Freitag, 19. Dezember 2014

Blazer


Irgendwie scheinen sie rar geworden zu sein, die Blazer. Sind ja auch nicht jedermanns Sache. Obgleich man sie natürlich tragen kann. Wenn man Charles heißt. Oder Prince Michael of Kent. Der blaue Blazer gehört heutzutage zur Standarduniform des deutschen Mannes. Sagt Herr ➱Roetzel (auf die Frage Und zu guter letzt – was sollte jeder Mann im Kleiderschrank hängen haben? von Focus Online): Einen dunkelblauen Anzug, ein oder zwei Sportsakkos, einen Marineblazer, eine graue Wollhose, viele Chinos, ein paar Polos und Rugbyhemden, einen Trench, einige V-Ausschnittpullover, ein paar hellblaue Oberhemden, ein paar Krawatten, dunkle Kniestrümpfe, zwei bis drei rahmengenähte Schuhe (braune und schwarze) und einen Smoking. Jetzt wissen wir es.

Von meinem ersten Blazer habe ich ein Bild, das verdanke ich ➱Ekke Dahle, dessen Karikaturen schon mehrfach in diesem Blog aufgetaucht sind (er ist übrigens auf diesem Photo links in dem hellbraunen Sommeranzug zu sehen). Das Photo wurde im Sommer 1962 im Hafen von Rotterdam aufgenommen, da war Ekke gerade mit dem Schiff aus Amerika angekommen. Unser Klassenkamerad Claus Jäger war auch an Bord gewesen. Der ist später noch Bürgermeister von Bremen geworden, weil er mit seiner FDP einmal 10,2 Prozent der Wählerstimmen erreichte. Davon träumt die FDP noch heute. Der Claus war aber nicht so elegant gekleidet wie Ekke und ich.

Bei Ekke war das mit der Eleganz im Jugendalter kein Wunder, sein Vater hatte das beste Herrenmodegeschäft im Ort (es wird schon in den Posts ➱Windsor und ➱Heringe erwähnt). Ich profitierte auch von Albert Dahle, weil er mir immer all die schönen Fachzeitungen wie ➱Sir und das Herrenjournal lieh. Damals gab es ja in Bezug auf Modezeitschriften überhaupt nichts. Zeitschriften wie Mann und Welt, Modischer Stil und Er: Die Zeitschrift für den Herrn blieben marginal. Wir hatten in Deutschland außer dem Herrenjournal (das wohl größtenteils dem Fachhandel vorbehalten blieb) keine Publikationen, die man mit Arnold Gingrichs Esquire (für das ➱Hemingway schrieb) oder mit den Apparel Arts vergleichen konnte. Es wurde schon als Sensation empfunden, als das Magazin Constanze mal eine vierseitige Beilage zum Thema Herrenmode offerierte.

Für die Damenmode gab es solche Zeitschriften schon. Obgleich sie in den fünfziger Jahren kaum mehr das Niveau von Die Dame erreichten. Das Journal für den verwöhnten Geschmack, in dem ➱ Gregor von Rezzori seinen ersten Roman veröffentlicht hatte, war 1943 eingestellt worden (lesen Sie mehr in dem Post ➱Modebücher). Die Modephotographie der fünfziger Jahre, zum Beispiel die von F.C. Gundlach für die Elegante Welt und Film und Frau, war häufig erstklassig. Aber wann photographierte der schon mal Männer in Anzügen? Höchstens ➱Curd Jürgens oder ➱Dieter Borsche. Nein, Herrenmode fand in den fünfziger und sechziger Jahren nicht statt. Man war ordentlich gekleidet. Wie mein Vater (rechts auf dem Bild oben) in einem sommerlichen Zweireiher, etwas anderes wäre ihm nicht in den Sinn gekommen. In England zeichneten sich Jugendkulturen wie ➱Teddy Boys oder ➱Mods durch ihre Kleidung aus, wir hatten bestenfalls ein paar Halbstarke in Lederjacken. Peter Kraus war nie mein Modeideal (ich hätte ➱hier eine nette Doku zu den fifties).

