Immer wenn ich ausländische Gastprofessoren betüddeln musste, ging ich mit ihren nicht in die Kunsthalle. Ich ging mit ihnen in die Gemäldegalerie der Stiftung Pommern im Rantzaubau des Kieler Schlosses, die die größte Sammlung romantischer deutscher Malerei hatte. Und ich führte sie vor dieses Bild: Neubrandenburg im Morgennebel. Das machte schon Eindruck auf Engländer und Amerikaner. Besonders wenn man ihnen der versicherte, dass dies eins der wichtigsten Gemälde von dem großen Maler Caspar David Friedrich sei. Ein Hauptwerk der Romantik.
Und dass ich ihnen im Nebenraum noch einen zweiten Caspar David Friedrich zeigen könnte, eine Felsenschlucht im Harz. Und dass dieses schöne große Bild seines Bruders Christian wahrscheinlich nicht von seiner Hand sei, die Gelehrten stritten sich. Der Dr Helmut Börsch-Supan lehnte die Zuschreibung ab und brachte den Namen von Gerhard von Kügelgen ins Spiel. Der Professor Werner Sumowski hielt es aber für überlegenswert, dass es eventuell doch ein echter Caspar David Friedrich sein könne. Dann wäre dies Bild das einzige Ölportrait, das Friedrich gemalt hätte.
Da das Interesse der Ausländer an dieser Stelle etwas erlahmte, fügte ich noch hinzu, dass es hier auch einen van Gogh gäbe. Die drei (oder zwei) Caspar David Friedrichs interessierten die auswärtigen Gäste erstaunlich wenig, doch der kleine van Gogh interessierte sie sehr. Bei uns wäre Panzerglas davor, hier hängt das einfach so an der Wand, wunderte sich ein Professor aus New York. Panzerglas gab es damals im Kieler Schloss nicht, es war sowieso in Museen selten. Heute ist Glas ja wegen dieser sogenannten Klimaaktivisten eine nützliche Sache. Das erste Mal, dass ich Panzerglas in einer Kunsthalle sah, war 1969 in der Hamburger Kunsthalle bei der Meister Francke Ausstellung. Da hatte das Metropolitan Museum sein Exemplar der Belles Heures of Jean de France, Duc de Berry der Brüder Limburg ausgeliehen, bei einem solchen Schatz verstand man schon, dass das hinter dickem Panzerglas war. Die 50 x 60 Zentimeter große Allee bei Arles von Van Gogh hängt heute im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald. Ohne Panzerglas.
Wenn Amerikaner nichts von der Kunst der deutschen Romantik wissen, dann muss man bedenken, dass die Deutschen auch wenig von der Kunst der Romantik in Amerika kennen. Das Buch Die Maler der Romantik in Amerika von Friedrich Markus Huebner und Victoria Pearce Delgado aus dem Jahre 1953 ist lange vergriffen (ist aber antiquarisch noch zu finden). Den ersten Eindruck von der amerikanischen Malerei des 19. Jahrhunderts konnte man 1976 bei der Ausstellung The Hudson and the Rhine in Düsseldorf bekommen. Weil dort an der Düsseldorfer Akademie beinahe alle Maler der Hudson River School studiert hatten. Auch Emanuel Leutze, der damals den Katalog zierte.
Die größte Schau amerikanischer Malerei des 18. und 19. Jahrhunderts folgte zwölf Jahre später mit der Berliner Ausstellung Bilder aus der Neuen Welt. Ich empfahl diese Ausstellung unserem amerikanischen Gastprofessor, der bei seiner Rückkehr aus Berlin sagte: Gee, Jay, I didn't know we had all that art. Die Kataloge der Ausstellungen The Hudson and the Rhine und Bilder aus der Neuen Welt kann man antiquarisch noch finden. Ebenso den Katalog der Gemälde der Stiftung Pommen von 1982. Das sind Bücher, die den Kauf lohnen.
Wenn Amerika eine neue Präsidentin oder einen neuen Präsidenten hat, dann kommt die deutsche Romantik auch nach New York. Im Metropolitan Museum of Art gibt es vom 8. Februar bis zum 11. Mai 2025 eine ganz große Caspar David Friedrich Ausstellung mit dem Titel The Soul of Nature. Zum ersten Mal werden dann auch die fünf Werke von Friedrich, die in amerikanischem Besitz sein sollen, zusammen zu sehen sein. 1990 hatte das Metropolitan Museum unter dem Titel The Romantic Vision of Caspar David Friedrich schon eine Caspar David Friedrich Ausstellung gezeigt, damals waren die Bilder aus russischem Besitz gekommen. Das wäre heute kaum noch möglich. Ich habe den Katalog dieser Ausstellung hier im →Volltext. Das Buch ist unter dem Titel Caspar David Friedrich: Gemälde und Zeichnungen aus russischen Sammlungen 1992 bei Schirmer/Mosel erschienen.
Beinahe alles, was in Deutschland in fünf verschiedenen Ausstellungen in diesem Jahr zu sehen war, soll nach Amerika wandern. Man wagt nicht, sich vorzustellen, wie hoch die Versicherungssumme für die fünfundsiebzig Caspar David Friedrich Gemälde sein wird. Einen großen Teil der Kosten der Ausstellung trägt die Art Mentor Foundation Lucerne Stiftung. Und ein amerikanischer Millionär, der einmal Amerikas Botschafter in Österreich war. Wahrscheinlich hat den der Direktor des Metropolitan dazu überredet, denn der ist auch Österreicher. Der bedeutendste Maler der deutschen Romantik, Caspar David Friedrich, lässt unser Naturverständnis als eine spirituelle und emotionale Landschaft erstrahlen. Diese erste große Retrospektive des beliebtesten deutschen Malers in den Vereinigten Staaten ist eine Feier zu Ehren seines 250. Geburtstags in diesem Jahr, hat Max Hollein gesagt. Ob Friedrich der →beliebteste deutsche Maler ist, das weiß ich nicht. Das Bild von →Neubrandenburg, das ich damals meinen amerikanischen Gästen anpries, wandert auch nach New York. Wahrscheinlich wird es dann mehr Aufmerksamkeit bekommen als bei meinen Führungen im Rantzaubau.
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