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Samstag, 3. Dezember 2016

Spanische Herrenschuhe


Ich weiß nicht, warum ich in meinem kleinen Panorama der europäischen Schuhproduzenten die Spanier bisher ausgelassen habe. Obgleich ich sie in dem Post ➱wholecut schon einmal erwähnt habe: Die werden in großem Stil auf einer anderen Insel als England hergestellt: Mallorca. Die Firma Carmina wirbt damit, der größte Hersteller von Cordovan Schuhen in Europa zu sein. Dieser hier kostet 690€. Neben der Firma Carmina von José Albaladejo gibt es auf Mallorca noch die Firma Meermin, die etwas preisgünstiger ist (und dass Herr ➱Kuckelkorn sich in Mallorca und in Almansa seine Schuhe machen lässt, sollte nicht unerwähnt bleiben). Die Spanier sind (wenn man an Marken wie Lottusse und andere denkt) im Bereich des preiswerten Qualitätschuhs zu einer Großmacht in Europa geworden. Auch der deutsche Internethändler Shoepassion, der für 239 Euro einen wholecut anbietet, bezieht seine Schuhe aus Spanien. Von der Firma Cordwainer in Almansa; man kann eine Besprechung der Qualität der Shoepassion von jemandem, der sich Paul Prüfer nennt, hier lesen. Aber das Ganze ist wahrscheinlich auch nur gekaufte Werbung.

Ich bleibe einmal bei der Firma Shoepassion, die auf ihrer Homepage versichern, dass spanische Schuhe für hochwertige Qualität stehen und zurzeit noch eher ein Geheimtipp sind: In puncto Verarbeitung, Design und Komfort stehen sie den großen Vorbildern aus Italien und England in keinster Weise nach. Da ist etwas dran. Man kann sie auch unter anderen Namen als Shoepassion kaufen.

Dr Thomas Schmitz mit seiner Firma John Crocket, der einmal einer der ersten in Deutschland war, der ➱Tricker's anbot, setzt jetzt voll auf die Spanier (hier einige seiner Schuhe). Natürlich nur mit Rendenbach Sohle, genau so wie Ed Meier in München die Rendenbach Sohlen nach England schickt, damit Crockett & Jones die unter seine Schuhe nähen. Und auch Dieter Kuckelkorn lässt in Spanien, wo er lange gelebt hat, produzieren. Das wissen Sie aber schon, weil Sie längst den Post ➱Kuckelkorn gelesen haben. Als Kuckelkorn noch spanische Schuhe unter dem englischen Namen Robert Johnson verkaufte, belieferte er auch Hein Gericke. Nicht mit  Motorradstiefeln, damals hatte Gericke eine kleine Firma in Düsseldorf, die Hein Gericke Classics hieß und erstklassige Ware anbot. Ich habe immer noch ein Paar Schuhe von damals, nach Jahrzehnten beinahe wie neu.

Nicht aus Spanien kommen die Schuhe des spanischen Hoflieferanten Loewe, seit die Firma zum ➱Louis Vuitton Konzern gehört. Die Schuhe werden von Stefanobi gemacht, die auch die Berluti Schuhe herstellen. Ich nehme mal an, das Christian Kracht von der Firma Berluti (die ➱hier einen Post hat) jedes Jahr ein Paar Schuhe bekommt, hat er doch die Firma Berluti in seinen Roman 1979 hineingeschrieben. Keiner der Rezensenten versäumte es, auf die Berluti Schuhe hinzuweisen. Ich zitiere mal eben die NZZ: Allein in dem Maße, in dem es ihrem Einsatz häufig genug an Witz und Ironie gebricht, dürften sie im Verein mit dem auch diesmal wieder massiv geübten Product-Placement (die Schuhe von Berluti, das Einstecktuch von Paisley, die Musik von den Ink Spots usw.) dem Verdacht Vorschub leisten, Popliteratur aus dem Hause Kracht, weit davon entfernt, mit Trivial- und Kitschelementen zu jonglieren, sei deren Trug vielmehr mit Haut und Haaren verfallen. 

Die wohl größte Zahl der spanischen Schuhproduzenten sitzt auf Mallorca. Und das schon lange: Lottusse seit 1877, Yanko seit 1890 und Carmina (zu der Firma gehören auch die Marken Albaladejo und Meermin) seit 1866. In den 1950er Jahren arbeitet die Hälfte der Einwohner von Inca in der Schuhindustrie. Die Firma Lottusse (zu der auch die Marke Camper gehört) soll ihren Namen danach haben, dass ihr Firmengründer in England eine Nähmaschine namens Lotus gekauft hatte. Sie sind neuerdings in Miami und New Jersey zu finden, Amerika ist immer ein Markt für spanische Schuhe. Im Jahre 1972 gingen 70% des spanischen Schuhexports in die Vereinigten Staaten. Lottusse ist aber auch ganz stark in China, wo sie schon in 49 Geschäften vertreten sind. Das ist eine witzige Sache: zum einen überschwemmen die Chinesen den europäischen Markt mit Billigschuhen und zu Hause kaufen sie Qualitätsschuhe aus Spanien.