Worüber läuft die modische Geschmacksbildung? Modezeitschriften gab es ja nicht. Über die Wochenschau? Gerade mal 21 Berichte in allen deutschen Wochenschauen von 1957 bis 1964, sagt Uta Schwarz in ihrem Buch Wochenschau, westdeutsche Identität und Geschlecht in den fünfziger Jahren. Wir erfahren dort auch: Herrenmode war vertreten als vom Schneiderhandwerk hergestellte bürgerliche Berufs- und Gesellschaftsmode und als Freizeit-Konfektion aus Kunstfasern für eine jüngere Generation. Und: Der Habitus-Diskurs der Modeberichte postulierte für die bürgerliche Herrenmode die Einheit von Erscheinung und Wesen, von äußerlichem Auftreten und innerlichem Befinden.

Darauf gründete sich das oben zitierte Versprechen des Schneiderhandwerks, durch entsprechende Kleidung auch eine innerliche Verfeinerung und Geschmacksentwicklung zu vollziehen und dadurch gesellschaftlich aufsteigen zu können. Wie gut, dass mein Vater so etwas nicht zu lesen brauchte. Den interessierte Mode (wie die meisten Männer) überhaupt nicht, der ließ sich alle paar Jahre von seinem Schneider einen neuen Anzug machen. Der möglichst genau so aussah wie der alte. Der Schneider hatte viel Mühe gehabt, ihn zu dem hellen zweireihigen Sommeranzug da oben auf dem Photo zu überreden.

Wenn die Wochenschauen schon nichts boten, offerierte der deutsche ➱Film der fünfziger Jahre mehr? Diese Melange aus Heimat-, Pauker- und Kriegsfilmen? So wie die Männer im deutschen Film der fünfziger Jahre aussahen, so wie Heinz Rühmann, Rudolf Prack oder Willy Birgel, wollte ich auf keinen Fall aussehen. Und wie der Mann der Diolen Werbung (In allen Situationen korrekt - das typische Motto der fünfziger Jahre) erst recht nicht. Da konnten Schauspieler wie Claus Biederstaedt, Georg Thomalla und Peter Frankenfeld für die ➱Miltenberger Kleiderwerke werben, es berührte mich nicht. Ich wusste damals schon, weshalb ich mir damals immer ➱französische oder ➱italienische Filme anschaute.

Über Herrenmode zu schreiben, ist deshalb ein Problem, weil die Herrenmode kein Problem ist. Die Bemühungen, Neuheiten zu lancieren, scheitern an der sachlichen Einstellung der Männer ihren Kleidern gegenüber. Seit der Französischen Revolution scheuen sich die Männer, im Alltag Standesunterschiede durch die Kleidung zu betonen: die Männerkleidung ist demokratisch geworden, modische Probleme sind nur dann Männersache, wenn es sich um die Kleider der Frau handelt, heißt es auf einer ➱Seite der Neuen Zürcher Zeitung aus dem Jahre 1960, die Requiem für Stutzer, Beau und Dandy betitelt ist. Und wenn man sich diese schönen Modelle der deutschen HAKA anguckt, was soll man darüber schreiben? Das war der deutsche Alltag. Ist es vielleicht noch.

Wir wissen, dass dies Jean-Pierre Léaud in ➱François Truffauts ➱Baisers Volées ist, aber damals sah ich genau so aus (allerdings ohne ➱Claude Jade). Mode ist ein Teil der Identitätsgewinnung, man sucht sich seine Ideale in der Filmwelt oder der in Werbeanzeigen propagierten Warenwelt. Die natürlich nicht die wahre Welt ist. Jean-Pierre Léaud war geklont, er war gekleidet wie François Truffaut. Wie die französische Bourgeoisie. Es war auch mein Stil. Es war auch der Stil der mods, aber den Begriff kannte ich damals noch nicht.

