, der bei Zegna Cashco heißt. Ist ein Blending aus cashmere und cotton. Klingt aber nach cash. Das ist eine Baumwolle, die hat schon ganz nahe neben der Kaschmirziege gelegen, sagte mir einmal ein Verkäufer. Man vergisst solch blöde Sprüche nie, das ist wie bei Loriot. Aber seien wir ehrlich, diese eleganten Cordjacketts sind natürlich völlig daneben. Wenn ein Cordjackett aus Cord von Brisbane Moss ist, dann ist das völlig O.K. Cordjacketts sollen nicht elegant sein. Das müssen olle ehrliche Dinger sein, die man am besten im Secondhand Laden kauft - und möglichst in Läden, die auch noch Manchester Hosen führen - dann haben sie schon die richtige Patina.

Oder man trägt sie seit einem halben Jahrhundert wie Hans-Olaf Henkel: Das Cordjackett auf diesen Fotos hat mich mein Leben lang begleitet. Ich trug es in meiner Sturm-und-Drang-Zeit in Hamburg, es kam mit nach Sindelfingen, Böblingen und München, wo ich für IBM war. Es war in Amerika, Ceylon, Kalkutta, Paris. Das Sakko hatte sich mein Stiefvater 1953 beim Schneider Nauschütz in den Hamburger Colonnaden schneidern lassen. Mein Stiefvater war Künstler, Lautensänger (er hat den Evergreen „Einmal noch nach Bombay“ komponiert). 1958 vermachte er mir das Sakko. Es hatte einen phantastischen Stoff, eine tolle Farbe – nur die Ärmel waren entsetzlich kurz und die Schultern zu breit. Ein Schneider hat mir die Ärmel verlängert. Man sieht noch heute den Rand, der die ursprüngliche Ärmellänge anzeichnet und den mehrfaches Reinigen nicht beseitigen konnte. 2000 habe mich in dem Sakko für das Titelfoto meiner Lebenserinnerungen ablichten lassen. Einen 80-jährigen Schneider bewog das, mir zu schreiben und anzubieten, das Jackett zu restaurieren. Er hat die Knöpfe, das Futter und die Nähte erneuert – ich bin überzeugt, dass das Jackett jetzt noch weitere 52 Jahre halten wird. Die Frage ist, welcher meiner beiden Söhne es mal erben wird.

Genauso muss das sein, Sie können das rührende Festhalten eines Mannes an seinem Lieblingsjackett hier noch einmal im ➱Bild sehen. Ich bin übrigens ohne ein Cordjackett durch das Leben gekommen, aber seit einigen Jahren habe ich doch ein paar. Alle second hand oder Ebay, aber von den feinsten Firmen. Ich trage sie zuhause als Strickjackenersatz, lümmel mich mit ihnen im Sessel rum und schreibe meinen Blog. Mit meinem Mrs Robinson Jackett kann ich allerdings nicht am Computer schreiben. Das hat nämlich Lederknöpfe am Ärmel, und die klappern immer auf dem Schreibtisch, ding, ding, ding.

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