Sonntag, 5. August 2018

Foyle's War


Wenn Sie sich bei dem Namen Foyle in der englischen Krimiserie Foyle's War, die während des Zweiten Weltkriegs spielt, an die Londoner Buchhandlung in der Charing Cross Road erinnert fühlen, liegen Sie nicht falsch. Der Autor der Serie Anthony Horowitz hat sich den Namen dort geborgt. Und auch einen Christopher Foyle hat es dort gegeben, er darf in der Folge Bad Blood einmal im Bild erscheinen. Unser Christopher Foyle ist kein Inspector oder Chief Inspector, er hat einen höheren Rang. Von dem er kaum Gebrauch macht, er stellt sich immer als I am a police officer vor. Doch er ist ein Detective Chief Superintendent, das ist ganz weit oben.

Da drüber kommen im Rang schon die Commissioners. Wie hier Edward Fox als Foyle's Vorgesetzter Assistant Commissioner Summers in einer der ersten Folgen (die können Sie hier ganz sehen). Foyle möchte weg aus der Provinz (er ist der Polizeichef von Hastings), möchte zum MI5 oder irgendwo hin, wo er im Krieg mehr leisten kann. Aber als er ein Angebot für die Tätigkeit im Cabinet Office bekommt, lehnt er ab, weil er gerade einen Mord aufklären muss. Vergeblich versucht ihn der AC zu überreden: Foyle, if you go out of that door you will remain a policeman not just for the duration of the war but until the day you retire. You won't get a second chance. Foyle bleibt Polizist. Soviel Mühe man sich bei der Serie gegeben hat, man hat einen kuriosen Fehler nicht vermieden: den Rang eines Detective Chief Superintendent gibt es erst seit 1949 - die Serie spielt aber in der Zeit von 1940 bis 1947.

Zum MI5 wird Foyle noch kommen, in der Serie 7 und 8 ist er aus dem Polizeidienst ausgeschieden und arbeitetet für den Geheimdienst. Äußerlich verändert er sich nicht sehr, er trägt weiterhin den zweireihigen Mantel, den er in der ganzen Serie trägt. Und Samantha (Sam) Stewart arbeitet auch weiterhin für ihn.

Man hat sich viel Mühe mit der Ausstattung gegeben, dafür sind Engländer ja berühmt. Was man mit der Verfilmung von Brideshead Revisited und A Dance to the Music of Time hingekriegt hat, muss ja auch bei einem Krimi funktionieren. Wir sehen hier die Schauspielerin Tamzin Outhwaite (in der Folge Sunflower) in einem Kleid, dessen Modell die Kostümabteilung bestimmt in einer Zeitschrift der vierziger Jahre gefunden hat. Und zur Not gibt es ja immer noch das Victoria & Albert Museum, die wissen alles.

Die Szene mit Tamzin Outhwaite wurde übrigens in Dublin gedreht, die ganze siebte Folge wurde dort gedreht (hier Foyle mit seiner Fahrerin Samantha Stewart, gespielt von Honeysuckle Weeks). Die neunte Folge wurde zum größten Teil in Liverpool gedreht. In den ersten Folgen, die in Hastings spielen hatte man noch den größten Teil dort gedreht. Dieses recreating the past ist ja etwas, was in den Filmen, die man ganz grob mit dem Etikett Kostümfilm belegen kann, immer ein Problem ist. Hat man wirklich das Geld und die Fachleute, um etwas hinzubekommen, was den Geist einer ganz anderen Zeit atmet?

Ich rede jetzt nicht von den italienischen Sandalenfilmen, in denen man römische Legionäre mit Armbanduhren sehen kann. Oder von den Kondensstreifen, die man im Himmel von Spartacus hinter Sir Laurence Olivier sehen kann. Davon soll hier nicht die Rede sein. Wir reden jetzt von den qualitätsvollen Produktionen, die in den sechziger, siebziger Jahren begannen und in den achtziger Jahren vielleicht einen Höhepunkt hatten. Denken Sie an Far from the Madding CrowdThe Great Gatsby oder A Room with a View. Sie können mehr zu dem Thema in dem langen Post The Go-Between lesen. Und vielleicht auch den ausführlichen Essay von Alan Parker über die Dreharbeiten von Angel Heart. Und die Lektüre von Anne Hollanders The 'Gatsby Look' and other Costume Movie Blunders könnte ich auch noch empfehlen.

