Seiten

Sonntag, 2. Oktober 2022

She Wore a Yellow Ribbon

Diesen Klassiker von John Ford gibt es heute bei arte, deshalb stelle ich diesen Post noch einmal hier ein.

My name is John Ford and I make westerns, hat John Ford in einer Direktionssitzung der Filmindustrie gesagt und sich vor die in der McCarthy Zeit verfolgten Kollegen gestellt. Aus dem Mund eines der bedeutendsten amerikanischen Regisseure klingt das ein wenig untertrieben. Orson Welles hat einmal auf die Frage nach den drei wichtigsten amerikanischen Regisseuren John Ford, John Ford, John Ford geantwortet. Ford hat gerne Filme gedreht, aber ungern über sie geredet. Das tun jetzt Generationen von Kritikern und Filmwissenschaftlern. Seit André Bazin den amerikanischen Western als la cinéma américain par excellence bezeichnet hat, stürzen sich die französischen Intellektuellen auf den Western. Vor allem auf John Ford. Was haben die Cahiers de Cinéma nicht alles über Young Mr. Lincoln geschrieben!

John Ford hat schon in der Zeit des Stummfilms Western gedreht, und in den dreißiger Jahren hat er die Welt des Western verändert, indem er Stagecoach mit John Wayne gedreht hat. Er hat in den dreißiger und vierziger Jahren auch noch, das sei beiläufig gesagt, ganz andere Filme gedreht: Young Mr. LincolnThe Grapes of Wrath oder das tief melancholische They Were Expendable während des Krieges. Und er hat die Schlacht von Midway gefilmt, live wie man heute so schön sagt. Die US Navy hat ihn dafür zum Admiral der Reserve gemacht. John Ford, der seine Filme im Kopf konstruierte und der in Bildern dachte, hat lange Zeit Schwarzweißfilme gedreht, obgleich die Farbphotographie längst erfunden war. Aber jetzt reizt er an Farben alles aus, was Technicolor technisch an color zu bieten hat. Heimlich sehnt er sich nach dem Schwarzweißfilm, und er ist auch noch einmal 1962 mit The Man Who Shot Liberty Valance zum Schwarzweißfilm zurückgekehrt.

Aber She Wore a Yellow Ribbon (der aus unerfindlichen Gründen im Deutschen Der Teufelshauptmann heißt) hat er 1949 in Technicolor in seiner Lieblingslandschaft Monument Valley gedreht, wo er zuvor StagecoachMy Darling Clementine und Fort Apache gedreht hatte. Es ist ein nostalgischer, leicht sentimentaler Film (aber eigentlich sind alle John Ford Filme nostalgisch und sentimental) um den Captain Nathan Cutting Brittles von der US Cavalry, der kurz vor seiner Verabschiedung steht. Man kann ihn heute preiswert als DVD kaufen, man kann ihn aber auch hier finden und ihn auf dem Bildschirm betrachten, eine Stunde und 43 Minuten lang. Der Film, der sicher nicht an Western wie Stagecoach oder The Searchers heranreicht (er wurde auch etwas schnell und lieblos abgedreht) hat alles, was ein Western haben sollte.

Schöne Frauen (Joanne Dru), einen heldischen Helden (John Wayne), schöne Landschaften, Indianer und viele Pferde. Wir sind hier ja bei der Kavallerie, die beiden anderen Kavallerie Western von Ford, Fort Apache und Rio Grande sind (glücklicherweise) Schwarzweißfilme. Es gibt natürlich auch den typischen Fordschen Humor, der in der Gestalt des irischen Sergeant Quincannon (Victor McLaglen, der bei Ford immer Iren spielt, aber in Wirklichkeit gar kein Ire ist) oder des deutschen Hufschmiedes Hochbauer (es gibt damals bei der Cavalry viele Iren und viele Deutsche) auftritt. Alle Ford Filme sind auch Filme der kleinen Leute, dieses folk Element ist aus ihnen nicht wegzudenken. Da wird gesungen, getanzt, getrunken und gescherzt. Das sind so die irischen Reste von John Ford, auch wenn seine Filme selten (wie etwa The Quiet Man) in Irland spielen.

Wir finden Ähnliches gleichzeitig in den Filmen Frank Capra, beide Regisseure sind Kinder von Einwanderern, seien es nun Iren oder Italiener. Und beide bringen diese Themen der kleinen Leute, des Zusammenhalts auch in der Armut und bei Entbehrungen und des guten ehrlichen Burschen von nebenan in den amerikanischen Film. Ihre Helden John Wayne, Gary Cooper, Henry Fonda und James Stewart werden zu Projektionsflächen des cinema of populism. Ob das Gary Cooper in Mr Deeds Goes to Town ist, Henry Fonda in Young Mr Lincoln oder James Stewart in It's a Wonderful Life ist, sie verkörpern ein grassroot America. Und seien wir ehrlich, es sind nicht die schlechtesten Werte, die hier während der Depression und der Nachkriegszeit auf der Leinwand angepriesen werden.

In She Wore a Yellow Ribbon gibt es noch etwas anderes, das ein Thema des Filmes ist, nämlich den amerikanische Süden. Und dieses Thema geht in der deutschen Synchronisation leider völlig verloren. Wieder einmal verliert der Süden. Es gibt in dem Film eine Szene, in der ein älterer Soldat, der Trooper John Smith, beerdigt wird. John Ford macht viel aus dieser Szene. Klicken Sie das Photo mal größer, wie sorgfältig ist die Personengruppe arrangiert und ausgeleuchtet!