Wie Jean-Pierre Léaud war auch ich geklont, ich gehörte allerdings nicht zu den Kindern von Marx und Coca Cola. Ich habe Marx nie gelesen und auch keine Coca Cola getrunken. Ich wusste noch nicht, dass ich eigentlich genau das war, was die Engländer mod und die Franzosen minet nannten. Im Vorwort zu Dichtung und Wahrheit spricht Goethe davon, dass er sich bemühte, die innern Regungen, die äußern Einflüsse, die theoretisch und praktisch von mir betretenen Stufen der Reihe nach darzustellen. Ich bin im Augenblick bei der Darstellung der äußern Einflüsse, möchte aber noch anmerken, dass ich - obgleich mich Mode immer interessierte - nie ein fashion victim wurde. Und dass in dem modebewussten kleinen Gecken noch ein anderer steckte: ich hatte das Ziel, mit einundzwanzig einmal durch die Weltliteratur zu sein. Können wir das unter den innern Regungen rubrizieren? Ich habe das (mit leichten Abstrichen wie ➱Krieg und Frieden und ➱Vor dem Sturm) auch geschafft.

Als ich mir 1996 Farid Chenounes A History of Men's Fashion (damals schon teuer, heute unbezahlbar) kaufte, legte ich mir bei Seite 265 ein Lesezeichen hinein. Jeder dieser jungen Herren, die in Paris vor ➱Le Drugstore stehen, hätte ich sein können. All diese Outfits hatte ich damals getragen. Man könnte sie heute noch tragen. Ein Blazer ist auch dabei. Und damit komme ich langsam wieder zu meinem Thema zurück. Nein, ich habe das nicht vergessen. Aber ich liebe ➱Laurence Sternes Tristram Shandy zu sehr, als dass ich auf diese kleinen Digressionen verzichten könnte.

Die Schuhe der jungen Herren, die man in Frankreich minets nennt, sind wahrscheinlich von JM Weston. Die französische Traditionsfirma habe ich (verbunden mit einer komischen Geschichte) ➱hier schon einmal erwähnt. Der Flanellanzug mit Weste wird von der Firma ➱Renoma sein, der französische ➱Filmschauspieler Jacques Dutronc war damals das beste Aushängeschild für die Firma. Französische Filmschauspieler waren sowieso immer die beste Werbung für die Pariser Herrenmode (lesen Sie mehr zu diesem Thema in dem Post ➱Waltz into Darkness).

Obgleich Pierre Cardin (der ➱hier einen Post hat) für sich in Anspruch nahm, dass er der Papst der Pariser Herrenmode war, war das in Wirklichkeit eher Maurice Renoma. In seinem Laden mit dem Namen White House konnte man Jean-Paul Belmondo, ➱Brigitte Bardot, ➱Catherine Deneuve, Jean Seberg, Serge Gainsbourg und die Rolling Stones sehen. Und natürlich Jacques Dutronc, hier (links, leider seitenverkehrt) in einem typischen Renoma Anzug mit langem Jackett, schmaler Taille, langen Rückenschlitzen und hoch angesetzten Armlöchern. Rechts davon eine moderne Kopie, die wenig von dem Stil des Originals hat. In Paris gab es damals auch zweireihige dunkelblaue Blazer mit dem gleichen Schnitt, die flache Silberknöpfe statt der wappengeschmückten wulstigen Blazerknöpfe hatten.

Für die französischen minets war der blaue Blazer ein aus einer anderen Kultur importiertes Kleidungsstück. Für Engländer bedeutet er etwas anderes, da ist er als Teil der Schuluniform eher eine Art Anstaltskleidung. Trägt man die noch freiwillig, wenn man erwachsen ist? Tragen Strafgefangene weiterhin freiwillig Anstaltskleidung, wenn sie entlassen werden? Das war nun ein wenig bösartig, aber viele Engländer haben an ihre Schulzeit (vor allem an die auf Public Schools) keine so guten Erinnerungen. Die Mitschüler von ➱Harry Graf Kessler haben furchtbar unter dem sadistischen Schulleiter Sneyd-Kynnersley gelitten. Roald Dahl hat in Boy: Tales of Childhood auch einiges über seine Tage in Repton zu erzählen. Wir lassen den Gedanken mit Schul- und Gefängnisuniformen mal eben so stehen, und ich weise auf das Buch Blazers, Badges and Boaters: A Pictorial History of School Uniform von Alexander Davidson hin.

Uniformen, wohin man blickt, vom ➱Morning Coat in Eton bis zu den Kleidern der schrecklichen Gören von ➱St Trinian's. Und alle haben ihr Wappen (und ihren Schulschlips), und natürlich darf nur derjenige diese Sachen tragen, der auch auf dieser Schule, an dieser Universität, in diesem Club oder in diesem Regiment gewesen ist (das ist in England bei Schlipsen ja ähnlich, lesen Sie dazu doch den Post ➱Royal Flying Corps). Man sollte beim Kauf eines Blazers sehr vorsichtig sein, wenn italienische Hersteller englische Wapperl auf die Brust ihres Produkts nähen, die einem Engländer etwas bedeuten können.

In seinem Buch John Bull at Home, das 1931 in London und 1932 bei Tauchnitz in Leipzig erschien, lieferte Karl Silex eine Bestandsaufnahme der englischen Gesellschaft, die noch heute interessant ist. Und zum Blazer hat er auch etwas zu sagen: The blue blazer is a flannel jacket with brass buttons preserved as a sacred relic of schooldays. When a man's girth increases and he has to have a new blazer to serve for the rest of his life it will also be provided with brass buttons, and have his school or college crest embroidered in gold on its breast pocket, or perhaps the badge of some rowing or sporting club. Das mit dem Wort sacred sollten Ausländer ernstnehmen, denn für viele Engländer bedeutet das Festhalten an traditionellen Werten - auch an goldenen Messingknöpfen und Wappen - eine ganze Menge.

Man sollte nicht das Wappen des ➱Royal Ocean Racing Clubs tragen, wenn man mal gerade einen Opti übern Baggersee segeln kann. Man sollte auch sehr vorsichtig sein, welche Goldknöpfe man sich bei der Firma London Badge and Button für den Blazer bestellt. Honi soit qui mal y pense und Dieu et mon droit geht schon mal nicht. Im Lady Margaret Boat Club, dessen scharlachrote Jacken nach Ansicht mancher Modehistoriker für den Blazer namengebend waren (eine Abbildung ist weiter unten), ist genau geregelt, wer wie viele Knöpfe in welcher Farbe an seinem Blazer tragen darf. Da ich den Absatz mit den Dingen begann, die definitiv nicht gehen, möchte ich noch das hier ansprechen: ein Zwitter aus Blazer und Strickjacke. Abgebildet 1958 in dem Esslinger Wollheft. Bitte stricken Sie es nicht nach.

Ob ➱Lucien Febvre daran gedacht hat, als er von einer Kulturgeschichte der Knöpfe sprach, dass sich eines Tages ein amerikanischer Präsident echte ➱Goldknöpfe mit dem Siegel des amerikanischen Präsidenten auf den Blazer nähen lassen wird? Man gönnt sich ja sonst nichts. Die Knöpfe sind inzwischen versteigert worden, so wie Kennedy die goldene Rolex, die ihm Marilyn geschenkt hatte, versteigern ließ. Was man natürlich zu einem Blazer tragen kann, ist eine ➱Rolex. Stilvoller ist natürlich eine alte Segleruhr wie eine Aquastar Geneve Regate Olympic Start (die es auch in Koproduktion von ➱Tissot gab). Der Chronograph, der die Minuten vor dem Regattastart farbig anzeigt, ist auch viel seltener als eine Rolex.

In dem Official Sloane Ranger Handbook aus dem Jahre 1982 sind Ann Barr und Peter York bezüglich des Blazers sehr zurückhaltend: The blazer. Watch it. A good (old) blazer can be wonderful if you're Free Foresters 'united though untied' / Leander / a general / over 50, etc..., but a natty blazer with the wrong buttons can slip into caricature. Die Free Foresters sind ein Cricket Club (lesen Sie Jay's Bestseller Cricket, das haben schon über zehntausend Leser getan), Leander ein Ruderclub, einer der ältesten ➱Rudervereine der Welt. Und damit sind wir schon bei den Anfängen dieses Kleidungsstücks.

Die zweifellos in England liegen. Seinen Namen soll der Blazer daher haben, dass anlässlich eines Inspektionsbesuchs der Fregatte HMS 'Blazer' durch Königin Viktoria im Jahre 1837 der Kapitän der Fregatte zu dieser Gelegenheit einen neuen, repräsentativeren Jackentyp für seine Mannschaft anfertigen ließ, der dann erstmals getragen wurde. Aufgrund des von Königin Viktoria geäußerten Wohlgefallens soll dieser Jackentyp schon bald von anderen Schiffen übernommen worden sein, steht im Wikipedia Artikel. Man hat allerdings keinen Beleg dafür. Wie auch? Wir verbannen die Geschichte mal getrost in den Bereich der Märchen.

Zumal es auch keine Fregatte namens HMS Blazer gegeben hat, die die gerade gekrönte Königin hätte besuchen können. Victoria mag für die Farbe ➱Schwarz in der Mode verantwortlich sein, vielleicht auch für das, was bei uns als Kieler Knabenanzug bekannt geworden ist. Sie hatte für den fünfjährigen Thronerben Albert Edward (den späteren Edward VII) im Jahre 1846 eine Matrosenuniform (also das, was in der deutschen Marine ➱Wäsche vorn hieß) anfertigen lassen (lesen Sie mehr in dem Post ➱Franz Xaver Winterhalter), und dieses Kleidungsstück verbreitete sich dann schnell in der englischen Aristokratie. Später hat Oma ihrem Enkel auch einen solchen Anzug geschenkt. Als der in Deutschland Kaiser wurde, hat er dann richtige Marineuniformen getragen.

Natürlich legt die Kombination vom Blau-Weiß der Marineuniform - wie oben auf John Singleton Copleys Bild des Midshipman ➱Augustus Brine, (der viel besser gemalt ist als Winterhalters Edward) - nahe, die Ursprünge des Blazers in der Welt von Captain ➱Hornblower zu suchen, aber die ersten Blazer in England waren keineswegs blau. Obgleich es Einflüsse der Marineuniform auf die englische Mode gibt. Seit die Royal Navy im 18. Jahrhundert neue einheitliche ➱Uniformen bekam, haben die sich immer an der englischen ➱Herrenmode orientiert. Und ihrerseits hat die sich an den Uniformen orientiert, wie es Amy Miller in ihrem Buch Dressed to Kill gezeigt hat.

Um 1865 taucht, so sagen C. Willett Cunnington und Phillis Cunnington in ihrem Handbook of English Costume in the 19th Century, ein Prototyp des blauen Blazers in größerer Zahl in der Herrenmode auf. Er wird beschrieben als: The Double-breasted 'Reefer', 'pea-jacket', 'Yachting jacket' (synonymous): A very short D-B jacket with low collar and small lapels. Cut without a back seam; short vents at the bottom of side-seams. Pockets flapped, patched or slit; often an outside pocket on the left breast and usually an inside pocket in the right. Borders bound, four pairs of buttons. Erstaunlich sind hierbei die Seitenschlitze, auch wenn es wohl nur kleine Stummelschlitze gewesen sein werden und nicht die 28 Zentimeter langen Seitenschlitze bei der Pariser Firma Renoma. Aus diesem Jackentyp wird dann irgendwann der uns bekannte zweireihige blaue Blazer werden.