Ihre beste Qualität trägt den Namen Lottusse Selection 1877, und da bekommt man schon wirklich gute Schuhe. Den hier habe ich seit Jahren, er hat wenig Spanisches an sich. Es ist eine perfekte Kopie eines Theresianers von Ludwig Reiter, hat sogar diese geschwungene Absatzform, die man in Wien liebt. Schlicht und unauffällig, aber hervorragend verarbeitet. In der Linie Lottusse Selection 1877 bietet die Firma auch Pferdelederschuhe an, die sehr viel preisgünstiger sind als die Schuhe von Alden.

Noch mehr Cordovan Schuhe produziert die Firma Carmina, aber das steht schon im ersten Absatz. Zu dem Familienunternehmen von José Albaladejo braucht man kaum etwas zu sagen. Sogar Michael Jondral in Hannover, von dem ich glaubte, dass er nur mit Saint Crispin's handeln würde, hat Carmina im Angebot. Preiswerter als Carmina ist Meermin, die noch junge Firma ist der Nachfolger von Yanko (in Deutschland einstmals beworben mit Yanko der Spanier), sie machen wirklich elegante scharfe Schuhe. Die auch in England beliebt sind. Wahrscheinlich weil sie so aussehen, als wären sie Schuhe von Gaziano und Girling (deren Schuhe in der Anfangsphase ja von ➱Alfred Sargent gemacht wurden). Ob Meermin Schuhe lange halten oder ob ihre Schönheit nur die des flüchtigen Augenblicks ist, das weiß ich nicht. Bei ebay wird ständig B-Ware der Fabrik verkauft, die dann am Ende der Auktion ungefähr die Hälfte des Ladenpreises kostet.

A propos England, auf Mallorca wohnen dauerhaft beinahe 20.000 Briten, die wegen des Brexit etwas ängstlich in die Zukunft schauen. Die spanische Schuhindustrie (hier ein Blick in die Fabrik Antoni Melis in den 30er Jahren) schaut kein wenig ängstlich in die Zukunft. Denn wenn der Austritt der Engländer aus der EU mit dem Verlust des europäischen Binnenmarktes wirklich wahr wird, werden englische Schuhe teurer werden. Dann wird ein Schuh von Carmina zu einer echten Konkurrenz für, sagen wir, Crockett & Jones werden.

Und wir bleiben noch ein wenig bei den Engländern, nämlich bei diesem Herrn hier, James FitzJames, dem ersten Duke of Berwick. Sein Nachnahme sagt uns alles: er ist der (un)eheliche Sohn (fils=fitz) von James. Sein Vater ist James II, jener Stuart, den die Engländer aus ihrem Land vertreiben werden. In der Zeit von James II sind in England übrigens bei den Damen spanische Schuhe, die mit Gold verziert sind, sehr beliebt. Auf jeden Fall singt in Thomas D'Urfeys The Young Maid's Portion jemand von my damask gown, my laced shoes of Spanish leather. Wenn Sie noch mehr zu den Schuhen des 18. Jahrhunderts wissen wollen, dann gehen Sie doch zu dem wunderbaren Blog ➱Jane Austen's World. Unser James FitzJames hat noch eine Vielzahl anderer Adelstitel, die man ihm in Spanien und Frankreich verleiht. Weil er für diese Nationen Krieg führt. Er gewinnt unter anderem die Schlacht von Almansa, und damit sind wir wieder bei der spanischen Schuhindustrie.

Denn neben Mallorca ist Almansa das zweite Zentrum der spanischen Schuhindustrie. Hier sind Firmen wie Cordwainer, Lorens, Magnanni, Kuckelkorn und Berwick 1707 beheimatet. Das 1707 bei Berwick bedeutet nicht, dass es die Firma seit diesem Jahr gibt, es gibt sie erst seit 1991. Das 1707 bezieht sich auf die Schlacht von Almansa. Und so lebt der Duke of Berwick (der seinen Herzogstitel verlor, als er mit seinem Vater das Land verließ) auf den Sohlen einer spanischen Schuhfabrik weiter. Neben dem Signet der Firma Rendenbach, die diese hervorragenden Sohlen macht.

Cordwainer klingt nach einer englischen Firma (man verkauft auch gut nach England), aber es sind Spanier wie Berwick. Und das Wort cordwainer, das einen Schuster bezeichnet (die haben in England heute noch immer eine Innung), ist im Mittelalter aus Spanien nach England gekommen. Die Stadt Cordoba (die auch in cordovan steckt) steckt in diesem Wort, berühmt für ihr feines Leder.

Natürlich stellt man in Spanien auch Millionen von Damenschuhen her. Und zapatos für die Freizeit, Stiefel nicht zu vergessen. Tony Mora auf Mallorca ist berühmt für seine Cowboystiefel. Dazu zitieren wir doch mal eben einen Nobelpreisträger:

Well, if you, my love, must think that-a-way
I’m sure your mind is roamin’
I’m sure your heart is not with me
But with the country to where you’re goin’

So take heed, take heed of the western wind
Take heed of the stormy weather
And yes, there’s something you can send back to me
Spanish boots of Spanish leather

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