Mittwoch, 14. Juni 2017

Flaggentag


Die Dame da rechts heißt ➱Betsy Ross, sie näht mal eben schnell eine Flagge für die drei Herren. Einer von ihnen ist George Washington. Als ich klein war und ➱Briefmarken sammelte, war ich stolz auf diese Marke. Briefmarken bilden einen schön, wenn man jung ist. Ich glaube, ich war der einzige in der Klasse, der wusste, wo Uganda und Tanganjika waren. Es war kein Wissen für die Ewigkeit, viele Staaten, die 1950 Briefmarken herausgaben, sind heute vom Globus verschwunden. Und die schöne Geschichte mit der hübschen Witwe Betsy Ross und der amerikanischen Flagge ist leider auch nicht wahr.

Wahr ist aber, dass der Continental Congress heute vor 240 Jahren beschlossen hat: That the flag of the thirteen United States be thirteen stripes alternate red and white; that the Union be thirteen stars, white in a blue field, representing a new constellation. Und deshalb feiert Amerika heute, wie immer am 14. Juni, seinen Flag Day. Benjamin Franklin hätte ja gerne diese Flagge, die Gadsden Flag heißt, gehabt, aber das hat sich nicht durchgesetzt. Sie wird heute noch von rechtsradikalen Gruppen verwendet. Das ist so ähnlich wie die deutsche Reichskriegsflagge, die letztens sogar vor dem Ballermann in Mallorca gesehen wurde.

Die amerikanische Flagge taucht in der Hymne auf, die der junge Rechtsanwalt Francis Scott Key (ein Vorfahre von ➱F. Scott Fitzgerald) geschrieben hat. Er war im Krieg von 1812 an Bord eines englischen Kriegsschiffes, weil er in Verhandlungen mit den Engländern wegen des Austausches von Gefangenen war. Und er musste die nächtliche Bombardierung von Fort Henry mitansehen. War aber glücklich, dass am Morgen das Star-Spangled Banner immer noch wehte. Und schrieb auf der Rückseite eines Briefumschlags:

O say can you see, by the dawn's early light,
What so proudly we hailed at the twilight's last gleaming,
Whose broad stripes and bright stars through the perilous fight,
O'er the ramparts we watched, were so gallantly streaming?
And the rockets' red glare, the bombs bursting in air,
Gave proof through the night that our flag was still there;
O say does that star-spangled banner yet wave

O'er the land of the free and the home of the brave?


Am Morgen hatte man nämlich die ganz große Flagge gehisst (hier bei einer Ausstellung im Jahre 1873), damit die Engländer auch sehen konnten, dass die Amerikaner noch da waren. Dies Photo hat der Admiral George Henry Preble gemacht, der im Jahre zuvor auch eine History of the American Flag veröffentlicht hatte. Die Flagge ist heute (zweimal restauriert) im National Museum of American History, wo sie eine eigene Ausstellung mit dem Titel The Star-Spangled Banner: The Flag that Inspired the National Anthem hat.

Und damit kommen wir noch einmal zur Nationalhymne, die heute in Amerika sicherlich überall gesungen wird. Schwer zu singen. Ich habe im Post ➱Jennifer Warnes einen Link zu einer Blondine namens Sherry Wilkins, die auf einer Wahlveranstaltung von Donald Trump die Hymne singt (klicken Sie ➱hier). Ich habe damals geschrieben, dass sie das O say can you see, by the dawn's early light a cappella sang. Das war falsch, denn es gibt noch ein Amateurvideo von der ➱Veranstaltung, da singt der ganze Saal mit. Das Video zeigt aber auch, wie rührend provinziell und prollig es bei den Veranstaltungen von Trump zugeht.

Die Amerikaner treiben einen Kult mit ihrer Flagge. Wenn amerikanische Soldaten bei der Flaggenparade die Flagge den Boden berühren lassen, werden sie bestraft. Das Gerücht, dass die Army die Flagge verbrennt, die den Boden berührt hat, hat sich lange gehalten. Ist aber nicht wahr. Bei der Bundeswehr ist das anders, da wienert sich die Wachmannschaft mit dem schwarzen Teil der Flagge noch mal die Stiefel. Diese Flagge ist nicht so der Renner, kann man bei ebay schon für sieben Dollar bekommen. Wahrscheinlich ist meine alte Betsy Ross 3-Cent Briefmarke heute mehr wert.

