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Sonntag, 24. November 2019
die Schimanski Jacke
Diese Frau sehen wir normalerweise nicht an seiner Seite, das ist Maja Maranow in dem Tatort ✺Der Fall Schimanski. Schimanski erkennen wir natürlich sofort, weil er die berühmte schmuddelige Schimanski Jacke trägt. Ein ewiger Modeklassiker, kann man heute noch kaufen. Ist modisch aber genau so langweilig und spießig wie AKK. Eigentlich ist es die so genannte M-65 Feldjacke der Firma Alpha Industries, die 1965 bei den US Streitkräften eingeführt wurde. Götz George hatte sie in einem Army Shop entdeckt, im Laufe der Jahre wurden aber einige Jacken verbraucht.
Dieser Mann hat auch nur eine Jacke, aber ich glaube nicht, dass der Kurzmantel des Dortmunder Hauptkommissars Faber Mode machen wird. Dafür ist dieser Faber einfach zu bescheuert. Auf einer Seite der ARD wird er als depressiv, sperrig und äußerst unberechenbar beschrieben, das ist zurückhaltend. Die Helden des Kriminalromans (und heute der Fernsehserien) sollen ja etwas exzentrisch sein, das garantiert einen Wiedererkennungseffekt.
Das ist ein Effekt, den wir als Leser oder Zuschauer offenbar brauchen. Wenn sie nicht exzentrisch wie Sherlock Holmes oder Hercule Poirot sind, müssen wir sie an ihrer Kleidung, diesem vestimentären Zeichen, erkennen. Der Detective Chief Superintendent Foyle trägt in Foyle's War den ganzen Krieg hindurch diesen Mantel und diesen Hut. Er braucht auch bei Befragungen seinen Dienstgrad nicht zu betonen wie der DCI Barnaby, er sagt schlicht: I am a police officer. In der ersten Folge von ✺Derrick wollte Horst Tappert auch ein wenig englisch sein und trug einen British Warm, aber das passte nun gar nicht. Vielleicht wäre die Schimanski Jacke für ihn das richtige Kleidungsstück gewesen.
Den Engländer hier links (gespielt von Basil Rathbone) erkennen wir sofort an seiner Kleidung. Er ist ziemlich exzentrisch. Er besitzt eine Stradivari (die er mal für 55 Shilling gekauft hat) und schwärmt für die Geigenfee Wilma Franziska Neruda. Er selbst spielt grauenhaft schlecht Violine, konsumiert Kokain und Morphium und schießt von Zeit zu Zeit die Initialen der Königin Victoria mit einem Revolver in die Tapete. Kommissar Faber hätte sicher seine Freude an ihm.
Wir als Zuschauer haben sicher mehr Freude an dieser kriminalistischen Phantasiefigur, die immer denselben Regenmantel trägt: In 1966 I was walking on 57th Street in New York when it started to rain. I entered a shop and bought a raincoat. When I had to find one for Columbo, I simply took this one. Der kurze Regenmantel, der sicherlich ebenso berühmt wurde wie die Schimanski Jacke, kam von der spanischen Firma Cortefiel, die gibt es immer noch, aber ich glaube, sie stellen keinen Columbo Raincoat mehr her.
Der Herr in der Mitte hat den Trenchcoat berühmt gemacht: The role is a cinch. The role doesn't bother me. I've been doing the role for years. I've worn that trench coat of mine in half the pictures I've been in. Die Photo ist aus dem Film ✺Casablanca, in ✺The Big Sleep trägt Humphrey Bogart auch einen Regenmantel (der kommt schon im Roman vor, in dem es immer regnet), aber der ist nicht weiter bemerkenswert.
Die Trenchcoats werden in dem Genre bleiben, bis zur Karikatur in der Sesamstraße, wo wir diesen Detektiv, aber auch Sherlock Humbug (im Original Sherlock Hemlock), finden. Sie haben ihre große Zeit in den Edgar Wallace Filmen. Die sind ohne Trenchcoats gar nicht denkbar (lesen Sie mehr dazu in Hexer, Zinker et al.). Alle tragen Regenmäntel, ob sie nun Joachim Fuchsberger, Heinz Drache oder Siegfried Lowitz heißen. Nur Siegfried Schürenberg als Chef von Scotland Yard nicht. Gangster und Kommissare können Trenchcoats tragen, Chefs tun das nicht.
Auf einer filmisch etwas höheren Ebene als dem German Grusel der sechziger Jahre finden wir den Trenchcoat im Polar, dem französischen Kriminalfilm. Was wäre Alain Delon in ✺Le Samurai ohne seinen Burberry und seinen Borsalino? Hier sehen wir Yves Montand in ✺Le cercle rouge, einem Klassiker von Jean-Pierre Melville. Und, seien wir ehrlich, Yves Montand oder Alain Delon hätte nie eine Schimanski Jacke getragen. Die französischen Schauspieler haben immer gute Schneider (lesen Sie mehr in dem Post Lino Ventura). Horst Tapperts Anzüge stammten angeblich alle von Max Dietl, sie sehen aber alle nicht nach einem Maßanzug, sondern eher nach Cheap & Awful aus.
Ebenso wiederkehrend wie die Militärjacke (auf der die Schulterstücke der M-65 abgetrennt waren) ist Schimanskis Dauerfreundin Marie-Claire (Denise Virieux) mit den krisseligen Haaren. Sie ist in fünfzehn Tatort Folgen zu sehen, hält ihm über Jahrzehnte die Treue. Trotz der scheußlichen Schimanski Jacke. Das muss wahre Liebe sein.
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