Ich weiß nicht, wann Anthony Horowitz zum Schlafen kommt, die 25 Folgen von Foyle's War und die 6 Folgen von Barnaby sind ja nur ein kleiner Teil seiner Arbeit als Drehbuchutor. Dann kommen noch die Romane dazu. Und und und. Der Sender ITV hatte sich von Horowitz einen Nachfolger für die erfolgreiche Serie um Chief Inspector Morse gewünscht, Foyle's War (2002-2015) war die Antwort.

Sich für lange Zeit für die Dreharbeiten einer Serie festzulegen, bedeutet für einen Schauspieler, dass er wenig andere Rollen annehmen kann. Das war Michal Kitchen (hier in Out of Africa) klar: It’s certainly defined the last 10 years because I’ve done little else. This isn’t a complaint; having enjoyed the 30 previous years avoiding definition, it’s a privilege to be able to wait for projects that 100 percent fulfill the criteria, of which there have been, theater and radio aside, perhaps only about six. All worth the wait.

Michel Kitchen war mit seiner jahrelangen Arbeit sehr zufrieden: Foyle is the product of Anthony's original scripts and whatever I bring to them by adding, rearranging or taking out -- both of us have concluded that less is more. Some writers are very tight about what they've written and it can be restricting. Anthony was very easy, very loose and we worked to get a draft which was going to get the best out of me and which also flowed.

Seit Edgar Allan Poe und Arthur Conan Doyle ist dem Detektiv ein Gehilfe an die Seite gestellt. Der Great Detective (von dessen Eigenschaften Foyle etwas hat), braucht eine vermittelnde Figur. Das ist in Foyle's War nicht anders. Foyle bleibt gottähnlich, kühl und unnahbar. Sein Sergeant Miller bleibt blaß, hat nie die Rolle, die Lewis in Morse hat.

Und so rettet Samantha Stewart, die vom Mechanised Transport Corps (MTC) als Fahrerin für Foyle zur Polizei abgestellt wird, die ganze Serie. Im wirklichen Leben besitzt Honeysuckle Weeks wohl gerade keinen Führerschein mehr. Horowitz hat in Interviews gesagt, dass die Figur der Samantha Stewart auf seiner Nanny Norah FitzGerald beruht, der er hiermit ein Denkmal setzen wollte. Und das hat er mit viel Liebe getan.

Eine englische Krimiserie bürgt häufig für Qualität. Hier gibt es noch etwas dazu: den Zweiten Weltkrieg. Von der Produktionsfirma angekündigt als: As World War Two rages over Europe, one man fights his own battle against murder, mystery and betrayal on the south coast of England.  Dies ist ein anderes England als es uns im Fersehen verkauft wird. Mörder, Wirtschaftskriminelle, Saboteure, Kommunisten, Gewerkschaften, die Battle of Britain (Foyles Sohn ist Pilot der Royal Air Force), Dünkirchen und das Exercise Tiger: diese Krimiserie ist eine Sozialgeschichte Englands von 1939 bis 1947 und zugleich eine revisionistische Nachhilfestunde in englischer Geschichte. Sorgfältig inszeniert mit Unterstützung des Imperial War Museum. Ein Buch gibt es auch schon zu diesem Thema: Rod Green The Real History Behind Foyle's War.

So gut und schön das alles ist, man muss hier leider einmal die ersten Zeilen von Gottfried Benns Gedicht Was schlimm ist zitieren: Wenn man kein Englisch kann, von einem guten englischen Kriminalroman zu hören, der nicht ins Deutsche übersetzt ist. Es gibt Foyle's War nur in englischer Sprache (und lediglich die beiden letzten Folgen haben Untertitel).


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen