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Montag, 11. Juli 2022

die Berufsreise


Als Peter Nicolaisen sein Buch über Thomas Jefferson schrieb, sagte er mir, ich müsste unbedingt mal die Lebenserinnerungen der Baronin Riedesel lesen. Ich hatte noch nie von der Baronin Riedesel gehört, ich ging in die Universitätsbibliothek und wühlte mich durch die Karteikarten des Katalogs. Es gab da seit dem 16. Jahrhundert viel über die Familie Riedesel. Aber ich fand das Buch, das ich suchte: Die Berufsreise nach America: Briefe 1776-1783. Erschienen bei Haude & Spener in Berlin 1965. Es war ein Nachdruck der zweiten Auflage von 1801, die damals auch bei Haude & Spener, dem ältesten Berliner Verlag, erschienen war. Es ist die Geschichte der Ehefrau des Generals Friedrich Adolf Riedesel, der von seinem Landesherrn, dem Herzog Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel, an die Engländer ausgeliehen worden war und in den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg ziehen musste. Der gute Herzog Ferdinand, wie Wilhelm Raabe ihn nennt, war hier schon in den Posts Münchhausen und Minden. Ich hatte das Buch gelesen, bevor Peter Nicolaisen sein Buch vollendet hatte. Er fragte mich, ob ich das Korrekturlesen übernehmen würde, bevor er es an Rowohlt schickte, was für mich eine Selbstverständlichkeit war.

Friederike Riedesel, von ihrer Familie manchmal auch Fritze genannt, folgt ihrem Mann nach Kanada und begleitet ihn dann auf dem unglücksseligen Feldzug des Generals Burgoyne, der in der Schlacht von Saratoga mit dem Verlust der ganzen englischen Armee endet. Sie geht mit ihm in die Gefangenschaft und wird da die Nachbarin von Thomas Jefferson, der ihnen sogar beim Hausbau hilft. Zuerst lebten sie in dem Haus von Jeffersons Nachbarn Filippo Mazzei, der in Virginia Wein anbaute: The house where we lived and the whole property belonged to an Italian, who let us live there during his absence, since he intended to be absent for a while. We looked forward longingly to his and his wife’s and daughter’s departure because the house was small, and, moreover, the scarcity of provisions annoyed them. Jefferson kümmert sich wie ein Gentleman um die Gefangenen, die in seine Obhut gestellt sind und jetzt eine Meile entfernt wohnen. Und er verkauft General Riedesel auch noch sein Klavier: Sold my pianoforte to Gen. Riedesel. He is to give me £ 100. Wenn die Familie Riedesel wieder frei ist, bedankt sich der General bei Jefferson: I should conceive it an instance of ingratitude, to leave Virginia without repeating to you my heartiest thanks for every mark of Friendship which you have so kindly testified to me from the first moments of our acquaintance ... I beg you will be assured that I shall ever retain a grateful rememberance [sic] of your assistance and hospitality and deem myself singularly happy, after this unnatural war has ended, to render you any Service in my power as a token of my personal regard for you and your Family. Und er fügt dem Brief hinzu: Madame de Riedesel, who never can forget the esteem and friendship she has so justly consecrated to Mrs. Jefferson, desires me to insert her sincerest compliments both to her and your Excellency. Permit me to add my respects, and to assure you, sir, of the most perfect personal esteem with which I have the honor to be, Sir, Your Excellency’s most obedient and Humble Servant, Riedesel.

Die Berufsreise ist für Riedesel und seine Frau, die ihm in Amerika mehrere Kinder geschenkt hat, mit der Freilassung (und dem Austausch gegen den amerikanischen General William Thompson) noch nicht zu Ende. Sie bleiben noch für zwei Jahre bei den englischen Truppen in Kanada, wo sie angeblich zum ersten Mal in Kanada einen Tannenbaum zu Weihnachten aufgestellt haben. Aber 1783 sind sie wieder in Braunschweig zurück: Die Freude der Wiederfindenden und Wiedergefundenen, und das Trauern derjenigen, die die Jhrigen verlohren hatten und vermißten; alles dieses läßt sich nicht beschreiben, sondern nur fühlen. Den folgenden Tag gingen wir beide nach Braunschweig. Es war an einem Sonntag, wie ich mich noch erinnere, im Herbst des Jahres 1783, als wir dort ankamen; wir speisten bei Hofe, und den Abend sahe ich auf der Cour die meisten meiner dortigen Freunde nach dieser langen Trennung wieder, welches eine große Freude, aber zugleich eine Gemüthsbewegung in mir erregte, die mich bis ins Jnnerste erschütterte.

Es ist ein erstaunliches Leben, über das Friederike Riedesel (die am 11. Juli 1746 geboren wurde) schreibt. Wenn Sie ihre Briefe lesen wollen, brauchen sie nicht in die Universitätsbliothek zu gehen, Sie können sie hier lesen. Den Aufenthalt in Virginia und die Bekanntschaft mit Jefferson erwähnt sie mit keinem Wort, ich weiß nicht so recht weshalb. Die amerikanische Historikerin Friedrike Baer vermutet: Interestingly, Madame never mentioned the Jeffersons in her memoirs, possibly because in 1779 Thomas Jefferson was not as prominent as he would become later. Das kann durchaus so sein. Wäre Jefferson ein General, würde sich die Riedesel anders verhalten. Aber er ist nur Oberst der Miliz, und Gouverneur von Virginia ist er auch noch nicht. Unsere Freifrau aus Wolfenbüttel ist da ein klein wenig borniert gegenüber den Engländern, die jetzt Amerikaner sein wollen. Und nach ihrer Ansicht hat Gentleman Johnny Burgoyne seine Armee auch nur verloren, weil er nicht auf ihren Mann gehört hat: Wenn also General Bourgoyne den Rath des General Riedesel befolgt hätte, so wäre diese Armee für England gerettet worden, die anderswo hatte gebraucht werden können, und wäre derselben viel nachher erlittenes Ungemach dadurch erspart worden.

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