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Sonntag, 11. November 2018
Montaigne en allemand
Ich habe die Engländerin Sarah Bakewell schon in dem Post Biographien vorgestellt, da hatte ich gerade The English Dane gelesen, die Geschichte von Jørgen Jürgensen, der sich zum König von Island ernennt. Und den die Engländer in die Strafkolonie Australien schicken. Ein wunderbares Buch. Sarah Bakewell ist noch ein zweites Mal in diesem Blog zitiert worden und zwar in dem Post Michel de Montaigne. Weil sie dieses schöne Buch How to Live: A Life of Montaigne in One Question and Twenty Attempts at an Answer geschrieben hat. Ich bin endlich dazu gekommen, es ganz zu lesen. Für irgendetwas muss die Uniklinik ja gut sein.
Es ist ein Buch, das man vorzüglich als Einführung in Leben und Werk von Montaigne benutzen kann, und es wird auch dem etwas geben, der schon alles über Montaigne weiß. Glücklicherweise gibt es das Buch beim C.H. Beck Verlag auch in deutscher Sprache, sogar recht preiswert. Noch preiswerter sind die beiden kleinen Bände aus der Reihe von Rowohlts Monographien von Francis Jeanson und Uwe Schultz. Die Lektüre von Montaignes Essais in Deutschland beginnt mit einem Mißverständinis, der Übersetzung von Johann Joachim Christoph Bode. So verdienstvoll Bode als Übersetzer von Laurence Sterne, Fielding und Smollett ist, dies ist - da sind sich alle Kritiker einig - die schlechteste Übersetzung der Essais.
Die Bodesche Übersetzung ist im 20. Jahrhundert noch einmal aufgelegt worden, sie erschien 1908-1911 in acht Bänden unter dem Titel Gesammelte Schriften Michel de Montaignes. Historisch-kritische Ausgabe mit Einleitungen und Anmerkungen unter Zugrundelegung der Übertragung von J. J. Bode, herausgegeben von Otto Flake und Wilhelm Weigand. Das Tagebuch der Badereise wurde für diese Ausgabe von Otto Flake übersetzt,
Der Diogenes Verlag hat vor Jahren noch eine zweite deutrsche Übersetzung aus dem 18. Jahrhundert ausgegraben, nämlich die, die der 24-jährige Johann Daniel Tietz 1753/-54 publiziert hatte. Aber ich weiß nicht, ob man dafür (und für die Biographie von Wilhelm Weigand aus dem Jahre 1915) wirklich Geld ausgeben sollte, liegt doch inzwischen von Hans Stilett, der seine Doktorarbeit über Montaignes Bäderreise schrieb, die erste moderne Gesamtübersetzung (in der Reihe Die Andere Bibliothek) vor. Stilett hat auch das Tagebuch von Montaignes Badereise übersetzt, über das Goethe sagte: So habe ich gerade mit großem Interesse die Reisebeschreibungen Montaignes gelesen: Sie bereiten mir an manchen Stellen noch mehr Vergnügen als selbst seine Essais. Bevor Stiletts Übersetzung erschien, war die von Herbert Lüthy (in dem Manesse Band) das Beste, das man kaufen konnte, das Buch ist immer noch lieferbar. Die Kombination von Stiletts Übersetzung und Bakewells Biographie ist sicher das Beste, womit man anfangen kann, will man sich ernsthaft mit Montaigne beschäftigen.
Erwähnen muss man allerdings das Buch von Hugo Friedrich, das er kurz nach dm Zweiten Weltkrieg schrieb. Es ist immer wieder aufgelegt worden, aber die deutsche Ausgabe ist kaum noch auf dem Markt zu finden, die französische oder die englische Ausgabe findet sich da eher. In seinem Vorwort gibt Friedrich Auskunft über seine Absicht: Im Übrigen wünsche ich mir, dass diese von einem Romanisten geschriebene Darstellung unseren Autor auch den Philosophen noch einmal ans Herz legt und sie einlädt, es philosophisch zu deuten, warum er von sich gesagt hat: 'Ich bin kein Philosoph'.
Ich habe mit Hugo Friedrich so meine Schwierigkeiten, denn wie ich in dem Post Gerhard Neumann (Dichter) schrieb: Und bei Hugo Friedrich werde ich zwei Dinge nicht los, das eine ist natürlich seine Mitgliedschaft in der NSDAP. Und das andere ist eine Geschichte, die mir jemand erzählt hat, der mal bei Friedrich wissenschaftliche Hilfskraft (Universitätsjargon: Hiwi) war. Der musste für seinen Professor immer Brötchen und Kaffee in einem bestimmten Supermarkt kaufen, weil es da Rabattmarken gab, denn Professor Hugo Friedrich sammelte Rabattmarken. Rimbaud und Rabattmarken, wie geht das zusammen? Wilhelm Lehmann hatte für Hugo Friedrich auch einige böse Worte übrig. Doch von diesem Gemäkel abgesehen, bleibt Friedrichs Buch der einzige große Versuch, Montaigne näherzukommen.
J’ay faict ce que j’ay voulu: tout le monde me recognoist en mon Livre et mon Livre en moy, den Satz von Montaigne scrieb Thomas Mann 1904 an das Ende seines Tagebuchs. Ich zitiere das immer gern, weil ich hoffe, dass man mich auch in meinen Texten erkennt.
für Heike und Friedhard, die mir die schöne Neuübersetzung der 'Essais' von Hans Stliett geschenkt haben.
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