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Donnerstag, 24. September 2020

Supreme Court


Die Flagge vor dem Supreme Court ist auf halbmast, die Richterin Ruth Bader Ginsburg ist gestorben. Mein sehnlichster Wunsch ist, dass ich nicht ersetzt werde, bis ein neuer Präsident eingesetzt wird, soll sie kurz vor ihrem Tod gesagt haben. Trump bestreitet den Wahrheitsgehalt dieser Aussage. Er will eine sofortige Neubesetzung der Stelle. Immerhin will er mit der Nominierung seines Kandidaten bis zur Beerdigung von Ginsburg warten. Vor vier Jahren hatte er noch getwittert: Justice Ginsburg of the U.S. Supreme Court has embarrassed all by making very dumb political statements about me. Her mind is shot - resign! Jetzt hat er bei Twitter einen Nachruf verfasst, den ein Leser so kommentierte: You disgrace her name. Everything you represent, all you stand for, is in opposition to her brilliant legacy of justice and fairness. Her light shines through the darkness of your corrupt presidency, for all of us.

Es besteht für die Wahl eigentlich keine Eile, der Supreme Court bleibt beschlußfähig. Vor vier Jahren blockierte Mitch McConnell die Wahl eines Kandidaten von Barack Obama, das könne erst nach der Wahl geschehen: The American people may well elect a president who decides to nominate Judge Garland for Senate consideration. The next president may also nominate someone very different. Either way, our view is this: Give the people a voice. Er war stolz darauf, die Wahl von Merrick Garland verhindert zu haben: one of my proudest moments was when I looked Barack Obama in the eye and I said, 'Mr. President, you will not fill the Supreme Court vacancy'. Jetzt fordert McConell schnelle Entscheidungen, was kümmert ihn sein Geschwätz von gestern? Es sind ja alles keine politischen Entscheidungen, sagt der Chief Justice John Roberts: We do not have Obama judges or Trump judges, Bush judges or Clinton judges. What we have is an extraordinary group of dedicated judges doing their level best to do equal right to those appearing before them.

Ruth Bader Ginsburg war lange im Amt, und lange im Amt dürfen die Richter des Supreme Court sein, good Behaviour vorausgesetzt. Ruth Bader Ginsburg ist siebenachtzig Jahre alt geworden. Oliver Wendell Holmes Jr war neunzig, als er vom Amt zurücktrat. Er war wahrscheinlich der einzige Richter des Supreme Court, der nicht durch Parteienprotektion, sondern wegen seiner juristischen Fähigkeiten diese Position erhalten hatte. An seinem zweiundneunzigsten Geburtstag erzählte dem frischgewählten Präsidenten Franklin Delano Roosevelt, dass er noch von dessen Cousin fünften Grades Teddy Roosevelt berufen worden war. Oliver Wendell Holmes war dreißig Jahre am Supreme Court gewesen. Er erzählte Roosevelt auch, dass man ihn im Bürgerkrieg als jungen Leutnant auf dem Schlachtfeld hatte liegen lassen, weil man ihn für tot hielt. Der Bürgerkrieg war damals über 65 Jahre vorbei; obgleich Holmes in drei Schlachten verwundet worden war, hatte er ihn überlebt und 1928 war er der älteste Bundesrichter in der Geschichte der USA.

Noch länger im Amt als Oliver Wendell Holmes war der Chief Justice John Marshall, der heute vor 265 Jahren geboren wurde. Unter ihm gewann das Gericht die politische Bedeutung, die es heute hat. Denn in dem Fall Marbury v. Madison entschied der Marshall Court, dass Gerichte Gesetze und andere Aktionen des Staates aufheben können, wenn diese gegen die Verfassung verstoßen. Dieses Prinzip des judicial review stellte die Judikative über Exekutive und Legislative. So groß die Verdienste von John Marshall waren, so groß war die Katastrophe für Amerika, dass Andrew Jackson Roger B. Taney zu seinem Nachfolger machte. Denn der wird in dem berühmten Dred Scott Fall entscheiden, dass die Sklaven keine Rechte haben (lesen Sie mehr dazu in dem Post Rechtsprechung). Es ist ein Urteil, das Amerika direkt in den Bürgerkrieg führt. Der oberste Gerichtshof ist der Überzeugung, dass Sklaven nicht mit dem all men are created equal der Declaration of Independence gemeint sind: it is too clear for dispute, that the enslaved African race were not intended to be included, and formed no part of the people who framed and adopted this declaration. 

An dieser Stelle sollte mal eben eine kleine Geschichte aus den Fantastic Fables von Ambrose Bierce, Offizier im Bürgerkrieg wie Oliver Wendell Holmes, zitiert werden:

The Justice and His Accuser
An eminent Justice of the Supreme Court of Patagascar was accused of having obtained his appointment by fraud.
“You wander,” he said to the Accuser; “it is of little importance how I obtained my power; it is only important how I have used it.”
“I confess,” said the Accuser, “that in comparison with the rascally way in which you have conducted yourself on the Bench, the rascally way in which you got there does seem rather a trifle.”


Roger B. Taney wird ebenso wie Ruth Bader Ginsburg siebenundachtzig Jahre alt werden, aber das ist auch das einzige, was diese beiden Bundesrichter verbindet. Nicht alle Richter des Supreme Court sind gute Richter gewesen, es gibt auch viele, auf die Ambrose Bierces Fabel zutrifft. Der Supreme Court hat in seiner Geschichte auch eine Vielzahl von seltsamen Urteilen gesprochen. Im Jahre 1884 wird das Oberste Gericht befinden, dass der 14. Zusatzartikel der Verfassung nicht für Indianer gilt, weil sie nicht in den USA geboren sind, sondern auf einem Gebiet ihres Stammes. Also sind sie keine Amerikaner. Juristen können auf sehr seltsame Dinge verfallen. Sie können Geschichte schreiben, wie das Earl Warren getan hat, aber nicht alle Richter haben das Format von John Marshall, Oliver Wendell Holmes und Earl Warren gehabt. Oder das von Ruth Bader Ginsburg.


Den Dokumentarfilm RBG aus dem Jahre 2018 habe ich hier heute für Sie. Der Supreme Court wird auch erwähnt in den Posts: Gunfighter Nation, Schnellfeuergewehre, RechtsprechungEarl Warren, Bilder: Geschichteirgendwann muss Schluß sein, Flaggentag, Amistad

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