Im letzten Jahr hat Trump gesagt, dass diejenigen, die die amerikanische Flagge verbrennen, mit Gefängnis oder dem Verlust der Staatsbürgerschaft bestraft werden sollen. Die obersten amerikanischen Gerichte sehen das aber als freie Meinungsäußerung. Trump muss noch viel lernen. Zum Beispiel, dass man das Jackett zuknöpft und die Hand aufs Herz legt. Hier muss ihn ➱Melania daran erinnern, die Hand aufs Herz legen. Seinen peinlichsten Auftritt hatte er vor wenigen Wochen auf dem Heldenfriedhof ➱Arlington. Wenn man nicht wüßte, dass er keinen Alkohol trinkt, würde man sagen, dass er besoffen ist. Wahrscheinlich besoffen vor Glück, dass er ein paar Zeilen der Hymne hingekriegt hat. ➱Donald Trump "tanzt" die Hymne: "Wie der betrunkene, senile, alte Onkel", titelte der Stern.

Der Memorial Day ist den Amerikanern sehr wichtig, da sollte man vom Präsidenten verlangen können, dass er mal fünf Minuten still stehen kann, ohne sich zum Affen zu machen. Am ➱Memorial Day des Jahres 1884 hat Oliver Wendell Holmes Jr gesagt: Such hearts--ah me, how many!--were stilled twenty years ago; and to us who remain behind is left this day of memories. Every year--in the full tide of spring, at the height of the symphony of flowers and love and life--there comes a pause, and through the silence we hear the lonely pipe of death. Year after year lovers wandering under the apple trees and through the clover and deep grass are surprised with sudden tears as they see black veiled figures stealing through the morning to a soldier's grave. Year after year the comrades of the dead follow, with public honor, procession and commemorative flags and funeral march--honor and grief from us who stand almost alone, and have seen the best and noblest of our generation pass away.

Den Bürgerkrieg kannte der Mann: man hatte ihn auf dem ➱Schlachtfeld liegen lassen, weil man ihn für tot hielt. War er nicht. Er ist noch Amerikas berühmtester Richter des Supreme Court geworden. Wäre der Leutnant aus dem Harvard Regiment, der im Bürgerkrieg Get down, you fool! zu Abraham Lincoln sagte, heute Oberster Richter, dann würde es Trump wohl schwer haben, das erste Jahr seiner Präsidentschaft zu überstehen. Als Oliver Wendell Holmes neunzig wurde, sagte er einem Reporter: Young man, the secret of my success is that at an early age I discovered that I was not God. Vielleicht sollte mal jemand diesem Donald Trump sagen, dass er nicht Gott ist.

Der ➱Flag Day wird heute seit 101 Jahren gefeiert. Der Tag ist übrigens auch der 71. Geburtstag von Donald Trump. Also dieses Mannes, der hier die amerikanische Flagge herzt. Vor seinem Club in Palm Peach hatte er ohne Genehmigung die größte Flagge auf dem größten Flaggenmast gehisst: Well, I put up an American flag on the front of the Mar-a-Lago Club, which is a great house, probably the greatest house in America that I turned into a private club very successfully in Palm Beach, Florida. And the flag is very proudly waving, and the town wants me to take it down. Because they say I put it up without a permit and, frankly, had I gone to the town for a permit they wouldn’t have given it to me, probably. But more importantly, I say that you don’t need a permit to put up the American flag. Dieser Präsident hat echte Probleme mit der Flagge, auf seiner Geburtstagskarte für Melanie hat die Flagge nur 39 Sterne. Amerika hat allerdings ein paar Staaten mehr, die Flagge auch einige Sterne mehr. I will fight for the American flag, hat Trump gesagt. Da meinte er nicht die amerikanische Flagge an sich, da meinte er die widerrechtlich große Flagge auf seinem Golfplatz in Kalifonien. Zu große Flaggen, zu große Schlipse, zu großes Ego.

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