Seiten

Dienstag, 26. April 2022

Liebestaumel


Am 26. April des Jahres 1336 hat Petrarca den Mont Ventoux bestiegen. Sagt er. Den höchsten Berg dieser Gegend, den man nicht unverdient Ventosus, den Windumbrausten, nennt, habe ich am heutigen Tage bestiegen, einzig von der Begierde getrieben, diese ungewöhnliche Höhenregion mit eigenen Augen zu sehen. Wir wollen ihm mal glauben, obgleich es Stimmen gibt, die die Beschreibung der Besteigung als dichterische Phantasie bezeichnen. Doch um Petrarcas Kletterpartie soll es heute nicht gehen, zu dem Thema gibt es schon die Posts Mont Ventoux und Vietsen.

Der italienische Dichter Francesco Petrarca war vom Anfang an in diesem Blog, weil er eine Formel für die Liebesdichtung erfunden hat, die sich für Jahrhunderte in Europa halten wird. In dem Post Petrarca schrieb ich 2010: Der große Ernst Robert Curtius, der in seinem Buch Europäische Literatur und Lateinisches Mittelalter die Formelhaftigkeit der Lyrik untersucht hat, spricht hier ganz lapidar, von der Pest des Petrarkimus. Die breitet sich jetzt über ganz Europa aus. Dichter machen es sich leicht, griffige Formeln ersparen es, über Frauen und Schönheit nachzudenken. Außer William Shakespeare, der macht im Sonett 130 den ganzen Petrarkismus lächerlich. 

Und vor zwei Jahren stand hier in Petrarca (ancora una volta): Der Dichter war schon häufig in meinem Blog, ich nenne nur einmal die Posts Petrarca, Zähmung, Laura und Mont Ventoux; und wenn Sie heute etwas Zeit haben sollten, weil Sie wegen der Coronakrise zuhause bleiben müssen, dann hätte ich noch etwas für Sie. Nämlich eine Seite, die man die ultimative Seite zu Petrarca, dem Petrarkismus und dem Anti-Petrarkismus nennen könnte.

Das soll heute genug an Petrarca sein, aber wir bleiben bei Liebesgedichten. Und da habe ich eins von Arno Holz, der heute Geburtstag hat; ein Gedicht, das garantiert frei von Petrarcas Zauberformeln ist. Es heißt Erfüllung:

Dann
losch das Licht,
und
durch die Stille,
fiebernd, verlangend, erwartungsbang,
nur noch:
unser zitternder Herzschlag!
Trunken … stammelnd,
meine
Lippen … süß dein … Aufschrei!

Seligkeit!
……………

Im
Garten, frühauf, pfiff ein Vogel, von tausend Gräsern troff der Tau,
der
ganze Himmel … stand in Rosen.
Lieber! … Liebe!

Und
wieder:
Kuß … auf … Kuß!

Und
nichts als … wir, nichts … als wir!
………………..

Was
kann die Welt,
an Glück, an Glanz, an
Rausch,
an Wonne, an
Taumel,
Erdenlust … und … Herrlichkeit,
uns … jetzt noch … schenken … uns jetzt … noch
bieten … uns jetzt noch … bringen?!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen