Donnerstag, 27. Oktober 2011

James Mallahan Cain


Cain was one of those writers who first amazed and delighted me when I was old enough to start looking around and seeing what was being done in American literature. Steinbeck, Farrell, Saroyan, Faulkner, and Thomas Wolfe were some of the others. But Cain—momentum was something he had a patent on. Or maybe acceleration is the word. Picking up a Cain novel was like climbing into a car with one of those Superstockers who is up to forty by the time your right leg is in the door, sagt Tom Wolfe im Vorwort zu einem James M. Cain Omnibus (Alfred Knopf 1969). Er sagt auch noch Nobody has quite pulled if off the way Cain does, not Hemingway, not even Raymond Chandler. ➱Chandler mochte Cains Romane nicht besonders, er hielt eigentlich gar nichts von ihnen (Cain hielt auch nicht viel von Chandler). Aber Chandler hat Double Indemnity zu einem Drebuch umgeschrieben - und William Faulkner war sich damals auch nicht zu schade, Chandlers The Big Sleep  zu einem Drehbuch umzuschreiben. Für Geld aus Hollywood tun amerikanische Schriftsteller ja sehr viel. Der Kritiker Albert Van Nostrand unterstellte den amerikanischen Autoren der dreißiger Jahre in seinem Buch ➱The Denatured Novel, dass sie bei jedem Roman schon auf die Verfilmung schielten.

Vielleicht hat James M. Cain das getan, seine Romane laden ja geradezu dazu ein verfilmt zu werden. Und sie waren auch die Vorlage für einige große Filme. Die Verfilmung mit Jack Nicholson von The Postman Always Rings Twice, die nur durch die Szene auf dem ➱Küchentisch von sich reden machte, gehört natürlich nicht dazu. Viscontis ➱Ossessione allerdings unbedingt. ➱Tay Garnetts Film mit Lana Turner und John Garfield erst recht. Wenn man so will, hat Lucchino Visconti den Roman zweimal verfilmt, denn nach Ossessione (1943) hat er 1967 noch Lo Straniero gedreht. Die Romanvorlage L'Étranger von Albert Camus hat ja mit The Postman Always Rings Twice viel gemeinsam. Camus hat Cains Roman als einen wesentlichen Einfluss auf seinen Roman bezeichnet.

Der amerikanische Roman sucht seine Einheit dadurch zu finden, daß er den Menschen reduziert, sei es aufs Elementare, sei es auf seine äußerlichen Reaktionen und auf sein Verhalten, schreibt Camus in Der Mensch in der Revolte. Und er fügt in einer Fußnote hinzu Es handelt sich natürlich um den 'harten' Roman der dreißiger und vierziger Jahre und nicht um die wunderbare amerikanische Blütezeit im 19. Jahrhundert. Die Beschreibung von Äußerlichkeiten, die die Spitze des Eisbergs unterdrückter Emotionen sind, ist sicherlich eins der Hauptmerkmale der so genannten hard-boiled school (der Terminus behavioristischer Roman hat sich für diese Sorte Literatur nicht so recht durchgesetzt). James M. Cain hat das Lob von Camus übrigens ganz cool hingenommen: He wrote something about me—more or less admitting that he had patterned one of his books on mine, and that he revered me as a great American writer. But I never read Camus. In some ways I'm ignorant. In other ways I'm not.

Erstaunlicherweise hat sich James M. Cain immer dagegen gewehrt, mit dem Etikett hard-boiled beklebt zu werden - obwohl die New York Times The Postman Always Rings Twice in ihrer Rezension 1934 als six-minute egg bezeichnet, hartgekochter geht es nicht. Er gehöre to no school, hard-boiled or otherwise hat er gesagt. Und in einem Vorwort zu einer späteren Ausgabe von The Postman Always Rings Twice schrieb er: I make no conscious effort to be tough, or hard-boiled, or grim, or any of the things I am usually called. I merely try to write as the character would write, and I never forget that the average man, from the fields, the streets, the bars, the offices and even the gutters of his country, has acquired a vividness of speech that goes beyond anything I could invent, and that if I stick to this heritage, this logos of the American countryside, I shall attain a maximum of effectiveness with very little effort.