Assoziationen zu den Uniformen der Royal Navy halten sich beim Blazer auch noch in den James Bond Filmen. ➱Ian Fleming hatte den Rang eines Commanders der Royal Naval Reserve, und diesen Rang hat auch seine Märchenfigur James Bond. Der trägt, wenn er von ➱Sean Connery gespielt wird, in den Filmen aber nie einen ➱Blazer. Wenn er von Roger Moore gespielt wird, dann schon, wie wir hier sehen können. Der trägt seinen Blazer wie eine Uniform. Der Geheimdienstchef M neben ihm, der ein Admiral ist, wirkt dagegen eher unmilitärisch.

Bösewichte tragen in den James Bond Filmen ganz schlimme Blazer (wie hier Richard Klier); und wenn Sie alles über die Klamotten der James Bond Filme wissen wollen, dann kann ich ein zweites Buch empfehlen, das auch Dressed to Kill heißt. Es erschien bei Flammarion (wo auch Farid Chenounes A History of Men's Fashion erschienen war) und hat den Untertitel James Bond, the Suited Hero. Es wurde zum großen Teil von ➱Brioni finanziert. Wenn Sie kein Brioni Fan sind, können Sie natürlich auch hier den Post ➱Agentenmode lesen

Die ersten Blazer im 19. Jahrhundert machen ihrem Namen Ehre, denn das Verb to blaze heißt flammend leuchten. Und diese ➱Blazer werden von Cricket-, Tennis- und Rudervereinen getragen, die Free Foresters oder Leander (mit ihrem pink Hippopotamus) heißen. Oder I Zingari mit ihren Farben schwarz-rot-gold und dem Wahlspruch out of darkness, through fire, into light. Diese Form des Blazers ist bei uns in Deutschland nicht heimisch geworden, für uns ist der Blazer identisch mit dem, was Bernhard Roetzel den Marineblazer nennt. Zu dem er in seinem Buch Der Gentleman auch ein kleines Kapitel hat (in dem er natürlich die Geschichte der HMS Blazer erzählt).

Das Oxford English Dictionary hat für den Blazer den Erstbeleg im Jahre 1880 mit einem Satz aus der Times, wo von Men in spotless flannels and club 'blazers' die Rede ist. Man beachte, dass blazer hier noch in Anführungszeichen gesetzt wird. 1885 heißt es im Durham University Journal: The latest novelty for the river... is flannels, a blazer, and spats. Und ein Leserbrief an die Daily News betont 1889: A blazer is the red flannel boating jacket worn by the Lady Margaret, St. John's College, Cambridge, Boat Club. When I was at Cambridge it meant that and nothing else. It seems from your article that a blazer now means a coloured flannel jacket, whether for cricket, tennis, boating, or seaside wear.

Jilly Cooper unternimmt in ihrem ➱Buch Class eine tour de force durch das Labyrinth der englischen Klassengesellschaft. Dafür präsentiert sie uns beispielhafte Figuren aus den einzelnen sozialen Schichten. Eine ist Harry Stow-Crat (der aristocrat ist bei dem Namen nicht weit). Wir werfen mal eben einen Blick auf seine Kleidung in der Freizeit: Pottering about at home, Harry would probably wear old corduroy (pronounced 'cord'roy') or whipcord trousers, and a tweed jacket, which he would refer to as a tweed coat, or, as it is called in Eton, a 'change coat'. He would never use the expression 'sports jacket'. He would call a blazer a boating jacket and tells [his son] Georgie he would have been thrown out of the Guards for saying 'blazer'.

