Sonntag, 13. Oktober 2024

Caspar David Friedrich (7)


Die Holländer hatten im 17. Jahrhundert die Landschaftsmalerei perfektioniert, den Horizont tief gelegt und viel Himmel gemalt. Im 18. Jahrhundert war die Landschaftsmalerei ein wenig in Vergessenheit geraten. Für Sir Joshua Reynolds war die Landschaftsmalerei kein Thema. Gainsborough möchte am liebsten Landschaften malen, aber er verdient sein Geld mit Portraits. John Constable möchte nur Landschaften und Himmel malen, aber er hat Schwierigkeiten, seine Bilder zu verkaufen. Caspar David Friedrich malt Landschaften, er kann nichts anderes. Wenn er Personen malen muss, sind es Rückenansichten. 

In dem ersten wichtigen Buch über die Geschichte der Landschaftsmalerei  Landscape into Art hat Kenneth Clark 1948 nur wenige Zeilen für Friedrich übrig: For Friedrich, for all the intensity of his imagination, worked in the frigid technique of his times, which could hardly inspire a school of modern painting. In seiner weltberühmten Serie Civilisation erwähnt er Friedrich einmal, in seinem Buch The Romantic Rebellion: Romantic Versus Classic Art auch einmal. Das ist alles. Wir mögen das als unfair empfinden, aber es ist etwas daran. Friedrichs Zeitgenosse Carl Blechen nimmt den Impressionismus vorweg, Friedrich nimmt nichts vorweg. Er begründet keine Schule, niemand wird ihm folgen. Der Maler Friedrich, für den Goethe kein gutes Wort übrig hatte, war nach seinem Tod schnell vergessen.

Ein Jahr Feiern zum 250. Geburtstag des Malers, viele Ausstellungen, viele Bücher. Alte Bücher wurden wieder aufgelegt, neue geschrieben. Florian Illies hat mit Zauber der Stille wahrscheinlich einen Bestseller geschrieben. Nicht wieder aufgelegt wurde das Buch Caspar David Friedrich Studien von Werner Sumowski, das Helmut Börsch-Supan 1970 als die wichtigste Arbeit, die bisher über Caspar David Friedrich erschienen ist, bezeichnete. Auch eine Neuauflage verdient hätte der Katalog der Hamburger Kunsthalle aus dem Jahre 1974. Den hatte ich das ganze Jahr über zur Hand, wenn ich über Caspar David Friedrich schrieb. Man kann den Katalog für zehn Euro bei ebay finden, das fünfzig Jahre alte Werk ist in keinem Punkt überholt. Von der kunsthistorischen Qualität ist er dem Hamburger Katalog von 2024 überlegen.

Das Beste, das dem Werk Caspar David Friedrichs passierte, war dass Karl Wilhelm Jähnig unter schwierigsten Bedingungen einen Katalog  der Gemälde, Druckgraphik und bildmäßigen Zeichnungen erstellte. Das Schlimmste, das dem Werk Caspar David Friedrichs zustieß, war dass Helmut Börsch-Supan den überarbeitet. Der Kunstkritiker der New York Times John Russell vernichtete Börsch-Supan in seiner Besprechung: But it is quite another thing to take Friedrich, as Dr. Börsch‐Supan does, and interpret every single one of his images in terms of a tight, unvarying formula. Friedrich may well have had the life to come continually in mind, and it may even be that many of his imaginings were structured by the contrast between that life and our own one. But it is quite implausible that an art as limited in its reverberations as Dr. Börsch‐Supan suggests would exert so lasting and so intense a thraldom upon us. Alles in Friedrichs Bildern, vom kleinsten Grashalm und fliegendem Piepmatz wird für Börsch-Supan zu einem christlichen Symbol. Dieses symbol hunting ist schon ein wenig pathologisch.

