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Dienstag, 6. Februar 2024

Caspar David Friedrich (1)


Ich war erst wenige Monate im Internet, als ich den Post Caspar David Friedrich schrieb. Viele Leser, die den Post zufällig entdeckten, mochten ihn nicht; es war ihnen zu frech, was da stand. Kratzte ein wenig an der deutschen Innerlichkeit. Jetzt haben wir ein Caspar David Friedrich Jubiläumsjahr, da sollte ich vielleicht noch etwas schreiben. Weil dieser Blog ja immer ein Kunst-Blog war. Der Maler aus Greifswald (das damals noch schwedisch war) wurde am 5. September 1774 geboren, aber die Feiern zu seinem zweihundertfünfzigsten Geburtstag haben längst angefangen. In der Kunsthalle Hamburg läuft schon seit dem 15. Dezember 2023 eine große Ausstellung. Die Eröffnung der Ausstellung, bei der auch der Bundespräsident sprach, habe ich hier in einem Livestream. Das Buch zur Ausstellung Caspar David Friedrich: Kunst für eine neue Zeit, herausgegeben von Markus Bertsch und Johannes Grave, ist zum Teil bei Google Books zu lesen. In Hamburg ist vielleicht die größte, aber nicht die einzige Ausstellung im Jubiläumsjahr; auch in Dresden, Leipzig und Weimar, die Hauptwerke von Friedrich besitzen, gibt es Ausstellungen.

An die große Caspar David Friedrich Ausstellung der Kunsthalle Hamburg fünfzig Jahre zuvor, für die der Hamburger Direktor Werner Hofmann nur kümmerliche 100.000 Mark vom Staat bekam, kann ich mich noch gut erinnern. Ich habe sie viermal besucht, eigentlich nicht wegen Friedrich, sondern wegen des schönen Gefühls, dass mein grüner Mitgliedsausweis der Freunde der Kunsthalle mir freien Eintritt bescherte und mich elegant an den immer länger werdenden Schlangen vorbeigehen ließ. 220.000 Besucher haben die Ausstellung damals in drei Monaten gesehen, 45.000 Kataloge wurden verkauft. Zu sehen waren damals 95 der rund 140 erhaltenen Gemälde und 137 grafische Blätter. Als Leihgaben kamen 83 Gemälde nach Hamburg, davon - und das war eine kleine Sensation - 22 Bilder aus der DDR. Es kamen auch zehn Bilder aus Russland, dem Land, das dank Wassili Andrejewitsch Schukowski neben Deutschland die größte Zahl von Caspar David Friedrich Gemälden besitzt.

Im Vorfeld der Ausstellung hatte sich Hofmann an die DDR gewandt und darum gebeten, die Friedrichs aus Dresden ausleihen zu dürfen. Das Ministerium für Kultur der DDR wusste nicht so recht, was es tun sollte, der Maler passte kaum ins politische Konzept. Der Kustos der Dresdner Gemäldegalerie Neue Meister Hans Joachim Neidhardt (der hier schon in den Posts Wanderer im Sturm und Christian Friedrich Gille erwähnt wird) handelte der DDR Führung einen genialen Kompromiss ab. Hamburg würde die Bilder bekommen, wenn er anschliessend in Dresden eine Caspar David Friedrich Ausstellung machen dürfe. Mit Hamburger Exponaten. Und so gab es vom 24.11.1974 bis 16.2.1975 im Albertinum die Ausstellung Caspar David Friedrich und sein Kreis, sie lockte 260.000 Menschen an. Den Mönch am Meer und die Abtei im Eichwald bekam Neidhardt nicht, die gehörten zum Bestand der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und auf den meldete die DDR damals juristische Ansprüche an. 

Die Hamburger Ausstellung war Teil eines über Jahre gehenden Projekts, das Kunst um 1800 hieß. Es umfasste die Ausstellungen: Ossian und die Kunst um 1800 (09. Mai 1974 – 23. Juni 1974), Caspar David Friedrich (14. Sept 1974 – 03. Nov 1974), Johann Heinrich Füssli (04. Dez 1974 – 19. Jan 1975), William Blake. Kunst um 1800 (06. März 1975 – 27. April 1975), Johan Tobias Sergel (22. Mai 1975 – 21. Nov 1975), William Turner und die Landschaft seiner Zeit (19. Mai 1976 – 18. Juli 1976), Runge in seiner Zeit (21. Okt 1977 – 08. Jan 1978), John Flaxmann. Mythologie und Industrie (20. April 1979 – 03. Juni 1979) und Goya. Das Zeitalter der Revolutionen (17. Okt 1980 – 04. Jan 1981). Ich habe alle Ausstellung gesehen, viele (zum Beispiel Nicolai Abildgaard und Apotheose) sind in meinen Blog gewandert.

Ein derartiges Ausstellungskonzept hat es, glaube ich, nie wieder gegeben. Die Ausstellungen wurden begleitet von hervorragenden Katalogen des Prestel Verlags. Am Ende der Ausstellungsreihe gab es noch eine Festschrift für Werner Hofmann, die Kunst um 1800 und die Folgen hieß. Und Hofmann hat über Friedrich auch noch das Buch Caspar David Friedrich: Naturwirklichkeit und Kunstwahrheit geschrieben. Über die Friedrich Ausstellung 1974 hatte Hofmann gesagt: Man kann ohne Übertreibung und Selbstlob sagen, dass unser Überblick das Maximum des Erreichbaren umfasst. Eine gewichtigere Ausstellung wäre weder heute noch zu einem späteren Zeitpunkt realisierbar. Der Begriff Blockbuster Ausstellung war noch nicht geläufig, aber das war es gewesen, so viele Besucher hatte die Hamburger Kunsthalle noch nie gesehen. 

