Dienstag, 4. Juli 2017

Der falsche Tag


Heute ist der amerikanische Nationalfeiertag, ein Feiertag, der übrigens auch seit über hundert Jahren in ➱Dänemark begangen wird. Das nennt sich Rebildfesten, die Feiern finden im Naturschutzpark Rebild Bakker in Nordjütland statt. Donald Trump hat am Wochenende Golf gespielt. Früher gingen amerikanische Präsidenten am Nationalfeiertag in die Kirche oder wohnten einem Festakt bei. To be an American, whether by birth or choice, is a high privilege. As citizens of this good nation, we can all be proud of our heritage and confident in our future. The ideals of July 4th, 1776, still speak to all humanity. And the revolution declared that day goes on, hat George W. Bush im Jahre 2003 am Independence Day gesagt.

Für drei Präsidenten (Thomas Jefferson, John Adams und James Monroe) war der Nationalfeiertag der Todestag. Der Präsident Zachary Taylor trank am 4. Juli 1850 bei den Feierlichkeiten wegen der großen Hitze Unmengen von Milch mit Eis und aß Kirschen dazu. Fünf Tage später war er tot. Cholera oder Typhus, man weiß es nicht so genau. Einen kleinen Festakt, oder eher eine Party, soll es bei Trump heute aber auch noch geben. Wenn er rechtzeitig vom Golf in New Jersey zurückkommt.

Seine Administration spielt das Ganze herunter, man hat wohl Angst, dass er sich wieder einmal blamiert. Wahrscheinlich wird er heute etwas twittern. Liest das überhaupt noch jemand? Der New Yorker hat gerade zum Nationalfeiertag einen interesanten Artikel, der an die denkwürdige ➱Rede von Frederick Douglass im Jahre 1852 erinnert. ➱American Dignity steht da im Titel, mit der dignity hat es Trump nun gerade nicht so.

Als ich begann, diesen Blog zu schreiben, dachte noch niemand an Donald Trump. Ich war ein halbes Jahr in der blogosphere, als ich etwas über die berühmte Unabhängigkeitserklärung schrieb. Wörter wie fake news und alternative facts waren damals noch nicht gebräuchlich, sonst hätte ich sie bestimmt verwendet. If the Fourth of July was not the date of the first formal declaration of American independence, what then was its claim to distinction? fragt Daniel Boorstin in seiner hervorragenden dreibändigen Kulturgeschichte The Americans. Damit sie heute über den vierten Juli mitreden können, stelle ich den Post ➱Independence Day noch einmal ein. Sie könnten natürlich auch den Roman Independence Day von ➱Richard Ford lesen.

Das Bild von Colonel John Trumbull kennt jeder Amerikaner, 4. Juli, Nationalfeiertag, die Declaration of Independence wird unterzeichnet. Nichts davon ist wahr, außer das ➱John Trumbull das Bild (365 x 548 cm) gemalt hat. Das Dokument, das wir als Declaration of Independence kennen, ist nicht am 4. Juli von allen Abgeordneten unterschrieben worden. Das Bild zeigt den Augenblick, in dem eine Kommission von fünf Mitgliedern des Continental Congress (➱Thomas Jefferson, ➱John Adams, ➱Benjamin Franklin, Robert Livingston und ➱Roger Sherman) dem Vorsitzenden John Hancock einen Text präsentieren. Der lange Jefferson scheint dem korpulenten Adams auf den Fuß zu treten, man hat das als einen Beweis der Feindschaft zwischen Jefferson und Adams interpretiert. Aber das mit dem Fuß stimmt natürlich bei genauerem Hinsehen nicht. Die beiden Herren sind zu ihrem Lebensende doch noch wieder Freunde geworden, wie ihr ➱Briefwechsel ab dem Januar 1812 zeigt.

Den Text der Unabhängigkeitserklärung hat Jefferson geschrieben, in a day or two, wie Benjamin Franklin schreibt. Die anderen haben ein wenig darin herum korrigiert, sacred & undeniable truths durch self-evident truths ersetzt und solche Kleinigkeiten. Der Kongress in Philadelphia wird zum Leidwesen Jeffersons tagelang an seinem schönen Text herumdoktern (dieses Bild von Jean Leon Gerome Ferris ist schon in dem Post ➱New York zu sehen). Jefferson wird immer seinen originalen Text aufbewahren und darüber klagen, dass der Kongress dieses wunderbare Dokument verändert hat. Während der Beratung hat er kein Wort gesagt, er hat nur schweigend dagesessen. Es hätte sich nicht gehört, dass er seinen eigenen Text verteidigt hätte, das hat John Adams für ihn übernommen. Benjamin Franklin hat versucht ihn zu trösten und ihm eine kleine Geschichte erzählt. Wer jemals Franklins Poor Richard's Almanack oder seine Autobiography gelesen hat, weiß, dass Franklin im Erzählen von kleinen Geschichten ganz groß ist:

I have made a rule, whenever in my power, to avoid becoming the draughtsman of papers to be reviewed by a public body. I took my lesson from an incident which I will relate to you. When I was a journeyman printer, one of my companions, an apprentice hatter, having served out his time, was about to open shop for himself. His first concern was to have a handsome signboard, with a proper inscription. He composed it in these words, 'John Thompson, Hatter, makes and sells hats for ready money,' with a figure of a hat subjoined. But thought he would submit it to his friends for their amendments. The first he showed it to thought the word 'Hatter' tautologous, because followed by the words 'makes hats,' which showed he was a hatter. It was struck out. The next observed that the word 'makes' might as well be omitted, because his customers would not care who made the hats. If good and to their mind, they would buy them, by whomsoever made. He struck it out. A third said he thought the words 'for ready money' were useless, as it was not the custom of the place to sell on credit. Every one who purchased expected to pay. They were parted with, and the inscription now stood, 'John Thompson sells hats.' 'Sells hats!' says the next friend. 'Why, nobody will expect you to give them away. What then is the use of that word?' It was stricken out, and 'hats' followed it, the rather as there was one painted on the board. So the inscription was reduced ultimately to 'John Thompson,' with the figure of a hat subjoined.

So liest sich die Geschichte dann eines Tages in der Version von Benjamin Franklin. Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass rein juristisch und völkerrechtlich der Abfall der Kolonien schon längst vollzogen ist, wenn der Kongress jetzt noch über sprachliche und stilistische Feinheiten diskutiert. Denn am 2. Juli 1776 hatte der Kongress einen Antrag von ➱Richard Henry Lee aus Virginia angenommen, den dieser am 7. Juni in den Kongress gebracht hatte: that these United Colonies are, and of right ought to be free and independent States, that they are absolved from all allegiance to the British Crown, and that all political connection between them and the State of Great Britain is and ought to be totally dissolved. Das ist die wirkliche Unabhängigkeitserklärung Amerikas am 2. Juli.

Das ➱Dokument, das man nach zweitägigem Hickhack am 4. Juli absegnet, ist schöne Rhetorik. Es ist erstaunlich, dass keiner der fünf Mitglieder der Kommission den Boten des Kongresses zum Drucker begleitet hat, auch Jefferson nicht. Man hätte ja mal Korrektur lesen können. So wimmelt der Text von Druckfehlern. Man kann in dem Bild links aber auch sehen: die Declaration ist nicht von den Delegierten unterschrieben. Am 4. Juli (und ich wiederhole das gerne noch einmal) wird nichts unterschrieben. Die einzigen Namen, die sich hier finden, sind die vom Präsidenten des Kongresses John Hancock (hier von ➱John Singleton Copley portraitiert) und des Sekretärs Charles Thomson.

Dieses Dokument hier kommt viel später. Im Journal des Kongresses findet sich unter dem 2. August 1776 der Eintrag The Declaration of Independence being engrossed and compared at the table was signed by the members. Und auch das ist nicht ganz richtig, Matthew Thornton wird erst im November unterschreiben (fünf Kongressmitglieder aus Pennsylvannia und George Read aus Delaware irgendwann zwischen August und November). John Hancock hat seinen Namen ganz groß geschrieben. Nicht aus Eitelkeit, wie er später betonte, sondern weil der englische König Schwierigkeiten mit den kleinen Buchstaben hätte. Ich glaube doch, dass es eher seine Eitelkeit war. Er wäre ja auch sehr gerne anstelle Washingtons Oberkommandierender der Armee geworden, obgleich er keinerlei militärische Erfahrung hatte. Aber die englische Sprache wird durch ihn ein Idiom mehr haben: put your John Hancock here ist das Äquivalent für unsere Redewendung, dass wir unseren Kaiser Wilhelm unter ein Schreiben setzen.

The second day of July, 1776, will be the most memorable epoch in the history of America. I am apt to believe that it will be celebrated by succeeding generations as the great anniversary festival. It ought to be commemorated as the day of deliverance, by solemn acts of devotion to God Almighty. It ought to be solemnized with pomp and parade, with shows, games, sports, guns, bells, bonfires, and illuminations, from one end of this continent to the other, from this time forward, forever more ... posterity will triumph in that day's transaction ... Das schreibt John Adams am 3. Juli 1776 an seine Frau ➱Abigail. Das da oben ist das wichtige Dokument, es trägt den Antrag von Lee, den Zusatz agreed to und das Datum vom 2. Juli 1776.

Die Pennsylvania Evening Post (die auch wenig später, am 6. Juli, den Text des Unabhängigkeitserklärung auf ihrer ersten Seite haben wird) hatte am Abend des 2. Juli den Aufmacher This Day the Continental Congress declared the United Colonies Free and Independent States. Irgendwie sollten die Amerikaner diesen Tag feiern. John Adams und Thomas Jefferson, die sich im Jahre 1775 noch mochten, sich dann voneinander entfernten und im Alter wieder zueinander fanden, schaffen es in schöner Synchronie, am selben Tag zu sterben. Am 4. Juli 1826.

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