Freitag, 16. September 2022

Besançon, 16. September 1950

Am 16. September 1950 hat der Pianist Dinu Lipatti sein letztes Konzert in Besançon gegeben. Er war todkrank und musste das Konzert vorzeitig abbrechen. Aber er kam noch einmal zurück auf die Bühne und spielte zum Schluß noch die Klavierbearbeitung von Johann Sebastian Bachs Kantate Jesus bleibet meine Freude. Diese Bearbeitung hatte die Engländerin Myra Hess 1926 geschrieben, sie hatte damit ihr erstes Konzert im Oktober 1939 beendet, wo sie trotz der Bombenwarnungen in der National Gallery auftrat. Mehr als 750.000 Menschen haben während des Krieges ihre Konzerte gehört. 1941 hat sie Elizabeths Vater wegen ihrer Verdienste als Dame Commander of the Order of the British Empire geadelt.

Der junge Dinu Lipatti hatte die Bearbeitung von Myra Hess bei seinem ersten öffentlichen Auftritt gespielt. Er war damals achtzehn, sein Lehrer, der Komponist Paul Dukas, war wenige Tage zuvor gestorben. So eint Johann Sebastian Bach Anfang und Ende von Lipatis Karriere:

Jesus bleibet meine Freude,
Meines Herzens Trost und Saft,
Jesus wehret allem Leide,
Er ist meines Lebens Kraft,
Meiner Augen Lust und Sonne,
Meiner Seele Schatz und Wonne;
Darum lass ich Jesum nicht
Aus dem Herzen und Gesicht.


Dinu Lipatti hat in Besançon auf einem Flügel der Firma Bechstein gespielt, es war die Marke, die er bevorzugte. Viele Musiker schworen auf Bechstein, schon Claude Debussy hatte gesagt: Man sollte Klaviermusik nur für Bechstein schreiben. Das Zitat habe ich aus dem Buch Klavierwelten: Faszination eines Instruments, das ich letztens für einen Euro im Grabbelkasten fand. War auch noch eine CD dabei, wo Jorge Bolet Liszt spielt. Das ist sicher passend, da Liszt auch für Bechstein schwärmte und sich 1860 seinen ersten Bechstein Flügel kaufte. Jorge Bolet hat häufig einen Bechstein Flügel benutzt, er mochte Steinway nicht. Man kann Bolet auch in dem Film Song Without End: The Story of Franz Liszt (wo Dirk Bogarde Franz Liszt spielt) hören. Dirk Bogarde hatte extra für den Film Franz Liszt einstudiert, aber das Studio ging auf sicher und ersetzte die von ihm gespielten Passagen durch Jorge Bolet. Eigentlich schade, wann gibt es schon mal einen Schauspieler, der Franz Liszt spielen kann?

Sie können Lipattis letztes Konzert hier hören, aber Bachs Jesus bleibet meine Freude fehlt leider auf diesem Mitschnitt. Ich habe hier eine Studioaufnahme von 1947. Walter Legge, der Ehemann von Elisabeth Schwarzkopf, hatte den in die Schweiz emigrierten Lipatti 1946 für EMI unter Vertrag genommen. Nach Lipattis Tod hat er gesagt: Gott lieh der Welt Sein erwähltes Instrument, das wir für einen viel zu kurzen Zeitraum Dinu Lipatti nannten. Karajan bewunderte Lipati: Es war nicht mehr Klavierspiel, es war Musik, losgelöst von jeder Erdenschwere, Musik in ihrer reinsten Form, in einer Harmonie, wie sie nur jemand geben kann, der schon nicht mehr ganz unter uns weilte.

Das letzte Wort zu seiner Kunst gebe ich einmal Mark AinleyLipatti's pianism is remarkable in how it expresses profound truth with utter simplicity, and is characterized by the crystalline clarity with which both structure and character are revealed. His interpretations go beyond the limited framework of the piano with his flawless command of pianistic technique - not simply digital accuracy but purity of tone regardless of the dynamics (his range was enormous), crisp precision of articulation, accenting without distortion of the melodic line, steadiness of rhythmic pulse, clarity of texture in voicing, and subtlety and timing of pedaling. That melodic lines are so deftly sculpted and presented in such stark relief is due to his ability to vary the attack used by different fingers, even within the same hand. The voicing of all lines is thus thoroughly consistent, and inner voices do not distract from the main subject; each line becomes an individual voice with its own unique timbre, together forming a choir of interdependent entities, each weaving its pattern in a tapestry of exquisite complexity.
       His playing is immaculate - the balance, timing, and significance of every phrase, nuance, and harmonic progression has been considered and mastered, yet his performances exhibit warmth and passion and are free of the air of academic over-analysis. He presents each work under his fingers with such disarming simplicity that the music seems to be speaking freely through him, as though he were a receiver through which the composer’s intended message (of which the text is but a shadow) were being transmitted from the source of its inspiration – hence one French critic's comment that he "heard Chopin himself interpreting his Sonata in B minor". This does not mean that he was a literalist, however, and examples abound of changes he made to the text. He spoke, however, of the greater importance of the "Ur-spirit" as opposed to the Urtext, often telling his students that "if you are well brought-up, you can put your feet on the table and not offend anyone."


Dino Lipatti wird in diesem Blog nicht zum ersten Mal erwähnt, Sie könnten auch noch diese Posts anklicken: Myra HessBach: PartitasMozarts KlaviersonatenClaudio Arrau. Der heutige Text stand hier schon einmal in desem Blog, aber man kann ihn noch einmal lesen. Und die Bearbeitung von Myra Hess von Bachs Jesus bleibet meine Freude kann man immer wieder hören, selbst wenn ✺ Lang Lang das spielt. Oder Asiya Korepanova, die es nur im Internetzu geben scheint.

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