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Samstag, 11. Mai 2024

Fortuny


Man kann Fortuny Kleider immer noch kaufen, es gibt Geschäfte in Venedig, Paris und München. Und den Palast von Fortuny kann man besichtigen. Das Multitalent Mariano Fortuny y Madrazo wurde am 11. Mai 1871 in Granada als Sohn eines Malers geboren. Er hat Malerei studiert. Unter anderem bei James Tissot, der das berühmte Bild der Pariser Gentlemen im Jockey Club gemalt hat (es findet sich hier in dem Post Notre Dame d'Amiens), die wahrscheinlich alle in Marcel Prousts Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit vorkommen. Fortuny hat zwar auch Bilder gemalt, aber er ist für etwas ganz anderes berühmt geworden. Nämlich für solch plissierte Seidenkleider wie dieses hier, das die Comtesse Greffulhe trägt. Die macht Marcel Proust in seinem Roman zur Herzogin von Guermantes. Und Proust hat Mariano Fortuny auch in seinem Roman hineingeschrieben: Ces toilettes n'étaient pas un décor quelconque, remplaçable à volonté, mais une réalité donnée et poétique comme est celle du temps qu'il fait, comme est la lumière spéciale à une certaine heure. De toutes les robes ou robes de chambre que portait Mme de Guermantes, celles qui semblaient le plus répondre à une intention déterminée, être pourvues d'une signification spéciale, c'étaient ces robes que Fortuny a faites d'après d'antiques dessins de Venise. Est-ce leur caractère historique, est-ce plutôt le fait que chacune est unique qui lui donne un caractère si particulier que la pose de la femme qui les porte en vous attendant, en causant avec vous, prend une importance exceptionnelle, comme si ce costume avait été le fruit d'une longue délibération et comme si cette conversation se détachait de la vie courante comme une scène de roman.

Das Zitat steht schon in dem Post Damenmode. Und in den Posts Une fillette d’un blond roux und Orchideen finden Sie ganz viel zu dem Thema Mode bei Proust. Die Comtesse Greffulhe ist natürlich auch dabei. In dem Roman Im Schatten junger Mädchenblüte sagt der Maler Elstir zu Albertine: Sie werden vielleicht schon bald die herrlichen Stoffe betrachten können, die man da unten getragen hat. Man sah sie früher nur auf den Bildern der venezianischen Maler oder sonst ganz selten irgendwo in einem Kirchenschatz, ab und zu geriet ein Stück auch einmal auf eine Versteigerung. Aber jetzt heißt es, ein venezianischer Künstler, Fortuny, habe das Geheimnis ihrer Herstellung wieder entdeckt, und schon in ein paar Jahren würden die Frauen in ebenso herrlichen Brokaten mit orientalischen Mustern wie denjenigen, mit denen Venedig seine Patrizierinnen schmückte, spazierengehen oder noch besser zu Hause bleiben können. Ich weiß nicht einmal, ob ich mich darüber so sehr freuen soll, ob es nicht zu sehr nach einem Anachronismus in der Kleidung aussehen wird für die Frauen von heute, selbst wenn sie bei Regatten darin paradieren, denn um auf unsere modernen Vergnügungsjachten zurückzukommen, so sind sie ganz das Gegenteil von dem, was man zu den Zeiten hatte, als Venedig noch die 'Königin der Adria' war. 

Marcel wird seiner Albertine Kleider von Fortuny schenken. Weil die ihn an das geliebte Venedig erinnern: Das Fortuny-Kleid, das Albertine an jenem Abend trug, erschien mir wie ein verführerisches Phantom aus jenem unsichtbaren Venedig. Es wimmelte von arabischen Ornamenten auf dem Stoff, wie die venezianischen Paläste, versteckt wie Sultaninen hinter einem orientalischen Paravent, wie die Einbände in der Bibliothek von Ambrosius von Mailand, wie die Säulen, auf denen die orientalischen Vögel, die abwechselnd Leben und Tod symbolisierten, im Spiegel des Stoffs sich wiederholten, von einem intensiven Blau, das, als mein Blick darüber schweifte, zu schmiedbarem Gold wechselte durch dieselbe Wandlung, die vor dem Vorbeigleiten der Gondeln das Azurblau des Canale Grande in ein flammendes Metall verwandelt. Und die Ärmel waren eingefasst in einem Kirschrosa, das so eigentümlich venezianisch ist und Tiepolo Rosa genannt wird. Das Zitat verwendet die Firma Fortuny heute auf ihrer Seite zu Werbezwecken.

Das erste Kleid,  mit dem Fortuny und seine Frau Henriette (hier von ihm gemalt) 1909 die Modewelt überraschen, heißt Delphos. Vorbild für das Kleid war der Wagenlenker von Delphi, den man zehn Jahre vorher entdeckt hatte. Er gab auch den Namen für das Modell. Das mit einer speziellen Technik plissierte Seidenkleid umfliesst den Körper der Trägerin. Die am besten sehr schlank und nackt ist. Wenn man etwas molliger ist, dann geht man am besten zu Paul Poiret, der einmal Assistent bei dem Erfinder der Haute Couture Charles Frederick Worth war. Berühmtheiten wie Isadora Duncan, Sarah Bernhardt, und Lilian Gish tragen Fortuny. Aber auch die Damen der Halbwelt, für die es hier schon die Posts Demimonde und les grandes horizontales gibt, tragen Fortunys Kleider. Und wenn Sie alles über das Delphos Kleid wissen wollen, dann klicken Sie einmal diese Seite bei Google Arts & Culture an.

Die Welt der Herzogin von Guermantes ist vergangen. Fortunys Roben kosten ein kleines Vermögen, wenn sie heute bei Auktionen auftauchen. Große Museen wie das Metropolitan besitzen mindestens ein Kleidungsstück von Fortuny. Sein Palazzo in Venedig ist heute ein Museum. Dass der Name Fortuny nach Henriette Fortunys Tod im Jahr 1965 weiterlebt, verdankt Venedig einem Unternehmer namens Lino Lando, der das Internet mit Fortuny Seiten vollgepflastert hat. Ich weiß nicht, ob Marcel Proust das gefallen hätte.


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