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Freitag, 7. Juli 2023

Bildstörung

Plötzlich, aus heiterem Himmel, verlor der Bildschirm seine Farbe und flackerte und flimmerte. Ich rief die Fachleute an, die meinen Computer installiert haben. Herr Hagge sagte mir, dass der Fehler wahrscheinlich irgendwo in der Verbindung zwischen Computer und Bildschirm läge. Vielleicht aber auch im Computer, dann müsste er ihn abholen. Erst einmal tat ich alles, was er am Telephon sagte, stöpselte Kabel und Verbindungen um, aber es änderte sich nichts. Ich schicke Ihnen einen neuen Adapter, sagte er. Der Adapter kam wie versprochen am Sonnabend an. Solche Sachen passieren immer am Wochenende, wie Zahnschmerzen und die kaputte Lichtmaschine vom Golf. Immerhin hatte ich einen neuen Adapter, ich tauschte die Adapter aus. Hatte einen schwarzen Bildschirm und sonst nix. Baute den alten Adapter wieder an. Hatte wieder das neblige Flackerbild, aber keinen Ton mehr. Das ist nun blöd, wenn man auf YouTube die Callas hören will. Ich schickte eine Mail an die Computerfirma. Mails funktionierten noch. 

Herr Hagge kam am Montag, machte alles, was Fachleute so tun. Stellte auch den Ton wieder her, falls ich die Callas singen hören wollte. Nach einer Viertelstunde hatte er die Diagnose: der Monitor war kaputt. Kann man den reparieren? fragte ich. Das wird teurer als ein neuer, sagte er. Ich habe noch einen preiswerten guten 28 Zoll Samsung für Sie. Ich fragte, ob das auch ein LED Bildschirm sei wie bei meinem alten BenQ. Die sind jetzt alle LED, erfuhr ich. Ich hatte vor vierzehn Jahren mit dem Teil, das mir das Seminar geschenkt hatte, ganz anders angefangen. Und dabei war jener Monitor mal der Höhepunkt der Technik gewesen, state of the art bedeutet bei Computern offenbar, dass es in wenigen Monaten schon veraltet sein kann. Am Dienstagmorgen war Herr Haggew wieder da und installierte den neuen Bildschirm. Musste aber leider feststellen, dass der keine eingebauten Lautsprecher hatte. Ich schicke Ihnen einen externen Lautsprecher zu, sagte er. Und bereitete kabelmäßig alles so vor, dass selbst ein Computeridiot wie ich das bereitgelegte Kabel in die richtige Buchse stecken konnte. Hopefully, wie der Engländer sagt. Wenn's nicht klappt, komm' ich wieder, sagte er zum Abschied. Ich drückte ihm eine Flasche Sekt in die Hand. Ich wartete auf den Lautsprecher, damit ich die Callas wieder singen hören konnte. Ich brauchte nicht auf die Post zu warten, Herr Hagge kam zwei Tage später und hatte ein kleines Teil in der Hand, das vielleicht so groß wie ein Cricketball war. Bluetooth stand auf der Schachtel, was immer das ist. Hat 3 Watt RMS, aber ich weiß auch nicht, was das heißt. Habe den ganzen Nachmittag auf YouTube Musik gehört. Ich habe auf meiner Lesezeichenliste ganz oben einige Lieblingsstücke: Bachs ✺Capriccio von Galila Rübner gespielt, ✺Soave sia il vento aus Glyndebourne, Andre Navarras ✺Bach, das ✺Jesus bleibet meine Freude (in der Bearbeitung von Myra Hess) von Dino Lipatti gespielt und das ✺Contessa perdono von Currentzis. Klang alles nicht schlecht. Vor allem nachts. Dieses kleine Bluetooth Teil ist wirklich ein technisches Wunder. Für den Schreibtisch reicht's unbedingt.

1948 erschien Sigfried Giedions epochales Buch Mechanization Takes Command (hier im Volltext), in dem der Autor aufzeigte, wie über die Zeit die Technik unser Leben und uns verändert hat. Computer und IPhones, die heute unser Leben verändern, kommen in dem Buch noch nicht vor. Ein paar Tage mit einem defekten Computer zeigen einem, dass man auch ohne ihn leben kann. Ich hatte eine Jugend ohne Fernsehen und den größten Teil des Lebens ohne Computer. Mein IPhone kann ich immer noch nicht richtig bedienen. Ich bin deshalb aber nicht unglücklich. Kein bisschen.

Anna Miller stellte sich in der Zeit die Frage, wie es ohne Smartphone und Internet sei. Sie schrieb in ihrem Artikel über die digital detox am Schluss: Ich hasse dich, Internet. Dafür, was du mit mir und meinem Leben machst. Dafür, was du mir wegnimmst. Dafür, dass du Dinge in mir und in der Welt auslöschst, die mir doch so wichtig sind. Ich hasse dich dafür, dass ich bis jetzt keine Kraft, nicht den Mut hatte, dir etwas entgegenzuhalten. Weil du doch alles bist, was ich immer wollte. Weil ich dachte, mit dir fände ich das Glück. Weil du dich oft doch so gut anfühlst. Und ich so genau hinsehen muss, um zu merken, wie weh du mir eigentlich tust.

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