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Donnerstag, 8. Februar 2024

Caspar David Friedrich (2)


Das hier sieht aus wie ein Bild von Caspar David Friedrich, aber es ist nicht von ihm. Es ist von dem Dresdner Maler Ernst Ferdinand Oehme, der ein Schüler von Christian Clausen Dahl war. Dahl hatte Oehme seinem Freund Caspar David Friedrich vorgestellt; und Oehme hatte sich mit Friedrichs Schüler Johann August Heinrich angefreundet und mit dem zusammen in der Natur gemalt. Wir finden den wenig bekannten Oehme erstaunlicherweise in einem Ausstellungskatalog zu Caspar David Friedrich, der 1972 in London erschienen ist. Zwei Jahre, bevor die großen Caspar David Friedrich Ausstellungen in Hamburg und Dresden stattfinden, gibt es die deutsche Romantik in London. Wir müssen es ganz klar sagen: die Engländer haben bei der Wiederentdeckung von Caspar David Friedrich die Nase vorn.

Und das verdanken sie diesem Mann hier, dem Professor William Vaughan. Über den das Birkbeck College sagt: Professor William Vaughan is one of the most respected historians and critics of Romantic art in the world. He was almost single-handedly responsible for the introduction of German Romantic art to a British public, doing more to foster this area of study than any other writer. This undertaking began with the exhibition of the work of Caspar David Friedrich that he curated at the Tate Gallery in 1972, an exhibition that began a sea-change in opinion with regard to this artist, rescuing him from the discrediting opinion of Kenneth Clark, who dismissed him as a painter who was trying to do with a brush what could much better be done with a pen. 

Professor William Vaughan ist in diesem Blog kein Unbekannter, in dem Post Gainsborough heißt es über ihn: Ich habe noch einige Lesetips zum Schluss (mehrere Leser haben mir geschrieben, dass sie die ganz nützlich fänden). Wenn es nur ein Buch sein soll, dann sollte es Gainsborough von William Vaughan aus der Reihe World of Art von Thames & Hudson sein. Es gibt kein Buch, das auf 224 Seiten so umfassend und lesbar in Leben und Werk Gainsboroughs einführt. Reich illustriert mit 172 Abbildungen (davon 68 in Farbe) gibt dieses Buch dem Leser einen schnellen Zugang zum Werk. Das aber nicht auf Kosten einer seriösen Wissenschaftlichkeit, Vaughan ist auf dem neuesten Stand der Forschung. Dies zeigt die Einarbeitung von Forschungsergebnissen, die Ellis Waterhouse bei seinem Katalog von 1958 noch nicht kennen konnte. Und auch die kurze Bibliographie ist ein Meisterstück der Selbstbeschränkung, aber alles Wesentliche steht drin. Professor Vaughan beherrscht nicht nur sein Fach und seinen Gegenstand, er kann auch gut schreiben. Das ist etwas, was Engländer ja häufig ihren deutschen Kollegen voraus haben.

Die Ausstellung, die William Vaughan in der Tate Gallery kuratierte (von der wir hier zwei Photos der modernistischen Präsentation sehen können), hatte er sich in Deutschland zusammengeliehen. Nicht in Hamburg oder Berlin, nein im Osten Deutschlands. 1971 hatte er Hans Joachim Neidhardt in Dresden besucht und mit ihm über den Austausch von Bildern verhandelt. Die DDR Führung hatte nichts gegen den Engländer, man war glücklich, einmal auf internationaler Ebene vertreten zu sein. Vaughan (den Neidhardt als gutmütigen, rotbärtigen Hünen beschrieb) hatte auch ein Angebot dabei, dem Neidhardt nicht widerstehen konnte: eine William Turner Ausstellung der Tate Gallery. 

Die Turner Ausstellung kam dann im Juli 1972 ins Albertinum nach Dresden. Neidhardt reiste nach London und hielt auf dem Romantik Symposium einen Vortrag, den ihm ein Freund ins Englische übersetzt hatte. Mit dem Englischen hatten sie es in der DDR ja nicht so. Dass der Landschaftsmaler Ernst Ferdinand Oehme mit seinen Bildern (hier ist noch eins von ihm) in London dabei war, hatte Neidhardt durchgesetzt. Der Dresdner Maler lag ihm am Herzen. 1997 organisierte er zum zweihundertsten Geburtstag Oehmes eine Ausstellung des Landschaftsmalers.
 
Der gerade im Alter von neunundneunzig Jahren verstorbene Hans Joachim Neidhardt hatte 2020 eine Autobiographie mit dem Titel Über dem Nebelmeer: Lebenserinnerungen vorgelegt. Der Sandstein Verlag stellt hier eine Leseprobe zur Verfügung, in der wir lesen können, wie sich Neidhardt damals bei seinem London Besuch fühlte. Eine Neuauflage des vergriffenen Buches ist für den März 2024 vorgesehen. Neidhardts Buch Die Malerei der Romantik in Dresden, das inzwischen zu einem Klassiker geworden ist, kann man antiquarisch noch ganz preiswert finden. Den Londoner Katalog der Tate Gallery, an dem er mitwirkte, übrigens auch. 