Wir betrachten Friedrich immer als Einzelerscheinung, als Ausnahmeerscheinung. Selten wird er in den Zusammenhang mit Zeitgenossen gesetzt, die malerisch ganz andere Dinge machen. Dies hier ist kein Bild von Caspar David Friedrich, es ist ein Bild eines Malers, der im selben Jahr wie Friedrich stirbt: Carl Blechen. Und wir sollten immer bedenken, dass John Constable ein Zeitgenosse ist. Als Friedrich seine Kreidefelsen malt, malt Constable Weymouth Bay

Die Hamburger Ausstellungsreihe Kunst um 1800 sah Friedrich im europäischen Zusammenhang, das war selten. Das erste Mal, dass ich las, dass ein Kunsthistoriker Caspar David Friedrich im Zusammenhang mit John Constable betrachtete, war bei dem englischen Kunsthistoriker Matthew Craske. Sein Buch Art in Europe 1700-1830, das in der Oxford History of Art erschien, habe ich schon in dem Post 18th century erwähnt. Und dort auch den berühmten Roy Porter zitiert, der über das Buch sagte: This survey comes as a breath of fresh air ... here is art history at long last properly embebedded in its wider historical context. 

Wir haben ungefähre Vorstellungen von der zahlenmässigen Größe von Friedrichs Werk, der ausgezeichnete Wikipedia Artikel gibt sie uns. Es ist ein Werk, das immer Verluste hinehmen musste. Zum einen durch fehlerhafte Zuschreibungen. Dieses Bild galt über hundert Jahre als Friedrich, ist aber von Carl Julius von Leypold. Das hat Werner Sumowski, international renommierter Rembrandt Experte, herausgefunden. Caspar David Friedrich lag dem Rembrandtforscher ein wenig am Herzen, da er sich über diesen Maler habilitiert hatte. Mit seinem Aufsatz im Pantheon (1971) wurden über Nacht drei Bilder von C.D. Friedrich zu Bildern von Carl Julius von Leypold. Den Museen, die diese Bilder besaßen, hat das sehr wehgetan. 

Es gibt andere Verluste. Dieses in Frankfurt gestohlene Bild, das der Hamburger Kunsthalle gehörte, ist wieder aufgetaucht. Es gibt größere Verluste, die drei Friedrichs, die der Kunstsammler Johann Friedrich Lahmann seiner Heimatstadt Bremen vermachte, gibt es nicht mehr, sie sind 1936 in München verbrannt. Ich habe hier eine Liste der Verluste. Und dann kommen noch die Verluste während der Kriegs- und Nachkriegszeit. Helmut Börsch-Supan und Karl Wilhelm Jähnig haben in ihrem Katalog: Caspar David Friedrich. Gemälde, Druckgraphik und bildmäßige Zeichnungen, der 1973 im Prestel Verlag erschien, natürlich eine Liste der Fehlbestände. Aber das maßstabsetzende Verzeichnis Verschollene und nicht identifizierbare Gemälde, Sepien, Aquarelle, Radierungen findet sich 1970 in dem Buch Caspar David Friedrich Studien von Werner Sumowski. Die Liste umfasst 488 Nummern.

Als die Stiftung Pommern noch im Rantzaubau des Kieler Schlosses war, konnte ich mir jede Woche Caspar David Friedrich Bilder anschauen. Zum Beispiel das große Bild Neubrandenburg im Morgennebel. Ich war beinahe immer allein in den Räumen, offenbar kannte niemand dieses Kleinod einer Kollektion, in der es auch einen van Gogh gab. Man nahm mir keinen Eintritt mehr ab, man wusste, dass ich die Sammlung schon ganzseitig in der Universitätszeitung semester gewürdigt hatte. Von Zeit zu Zeit gab es oben im Vortragssaal, wo das Klavier stand, noch kleine Sonderausstellungen von Zeichnungen und Aquarellen. Die Sammlung ist nicht mehr in Kiel, sie ist da, wo sie hingehörte. Irgendwie ist das schade. Meine Museumsbesuche sind in die Posts Albert Weisgerber, Ferdinand von Rayski, von Kügelgen und Gotthart Kuehl gewandert.

Caspar David Friedrich tauchte hier zuletzt in dem Post Skying auf, weil ich in da Lea Singers netten Roman Anatomie der Wolken erwähnte, der von einem Zusammentreffen von Goethe und Friedrich handelt. Mein erster Post aus dem Jahre 2010 blieb nicht das Einzige von Friedrich in diesem Blog. Drei Jahre später schrieb ich Kreidefelsen, das war ein sehr substantieller Post, den kein Leser mehr kritisierte. Hinter dem Titel des heutigen Posts steht die Zahl Eins, ich habe vor, bis zum 5. September des Jahres noch einige andere Posts zu schreiben.

1 Kommentar:

  1. Und nun hat Florian Illes mit ZAUBER DER STILLE einen CDF-Roman geschrieben, den ich aber erst noch aufschlagen muss.
    Mit seinen Bildern hab ich mich beschäftigt, nachdem ich von Carl Gustav Carus las, dem Arzt und Malerfreund...

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