Im farbigen Original ist der Himmel unnatürlich rot, das ist schon ein klein wenig zu viel für diese Götterdämmerung. Aber Ford hat das so gewollt, es gibt immer schöne Himmel bei ihm. In diesem Film hat er seinen Kameramann gezwungen, bei einem plötzlich aufgezogenen Gewitter weiterzudrehen (wie hier auf dem Bild), obgleich das mit dem damaligen Farbfilmmaterial noch niemand vorher gewagt hat. Es wird eine der eindrucksvollsten Szenen des Filmes (und der Kameramann bekommt einen Oscar). Der Sergeant Tyree links neben John Wayne hält die Flagge der Südstaaten im Arm, die die Frau des Kommandeurs aus einem Petticoat genäht hat. Der Sergeant Tyree war im Bürgerkrieg auf der Seite der Südstaaten, und er war Captain Tyree. Aber nach dem Sieg erlaubt der Norden Südstaatenoffizieren in der Armee keinen höheren Rang als den der Unteroffiziere. Captain Brittles (= John Wayne) wird seinen Sergeant in dem Film mehrfach aus Respekt mit Captain Tyree anreden. Und er wird eine kleine Totenrede halten:

I also command to Your keeping: the soul of Brome Clay, late Brigadier General Confederate States Army, known to his comrades here, Sir, as Trooper John Smith, United States Cavalry. A gallant soldier and a gentleman.

Ein ehemaliger Südstaatengeneral dient als einfacher Soldat in der Kavallerie des Nordens, aber unser Captain (der wahrscheinlich während des Krieges ein Colonel war) erweist ihm alle militärischen Ehren. Ford liebt solche Szenen. Und die Einhaltung von rituellen Bräuchen in der Tradition des irischen wake hat ihm im Privatleben viel bedeutet. Aber er schneidet dann übergangslos in eine Szene von comic relief. Den Kitsch, den kann Ford schon meisterhaft dosieren. Ford nimmt das Thema mit den Südstaaten am Schluss des Filmes noch einmal auf, wenn Captain Brittles zu seiner Überraschung nicht entlassen wird, sondern als Colonel zum Chief of Scouts ernannt wird. Drei Generäle des Nordens haben diesen Befehl unterschrieben: Sheridan, Sherman und Grant. Sergeant/Captain Tyree sagt, dass da ein Name fehle: Robert E. Lee, worauf Brittles Oh, wouldn't have been bad antwortet. Und dann reiten Brittles und Tyree in den blutroten Abendhimmel. Sergeant Quincannon begrüßt Brittles später mit Welcome home, Colonel Darling.

Und während jetzt alle im Fort tanzen (so wie in Fort Apache und My Darling Clementine), geht Colonel Brittles zum Grab seiner Frau. Die junge Olivia Dandridge (Joanne Dru) hat ihm mit einer scheuen Geste unerwiderter Liebe einen Strauß Blumen in die Hand gedrückt. Hinter den Bildern und den Gesten ist bei Ford immer eine Geschichte, die Geste von Olivia erinnert an die Szene zwischen Martha Edwards und Ethan Edwards in The Searchers. Eine Liebe, die unausgesprochen bleibt. Ford liebt auch diese Szenen am Grab: Abe Lincoln am Grab seiner Jugendliebe in Young Mr Lincoln, Wyatt Earp am Grab seines ermordeten Bruders in My Darling Clementine. Da können die schweigsamen amerikanischen Männer dann plötzlich reden. Ein Kritiker hat einmal gesagt, dass alle Filme von John Ford große Selbstgespräche am Grab des amerikanischen Traums sind. Warum fallen mir solche schicken Formulierungen nicht ein? Aber da am Grab hat Ford wieder mal einen dramatischen Himmel hingekriegt, Nebel und tiefhängende Wolken. Ich weiß nicht, wie er es schafft, immer das richtige Wetter für die richtige Szene zu haben. Ich nehme an, dass er einen indianischen Regenmacher dabei gehabt hat, denn er hat alle im Monument Valley ansässigen Indianer immer (nicht nur bei den Dreharbeiten) unterstützt.

John Wayne ist damals 43, er spielt einen Sechzigjährigen, und er spielt ihn überzeugend. Sein Regisseur schickt ihm eine Geburtstagstorte mit einer Kerze und schreibt einen einzigen Satz auf die Karte You are an actor now. Vorher spielte John Wayne nur John Wayne, jetzt ist er ein richtiger Schauspieler. Joe Hembus' Western-Lexikon bleibt unerreicht als Nachschlagewerk, leider auch ein wenig unerreichbar. Bernhard von Dadelsen hat 1983 beim Gunter Narr Verlag ein Transkript des Filmes herausgegeben (leider völlig vergriffen). Es gibt über das filmische Werk von John Ford gute Bücher von Peter Bogdanovich (in der Basis ein Interview aus dem Jahre 1966), Joseph McBride und Michael Wilmington (1974) und Andrew Sarris (1976). Das umfassendste Buch zu Fords Leben und Werk ist von Tag Gallagher (1986). Es gibt eine deutsche Doktorarbeit zu den Kavallerie Western im Netz (im PDF Format), aber die kann ich nicht unbedingt empfehlen. Ich gebe gerne zu, dass ich in einem anderen Leben Filmwissenschaftler war, ich verstehe ein wenig von dem Ganzen. Und wenn meine Leser nicht zu sehr protestieren, wird hier im Blog noch das ein oder andere zum Thema Film kommen.

P.S: Und inzwischen gibt es ➱hier einen ganzen Film Blog

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen