Freitag, 10. August 2018

Gewitter


Man hatte es gestern  kommen sehen, man konnte es fühlen. Der Himmel wurde dunkler, bis er fast schwarz war. Im Fernsehen redete jemand von dem kommenden Unwetter, draußen war es längst die Wirklichkeit. Ich stand am Fenster und bewunderte das Fernsehbild, das uns der Himmel bot.

Wahrscheinlich werden noch mehr Gewitter kommen, da werfen wir doch mal einen Blick auf literarische Gewitter. Ich präsentiere heute einmal einen Abschnitt aus der Erzählung Septembergewitter des Bremer Autors Friedo Lampe:

Und das Gewitter rauschte über die Stadt dahin, über Stadt und Wiesen und Fluß. Die schweren hängenden Wolkenbäuche platzten, und der Regen strömte in die Gärten und auf die Dächer, und die Blitze umzuckten den Ägidienkirchturm, und die Blumen auf den Gräbern lagen zerquetscht an der Erde, und der Großvater stand am Fenster und schaute mit Sorgen auf sie hin. Und der Wind schüttelte die Segel auf dem Fluß und füllte sie prall und riß den Dampfern den Qualm vom Schornstein und fuhr in die Straßen, daß der Staub wirbelte, und schlug die offenen Fensterscheiben zu und das Glas klirrte. Schwül war es gewesen und dumpf und still in der Stadt, und traurig war das Leben geflossen, aber nun rauschte und knatterte das Gewitter, und es war ein Lachen und Schreien und Jubeln ausgebrochen in den Lüften und ein Pauken und Beckenschlagen, und Trude Olfers stand auf dem Balkon mit fliegendem Haar und sang und fühlte die große Vermischung, und der Schwan in dem Graben unter ihr auf dem wogenden dunklen Wasser hob sich weit aus der Flut und schlug mit den Flügeln und reckte den Hals und schrie. Und die Jungens in Timmermanns Badeanstalt, Jan Gaetjen und seine Peliden, die sprangen kopfüber hoch vom Sprungbrett, und die Wellen tanzten und schäumten, und sie prusteten und kreischten und reckten die Arme, und Martin Hollmann saß still am Strande im Regen, blaß und müde, verbleut und zerkratzt, aber glücklich: er gehörte zur Bande.

Und die Kompanie des Leutnant Charisius marschierte auf dem Werder dahin, zurück zur Kaserne, stramm und mit hartem, regenverpeitschtem Gesicht, und schmetterte ein Marschlied, und Leutnant Charisius ging ein wenig hinterher. Laß es krachen, laß es donnern, recht so, recht, scharf muß der Blitz den Wolkensack zerschneiden. Und im Bürgerpark vor dem Schweizerhaus, wo die Leute so gemütlich auf der Wiese vorm Viktoriasee gesessen hatten, bei Kaffee und Kuchen, und Wöhlbiers Militärkapelle hatte gespielt in dem Pavillon, da war ein großer Tumult entstanden, die Leute drängten in die geschlossene Holzveranda des Schweizerhauses, und die Kellner hasteten zwischen den Tischen umher, rissen die Decken ab, trugen das Geschirr weg, und die Musiker sahen ruhig zu, geschützt durch das Pavillondach.

Friedo Lampe ist ein wenig in Vergessenheit geraten. Früher gab es das Gesamtwerk in einem Band bei Rowohlt, jetzt kümmert sich der rührige Wallstein Verlag um den Autor. Den Roman aus dem Nachlass, Ratten und Schwäne, können Sie hier lesen.


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