Bei der Vorstellung des Buches Über dem Nebelmeer: Lebenserinnerungen schrieb die Freie Presse, dass Neidhardt Caspar David Friedrich und die Romantiker in der DDR aus der Schmuddelecke geholt habe. Das ist sicherlich richtig, denn in die Schmuddelecke war Caspar David Friedrich deshalb geraten, weil ihn die Nazis vereinnahmt hatten. Weil ein Dr Kurt Karl Eberlein schrieb: der langvergessene Meister ist neuerwacht und lebt mit seiner unvergänglichen Kunst wieder unter uns. Aber ehrt und liebt ihn auch sein Volk schon genug? Lebt er auch in unserer Jugend wirklich fort? Kennt man ihn und sein Werk wirklich so, wie es jeder große Meister verdient? Man sah in Friedrich plötzlich eine nordisch-männlichen Romantik. Dazu kann man mehr lesen in Nina Hinrichs' Buch Caspar David Friedrich - ein deutscher Künstler des Nordens. Analyse der Friedrich-Rezeption im 19. Jahrhundert und im Nationalsozialismus

Den Dr Eberlein hatte ich schon 2010 in dem Post Caspar David Friedrich zitiert. Und die beiden älteren Damen mit Dutt und silbernen germanischen Spangen auf der Lodenjacke, die einen Katalog mit Adler und Hakenkreuz vorne drauf in der Hand hielten, die habe ich mir nicht ausgedacht. Die waren 1974 wirklich in der Hamburger Kunsthalle. Man sollte meinen, dass die Vereinnahmung Friedrichs durch die Nazis jetzt endlich vergessen sei, aber sie taucht doch immer wieder auf. In einer Besprechung der Londoner Ausstellung The romantic spirit in German art: 1790-1990 vertrat Andrew Graham-Dixon im Independent 1994 unter der Überschrift As if Hitler never existed eine etwas seltsame Meinung: This particular strain of Romanticism would mutate into one of the most virulent strains of Nazism - its evangelical, apocalyptic desire to 'purify' the world of unclean elements, to make it as actually 'clean' and 'German' a place as the mythical landscape into which Caspar David Friedrich's Wanderer gazes. So kommen wir von Caspar David Friedrichs Bildern zu Hitlers Reinigung der Welt. Und zu Sätzen wie: Of course, as the organisers may care to argue in their defence, German Romanticism produced many, many things that were not Nazism - but Nazism was the biggest and most dreadful thing that it did produce. Any history which pretends otherwise is a lie. Der Kurator der Ausstellung Christoph Vitali bezeichnete das Ganze in einem Interviw mit dem Spiegel als Dünnschiß.

Mit dem konfusen Gesamtkomzept der Ausstellung, die den romantic spirit als Kuddelmuddelbegriff für zweihundert Jahre deutscher Kunst gebrauchte, hatte William Vaughan nichts zu tun. Ich glaube auch nicht, dass er behaupten würde, dass die deutsche Romantk die Nzis hervorgebracht hat. Er hat an der Ausstellung mitgewirkt, aber nur für die Zeit Caspar David Friedrichs steht er im Katalog. Der Satz one of the most respected historians and critics of Romantic art in the world, mit dem das Birkbeck College Professor William Vaughan beschrieb, ist nicht übertrieben. Wenn man sich seine Publikationsliste anschaut, dann ist man beeindruckt. Zu dem Thema Romantik war er trotz vieler anderer Publikationen immer wieder zurückgekehrt. So 1980 mit dem Buch German Romantic Painting (von dem man hier viel lesen kann) und 2004 dem Buch Friedrich bei der Phaidon Press in der Reihe Art & Ideas. Zweihundert Abbildungen auf 352 Seiten, es gibt in englischer Sprache für den normalen Leser nichts Besseres. Warum wird das Buch nicht ins Deutsche übersetzt? Trauen wir den Engländern nicht zu, dass sie Caspar David Friedrich verstehen können?

Dies ist das einzige Bild von Friedrich, das die National Gallery besitzt, man hat es 1987 gekauft (der Louvre besaß schon zehn Jahre früher ein Bild von Friedrich). Damals war es das erste Friedrich Gemälde in einer öffentlichen Sammlung in England. Kenneth Clark hätte in den fünfzehn Jahren, als er Direktor der National Gallery war, Bilder von Friedrich kaufen können. Aber er hat es nicht getan. Als er 1948 an der National Gallery aufhörte, schrieb er das Buch Landscape into Art, wo er Friedrich einige Sätze im Zusammenhang mit dem Maler Samuel Palmer gönnt: If in some of his drawings Palmer’s use of decorative symbols reminds us of a Verdure tapestry, in others the freedom of his means anticipate van Gogh. In this he surpassed that other romantic landscape painter whose brooding on nature is in many respects similar to his, Caspar David Friedrich. For Friedrich, for all the intensity of his imagination, worked in the frigid technique of his times, which could hardly inspire a school of modern painting. In seiner weltberühmten Serie Civilisation erwähnt er Friedrich einmal, in seinem Buch The Romantic Rebellion: Romantic Versus Classic Art auch einmal. Das isses. Aber wir können William Vaughan dafür dankbar sein, dass er da weitermachte, wo Lord Clark gar nicht erst angefangen hat. Und weil er a sea-change in opinion with regard to this artist bewirkt, einen tiefgehenden Meinungsumschwung.


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