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Sonntag, 6. März 2022

Bremen, 6. März

Am Sonntagmorgen können Sie in Bremen am Vormittag in dem Observatorium der Olbers Gesellschaft den Sternenhimmel live für Kinder sehen. Um 13.30 können Sie im Weserstadion Werder Bremen sehen. Wenn die gewinnen, sind sie auf Platz eins der Zweiten Bundesliga. Früher waren sie mal in der richtigen Bundesliga. Am Abend können Sie die Gruppe Erdling hören, die sind so etwas wie Heavy Metal mit Gothic Elementen. Aber auf diese Ereignisse will ich mit dem Titel des Posts nicht hinaus, es gibt historisch Wichtigeres.

Zum einen ist der 6. März der Geburtstag der Bremer Giftmörderin Gesche Gottfried. Die hat allerdings hier mit Mäusebutter schon einen kleinen Post. Und mit Giftmord einen ganz langen Post. Die lassen wir heute mal weg. Was erwähnenswert ist, ist etwas ganz anderes, etwas, das selten erwähnt wird: das Attentat auf seine Majestät den Kaiser am 6. März 1901: Kaiser Wilhelm II. besucht zum zehnten Male die Stadt Bremen. Bei der Bischofsnadel wird er durch ein Eisenstück verletzt, das Johann-Dietrich Weiland nach ihm geworfen hat. Der Täter wird in die Irrenanstalt gebracht. Das steht in einem Werk, das Bremer Chronik heißt. Ich habe einen Band der Bremischen Chronik 1957-1970, und ich kann sagen: sie ist nichts wert. Die Chronik aus dem Jahre 1901 ist auch nicht viel wert. Viel mehr können wir im Internet auf einer Seite der Zeitung Weser Kurier lesen, da steht nämlich Das Attentat, das keines war. Da ist ein zwanzigjähriger Werftarbeiter, der einen epileptischen Anfall bekommt und in seiner Verwirrung das Eisenstück, das er in der Hand hält, in die Luft wirft. Und das trifft den Kaiser. Der Kaiser behält für den Rest seines Lebens eine kleine Narbe unter dem Auge, der Werftarbeiter wandert für den Rest des Lebens in die Irrenanstalt.

Im Jahr 2014 begann der Historiker Frank Hethey seine interessante Seite Bremen History. Diese Seite gibt es leider nicht mehr. Aber da Hethey für den Weser Kurier arbeitet, hat er es geschafft, dort mit einer Art Online Magazine, das WK Geschichte heißt, seine Arbeit weiterzuführen. Was man da lesen kann, ist häufig besser und genauer als das, was Herbert Schwarzwälder geschrieben hat, dessen Werk immer überschätzt wurde.

Wilhelm II ist übrigens wenige Jahre später wieder in Bremen. Wir sind das Salz der Erde, hat er da in einer Rede gesagt. Und er meinte das nicht so, wie es in der Bibel steht. Nein, mit dem Salz der Erde meinte er nur die Deutschen. Oder sich selbst, pluralis majestatis. Er sagt das 1905 im Bremer Rathaussaal zur Feier der Enthüllung des Denkmals von Louis Tuaillon für seinen Vater. Hinterher gab es Schildkrötensuppe, Junges Lamm, Forellen, Trüffel, Hummer, Spargel etc., man fragt sich, ob er da überhaupt noch in die Uniform passt. Aber er hat ja noch genügend andere. Selbst jemand wie der Graf zu Eulenburg spottet mit Sprüchen wie alle Tage Maskenball über die Kostümierungssucht des Kaisers. Damals steht Majestätsbeleidigung noch als Straftatbestand im Strafgesetzbuch. Und trotzdem macht das Volk Witze. Heute sind die Grenzen für laesio majestatis ja etwas tiefer gelegt, steht nicht mehr im Strafgesetzbuch. Ja, da muss man dann eben auch wie Bundespräsident Horst Köhler als Präsident zurücktreten, weil die Kritik den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen lässt. Nur weil man etwas gesagt hat (es ging um die Auslandseinsätze der Bundeswehr), was auch Wilhelm II hätte sagen können. Der verkaufte in besagter Rede in Bremen das Flottenwettrüsten noch als Friedenspolitik: Die Flotte schwimmt und sie wird gebaut, das Material an Menschen ist vorhanden, der Eifer und der Geist ist derselbe wie der, der die Offiziere der preußischen Armee bei Hohenfriedberg und bei Königsgrätz und bei Sedan erfüllt hat, und mit jedem deutschen Kriegsschiff, das den Stapel verläßt, ist eine Gewähr mehr für den Frieden auf der Erde gegeben.

Der 'Attentäter' Johann-Dietrich Weiland ist damals gerade von St Jürgen Asyl in die neugegründete Irrenanstalt in Ellen verlegt worden. Schildkrötensuppe, Junges Lamm, Forellen, Trüffel, Hummer, Spargel wird er für den Rest seines Lebens nie zu sehen bekommen. Von 1901 bis zu seinem Tod im Jahre 1939 schreibt er Bitt- und Beschwerdebriefe. Sie werden nie weitergeleitet, man hat sie Jahrzehnte später auf dem Speicher des Krankenhauses gefunden. Radio Bemen hat daraus ein Hörspiel gemacht. Die Briefe sind nicht so berühmt geworden wie der Brief, den der Unteroffizier Heinrich Vogeler seinem Kaiser schreibt: Gott aber ging zum Kaiser: Du bist Sklave des Scheins. Werde Herr des Lichtes, indem du der Wahrheit dienst und die Lüge erkennst. Vernichte die Grenzen, sei der Menschheit Führer. Erkenne die Eitelkeit des Wirkens. Sei Friedensfürst, setze an die Stelle des Wortes die Tat, Demut an die Stelle der Siegereitelkeit, Wahrheit anstatt Lüge, Aufbau anstatt Zerstörung. In die Knie vor der Liebe Gottes, sei Erlöser, habe die Kraft des Dienens Kaiser! Vogeler wandert auch nach Ellen, aber nur für zwei Monate, er hat gute Beziehungen, die hat der arme Weiland nicht.

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