Dennoch hat er mit Hammett, Chandler, Hemingway oder John O'Hara viel gemeinsam. Nicht nur weil er ein Säufer ist wie sie. In diesem Punkt übertrifft er sie übrigens alle. Von den prominenten tough guy writers of the Thirties, die alle Säufer sind, lebt er am längsten, er wird 85 Jahre alt. Horace McCoy wird nur 58, Hemingway 62, John O'Hara 65, Hammett 68 und Chandler 71. Und es ist nicht nur der Alkohol, der sie verbindet, die vividness of speech, die lakonische Sprache der Great Depression, die fangen sie in dieser Zeit alle ein. Die Journalisten, die Sportreporter, die Gerichtsreporter, Hollywoods Drehbuchautoren und natürlich die tough guy writers. Raymond Chandler wird dieses American English in einen hochpoetischen Jargon verwandeln, solche künstlerischen Ambitionen hat James M. Cain nicht.

They threw me off the hay truck about noon. I had swung on the night before, down at the border, and as soon as I got up there under the canvas, I went to sleep. I needed plenty of that, after three weeks in Tia Juana, and I was still getting it when they pulled off to one side to let the engine cool. Then they saw a foot sticking out and threw me off. I tried some comical stuff, but all I got was a dead pan, so that gag was out. They gave me a cigarette, though, and I hiked down the road to find something to eat.
That was when I hit this Twin Oaks Tavern...


So fängt der Roman an. So beginnt die Erzählung von Frank Chambers, dem Ich-Erzähler, der in der Todeszelle endet. Es gibt viele Ich-Erzähler bei Cain, das gibt seinen Romanen diesen touch von Authentizität. I tried to write as people talk, er redet normalerweise nicht wie seine Figuren: I slip into the Vulgate every once in a while—an affectation I only half-understand. There I am speaking impeccable English and suddenly I lingo it up. Auch das Einfache ist kunstvoll und künstlich, das ist seine Kunst. Ein Satz wie Raymond Chandlers to accept a mediocre form and make something like literature out of it is in itself rather an accomplishment käme ihm wohl nicht über die Lippen.

In James M. Cains Romanen gehen die Helden unter, weil sie einer femme fatale verfallen. Wie Frank Chamber der hellcat Cora - You must be a hellcat, though. You couldn’t make me feel like this if you weren’t, die animalische Symbolik wird sich durch den ganzen Roman ziehen. Then I saw her, beginnt der kurze Absatz auf der zweiten Seite des Romans. Und mit diesem Then I saw her ist schon alles gesagt. Der Absatz endet mit dem Satz Her lips stuck out in a way that made me want to mash them in for her. In dem Augenblick ist er schon verloren.

The hero of the typical Cain novel is a good-looking down- and-outer, who leads the life of a vagrant and rogue. He invariably falls under the domination--usually to his ruin--of a vulgar and determined woman from whom he finds it impossible to escape. In the novels of McCoy and Hallas, he holds our sympathy through his essential innocence; but in the novels of Cain himself, the situation is not so simple. Cain's heroes are capable of extraordinary exploits, but they are always treading the edge of a precipice. They are doomed, like the heroes of Hemingway: they will eventually fall off the precipice. But whereas in Hemingway's stories, it is simply that these brave and decent men have had a dirty deal from life, the hero of a novel by Cain is an individual of mixed unstable character, who carries his precipice with him like Pascal.

Das schreibt kein Geringerer als der berühmte Edmund Wilson 1941 in seinem Essay The Boys in the Backroom. Er ist der erste, der sich positiv über James M. Cain äußert (der oben zitierte Albert van Nostrand hat natürlich nichts Nettes über ihn zu sagen). Dann dauert es doch zwei Jahrzehnte, bis das Interesse der Literaturwissenschaft an Cain erwacht. Der Schriftsteller David Madden wird sein Buch Tough Guy Writers of the Thirties (in dem Joyce Carol Oates einen langen James M. Cain Essay hat) mit der schönen Widmung versehen To James M. Cain, twenty-minute egg of the hard-boiled writers. Heute gibt es genügend gute Literatur zu Cain, halten Sie sich an ➱William Marling, der sehr gute Seiten zum ➱roman noir im Internet hat.

Und dann habe ich noch einen Literaturtip: lesen Sie den unterschätztesten Roman von James M. Cain. Lesen Sie Serenade. Grandioser Kitsch. Mit viel Puccini, hier ist der gescheiterte Opernsänger James Mallahan Cain in seinem Element, grand opéra. Der vielleicht beste der tough-guy writers ist heute vor vierunddreißig Jahren gestorben. Viele waren damals überrascht zu hören, dass er noch lebte. Er war aber noch bis zuletzt quicklebendig. Ich hätte hier noch ein interessantes ➱Interview aus der Reihe der Paris Review Interviews, das ein dreiviertel Jahr vor seinem Tod aufgezeichnet wurde. Die Filmphotos sind aus den Filmen The Postman Always Rings Twice (1,4,6), Ossessione (2,8), Double Indemnity (3,5) und Mildred Pierce (8).

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