Im Dresdner Kunstblatt war wenige Tage nach Friedrichs Tod ein anonymer Nachruf zu lesen: ... Sein Leben war ein langes Unglück. Die Erinnerung an seinen Bruder, der ertrank, als er ihn beim Schlittschuhlaufen retten wollte, warf einen tiefen Schatten über sein ganzes Leben, da er sich als Ursache dieses Todes betrachtete. Er floh seine Heimat (Greifswald), kam hierher (Dresden) ohne Unterstützung und ernährte sich anfänglich durch Kolorieren schlechter Dresdener Prospekte für einen Bilderhändler, bis er allmählich durch seine Landschaften in Ruf kam. Seine Werke wurden nun geschätzt und gesucht, und er hätte mit den Seinen sorgenfrei leben können, wenn er nicht bis zum Übermaß gegen Dürftige wohltätig gewesen und oft auch gemißbraucht worden wäre. Im kräftigsten Alter fing er plötzlich an zu kränkeln, und war schon seit vielen Jahren untätig aus Schwäche des Körpers. Noch in den letzten Tagen seines Lebens erhielt er durch den russischen Thronfolger eine Unterstützung, die ihn für ein Jahr wenigstens aller Sorgen überhob, die er aber leider nicht selbst mehr genießen konnte.

Friedrichs Freund Carl Gustav Carus schreibt in seinen Lebenserinnerungen: Einen Freund, aber allerdings einen bereits längere Zeit mir halb Toten, nahm dieser Mai nun auch hinweg: meinen alten Friedrich! Er hatte so viele Kirchhöfe gemalt – er muss sich ganz heimisch dort vorgekommen sein! Carus war der Meinung, dass der Nachruf des Kunstblatts ein wenig mickrig ausgefallen war. Er veröffentlicht im Kunstblatt in zwei Heften einen längeren Nachruf mit dem Titel Friedrich der Landschaftsmaler, in dem er Friedrich als einen Erneuerer der deutschen Landschaftsmalerei sieht, die zur bloßen Prospektmalerei verkommen war. Das ist ein Thema, in dem Carus zuhause ist, denn er hatte 1831 seine Neun Briefe über Landschaftsmalerei veröffentlicht.

Hier soll diese Einleitung nur auf eins uns hier zunächst Liegende  aufmerksam machen, nämlich, dass in der Landschaftsmalerei namentlich Friedrich es war, welcher mit einem durchaus tiefsinnigen und energischen Geiste und auf absolut originale Weise in den Wust des Alltäglichen, Prosaischen, Abgestandenen hineingriff, und, indem er ihm mit einer herben Melancholie niederschlug, aus dessen Mitte eine eigentümlich neue, leuchtende poetische Richtung hervorhob. Wir wollen damit keineswegs die Art seiner Auffassung der Landschaftskunst als die allein wahre und noch weniger als die allein zu verfolgende hervorheben, aber wer sich jenen früheren nachbetenden, trivialen Zustand dieser Kunst vergegenwärtigen will und noch vergegenwärtigen kann, der wird fühlen, dass das Auftauchen einer solchen neuen urgeistigen Richtung, wie sie Friedrich erschien, auf jedes empfängliche Gemüt durchaus anregend, ja erschütternd einwirken musste. […] Friedrich ist nun tot, schon mehrere Jahre war durch die Folge eines Schlagflusses seine geistige und künstlerische Tätigkeit gelähmt, allein noch fanden sich auf der Dresdner Kunstausstellung 1840 einige und besonders eines seiner letzten Bilder, welche beweisen, mit wie seltener und eisenfester Eigentümlichkeit er bis in seine letzten Lebensjahre dieselbe tief melancholische und immer geistig lebendige Romantik der Poesie in seinen Werken walten ließ. 

Als Carus diesen Aufsatz in Buchform veröffentlichte, fügte er ihm alles bei, was Caspar David Friedrich über die Landschaftsmalerei gesagt hatte. Beginnend mit dem Satz: Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht. Sonst werden seine Bilder den Spanischen Wänden gleichen, hinter denen man nur Kranke und Tote erwartet.


2 Kommentare:

  1. Sie haben sicher nichts dagegen, wenn ich mir diese Friedrichreihe ausdrucke und zu Illies ZAUBER DER STILLE lege.
    Herzliche Grüße

    AntwortenLöschen
  2. Das können Sie gerne tun.
    Herzliche Grüße
    Jay

    AntwortenLöschen