In dem Buch The English Gentleman von Douglas Sutherland klingt das ganz ähnlich. Da heißt es unter der Überschrift The Sports JacketNo gentleman ever has a garment which is popularly called a sports jacket. Nor does he ever wear a blazer with a badge on the pocket. The only exception to gentlemen not wearing blazers is at Henley when they turn out in creations they have had since their rowing days and which would make a stage comedian look ridiculous. So fein können die Nuancen sein, für die englische upper class ist der Blazer, der bei den unteren Schichten beliebt ist, immer etwas Prolliges gewesen. Und bei der Erwähnung der englischen Klassengesellschaft darf dieses Photo aus dem Jahre 1937 natürlich nicht fehlen.

Ich weiß nicht mehr, wann die blauen Jacken mit den Goldknöpfen, die ihre Verwandtschaft mit pea coat (oder reefer) und Colani nicht leugnen können, en masse bei uns auftauchten, aber es muss so um 1960 gewesen sein. In dem Lexikon der Herrenmode von Hermann-Marten von Eelking, das 1960 erschien, wird der Blazer noch in der Form definiert, die Lord Hawke beim Cricket (oben) trägt. Nicht in der blauen Marineversion, die sich dann vor allem in Norddeutschland breit machte und selten da zu finden ist, wo man einen Janker (der hat ➱hier einen Post) trägt. Auf diesem Photo aus der Carnaby Street trägt bei der Präsentation des Minirocks (lesen Sie doch dazu den Post ➱Mary Quant) nur einer der jungen Männer einen dunklen Blazer.

Dieser Herr trägt den zweireihigen Blazer überzeugender, als das den meisten Deutschen gelang. Dass er die obersten Knöpfe seines Hemds offenlässt, darüber wollen wir hinwegsehen. Wir sind in Rom, da heißt es: when in Rome, do as the Romans do. In Deutschland entwickeln sich Varianten dieses Kleidungsstückes, die seinen Untergang beschleunigen. Die erste war der braune Blazer mit Goldknöpfen. Von dem gab es noch eine angeblich edlere Variante, nämlich eine Version in gelbbraunem Kaschmir. Und dann kam das Schlimmste: der bordeauxfarbene Blazer, gerne kombiniert mit dunkelgrünen Hosen. Der Rest ist Schweigen.

Mein Flanellblazer, den ich auf dem Photo in Rotterdam trage (man beachte den runden Kragen des Hemdes), war blau-grau gestreift, er hatte dicke blaue Streifen, die sich mit dünneren grauen Streifen abwechselten. Solch einen Blazer hatte damals niemand. Meine Oma hat mir einen Rückenschlitz hinein geschneidert, damals waren Jacketts mit Seiten- oder Rückenschlitz kaum zu bekommen. In meinem Leben und in meinem Kleiderschrank haben allerdings Blazer keine große Rolle gespielt. Wenn solch ein Kleidungsstück bei einer Einladung gewünscht ist - also zum Beispiel bei einer Formulierung wie leichter Bieranzug - dann nehme ich ein schlichtes dunkelblaues ungefüttertes Jackett von Caruso. Noch mit dem alten Stiesing Label. Passt zu Jeans, Chino oder Flanellhose. Ist natürlich einreihig, ich finde diese Zweireiher engen einen ein. Und nur Prince Charles kann es sich erlauben, seinen Blazer offen zu tragen.

Vor einem Jahr habe ich mir einen zweireihigen dunkelblauen Blazer gekauft. Nicht dass ich ihn gebraucht hätte. Aber da war dieses verlockende Angebot bei ebay: Dunkelblau, Corneliani, linea sartoria, Super 100. Sofortkauf: 10 €. War ein nagelneues Teil. Toll. Allerdings sehe ich damit aus wie Graf Koks. Oder wie dieser Herr hier. Ich warte jetzt noch, bis ich einen Bugatti 57 SC Atlantic für 10 € finde, dann wird der Blazer getragen.

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