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Freitag, 29. Oktober 2021

der bestrafte Wüstling


Ja, das ist der Originaltitel der Oper: Il dissoluto punito mit dem Zusatz: ossia il Don Giovanni. Zu Don Giovanni gab es ja hier letztens den Post Don Giovanni in Salzburg, der von vielen tausend Lesern goutiert wurde. Ich komme noch mal auf Mozarts Oper zurück, die am 29. Oktober 1787 in Prag aufgeführt wurde. Mozart dirigierte selbst, wir wissen dank eines tschechischen Films aus dem Jahre 1971, wie das ausgesehen hat. 

Die Pressereaktion sah so aus: Montags, den 29. wurde von der italienischen Operngesellschaft die mit Sehnsucht erwartete Oper des Meisters Mozart 'Don Giovanni oder Das Steinerne Gastmahl' gegeben. Kenner und Tonkünstler sagen, daß zu Prag ihres Gleichen noch nicht aufgeführt worden. Hr. Mozart dirigierte selbst, und als er in’s Orchester trat, wurde ihm ein dreymaliger Jubel gegeben, welches auch bei seinem Austritte aus demselben geschah. Die Oper ist übrigens äußerst schwer zu exequiren und jeder bewundert dem ungeachtet die gute Vorstellung derselben nach so kurzer Studierzeit. Alles, Theater und Orchester bot seine Kräfte auf, Mozart zum Danke mit guter Exequirung zu belohnen. Es werden auch sehr viele Kosten durch mehrere Chöre und die Dekorazion erfordert, was alles Herr Guardasoni hergestellt hat. Die außerordentliche Menge Zuschauer bürgen für allgemeinen Beifall. 

Mozart hatte die Oper bei seinen Freunden in der Prager Villa Bertram vollendet, er schrieb gegen die Zeit an, die Ouvertüre hatte er erst zur Generalprobe fertig. Und die Konzertarie, die er seiner Gastgeberin, der Sängerin Josepha Duschek, versprochen hatte, die hatte er immer noch nicht fertig. Am 3. November 1787 sperrte ihn die Sängerin in dem kleinen Pavillion im Park ein und sagte ihm, er käme da erst wieder heraus, wenn er die Arie fertig habe. So soll Bella mia fiamma – Resta, o cara entstanden sein. Aber so genau weiß man das nicht.

In meinem ersten Jahr als Blogger gab es am 29. Oktober den Post Don Giovanni. Ein Jahr später gab es am 29. Oktober den Post La ci darem la mano. Sie merken, die Sache mit dem Datum der Uraufführung habe ich drauf. Meine Lieblingsinszenierung der Oper ist dreißig Jahre alt, dirigiert von dem australischen Dirigenten Sir Charles Mackerras.

Mackerras war nach dem Zweiten Weltkrieg zum Studium nach Prag gegangen und hatte Janácek neu entdeckt. Die lieben ihn da heute noch. Mit dem Prager Kammerorchester hat er alle einundvierzig Mozart Symphonien eingespielt. Und als 1991 das Prager Ständetheater frisch renoviert eröffnet wurde, da durfte die Don Giovanni Aufführung am Ort der Uraufführung natürlich niemand anderer dirigieren als der frischgebackene Prager Ehrenbürger Mackerras. Mit dem Orchester, Chor und Ballet des Nationaltheaters Prag am 200. Todestag Mozarts. Vaclav Havel war auch da. Es gibt davon eine DVD, die zum Billigpreis bei Amazon verhökert wird, man kann sie für einen Cent bekommen. Und wenn man auch keinen der Sänger kennt, die Aufführung ist einfach nur schön, weil sie einen für zweieinhalb Stunden ins 18. Jahrhundert zurückversetzt. Das hat Mackerras an diesem historischen Ort mit einer schön altmodischen Inszenierung auch besser gefallen, als wenn er Opern dirigieren musste, bei denen das so genannte Regietheater eine schrill modernistische Inszenierung auf die Bühne brachte. Er war das irgendwann leid und hat sich ein Mitspracherecht bei Operninszenierungen ausbedungen. Die Ratten, Ziegen, Pudel und das Auto, die es in diesem Jahr in Salzburg auf der Bühne gab, hätten ihm bestimmt nicht gefallen.

Der Post La ci darem la mano beginnt mit einem Auto auf der Bühne, aber das fällt nicht als Gag krachend aus dem Schnürboden wie in Salzburg, das gehört da schon hin. Weil da nicht Mozarts Don Giovanni gespielt wird, sondern George Bernard Shaws Variation der Oper, das Theaterstück Man and Superman. Ein Stück, wo sich im dritten Akt Don Juan, Donna Ana und der Komtur in der Hölle wiederfinden und mit dem Teufel diskutieren. Shaw beherrschte das Klavier, und unter dem Pseudonym Corno di Bassetto schrieb er jahrelang Musikkritiken, bevor er als Dramatiker berühmt wurde. Er hat gesagt: All my musical self-respect is based on my keen appreciation of Mozart’s work. Und er hat auch gesagt: From Mozart I learnt to say important things in a conversational way.

Im Frühjahr hatte es schon eine Don Giovanni Aufführung gegeben, die kein solches Presseecho hatte wie die Salzburger Inszenierung. Die Hamburger Hochschule für Musik und Theater gestaltete unter der Leitung von Professor Ulrich Windfuhr wegen Corona eine konzertante Aufführung, nur die Sänger waren ohne Maske. In Prag gab es 2021 auch einen Don Giovanni. Ohne Masken, aber auch ohne Publikum. Man hatte sich den Regisseur Alexander Mørk-Eidem, der bisher sehr wenige Opern inszeniert hatte, in das Nationaltheater geholt. Man wusste, dass er das Stück ganz anders inszenieren würde, als es 1991 zur Neueröffnung des Theaters in Szene gesetzt wurde. Sie können die Inszenierung hier sehen. Ist sehr interessant, interessanter als die Salzburger Version, ähnelt ein bisschen dem Don Giovanni aus Aix-en-Provence, den ich hier noch einmal anbiete. Dirigent war Karsten Januschke, es war für ihn und die Sänger ein wenig traurig, dass die Premiere wegen der Corona Epidemie ohne Zuschauer stattfand. Aber dafür wurde sie vom tschechischen Fernsehen live übertragen und aufgezeichnet. Sie ist jetzt in guter Qualität dank OperaVision bei YouTube zu sehen. Es lohnt sich unbedingt, das anzusehen.
 
Hoffentlich gefällt es auch Mozart dort oben, betitelte Radio Prag seinen Bericht über die Aufführung. Ich glaube es gefällt ihm bestimmt. Ich glaube auch, der Salzburger Don Giovanni hat ihm nicht gefallen.

Noch mehr Don Giovanni in den Posts: Don Giovanni, La ci darem la mano, Don Giovanni in Salzburg, Premiere, Champagnerarie, zwei Opern in Berlin, Dietrich Fischer-Dieskau, Charles Mackerras

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