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Sonntag, 23. Oktober 2022

Made in Italy: Luciano Barbera

Das Made in Italy auf dem Etikett genügt Lucianao Barbera heute nicht mehr, es gibt schon Hemden seiner Firma, auf deren Etiketten entirely manufactured in Italy steht. Luciano Barbera hat immer dafür gekämpft, dass das Made in Italy auch Made in Italy bedeutet. Erst seit 2009 ist das durch ein Gesetz halbwegs geregelt, aber das bedeutet keineswegs, dass alle Teile eines Oberhemds in Italien hergestellt sein müssen. Wenn man die Hemden in Vietnam herstellen lässt, wie van Laack und Charles Tyrwhitt das tun, aber noch zwei von vier Arbeitsschritten in Italien ausgeführt werden, dann ist das Hemd immer noch Made in Italy. Luciano Barbera hatte von seinem Vater die 1949 gegründete Weberei Carlo Barbera geerbt. Aber er hatte immer weniger Kunden: So konnte man 2010 in der New York Times in einem Artikel mit dem Titel Is Italy too Italian? lesen: When describing the ills of his businesses, Mr. Barbera tends to focus on one issue: the 'Made in Italy' label. For the last decade, he says, a growing number of clothing designers have been buying cheaper fabric in China, Bulgaria and elsewhere and slapping 'Made in Italy' on garments, even if those garments are merely sewn here. Das Hemd hier ist meins, es hat mich bei ebay zehn Euro gekostet, keine 270 Euro, die die Firma dafür verlangt. Ich habe das Hemd wegen der schönen blauen Streifen gekauft, nicht wegen des Namens auf dem Etikett.

Im Jahre des Interviews mit der New York Times ging es Luciano Guglielmo Barbera nicht so gut, er hatte gerade die Aktienmehrheit der Weberei für über drei Millionen Euro an die Firma Kiton verkauft. Der immer elegante Luciano Barbera durfte in der Firma bleiben. Seine eigene Luciano Barbera Kollektion (die es seit 1971 gibt) blieb von dem Deal unberührt. Die Stoffe von Barbera zählen mit zum Besten, was in Italien gewebt wird, zählen aber auch zu den teuersten. Was eben zu der finanziellen Schieflage der Firma führte. Luciano Barbera hat auf seiner Internet Seite die Gründung der Firma in witziger Kürze so geschildert: In 1950, Carlo Barbera, my father, took over a fabric mill near the town of Biella. The hilly town, part of the Piedmonte region, is cold and damp but that's unfortunately why it was--and is--the home of the finest fabric mills in Italy. All the same, upon his arrival, my Dad threw out half of the looms he found on site. Rip, thump, crash! The trash-haulers of Biella groaned under the burden of his rejects. Was he mad? Remember, he was already inheriting the best machinery in Italy. No, he just wanted better. His targets were royalty: English Lords, Dukes, titans of industry, this at a time when war-ravaged Italy had a GDP roughly the size of Madagascar's.. 

Entirely Manufactured in Italy steht auf der Seite seiner Firma, und man kann da auch noch lesen: We view manufacturing in Italy as an art form, the result of unique and invaluable knowledge passed down for generations, resulting in the highest quality garments. So etwas Ähnliches steht auf den kleinen Heftchen, die jedem Hemd beigegeben sind. Die Qualität von Luciano Barbera war von Anfang an hoch. Die Jacketts der collezione sartoriale hand made in Italy kamen von Attolini, mehr geht nicht. Neuerdings gibt es auch Hemden von Attolini (mit dem Stoff von Carlo Riva), so etwas kostet bei Michael Jondral (dem Nachfolger von Heinrich Zapke) 450 Euro. Ich weiß nicht, ob Attolini die Hemden selbst herstellt, oder ob sie die von irgendeiner camiceria beziehen. Das weiß man bei großen Namen nie. Auch bei Luciano Barbera nicht. Die Hemden haben alle ein Etikett von Grilux, das ist die von Barbera 1975 gegründete Firma, die die Kleidung von Luciano Barbera vertreibt. Die im Internet allerdings häufig mit dem Zusatz in liquidazione auftaucht.

Vielleicht hätte Luciano Barbera lieber die Finger von der Konfektion lassen und sich auf die von seinem Vater Carlo geerbte Weberei konzentrieren sollen. Er ist in das Geschäft durch Zufall hineingeraten. Dieses Photo von Ugo Mulas sah Murray Pearlstein, der Besitzer des Luxusladens Louis in Boston, im Jahre 1962 in der italienischen Fachzeitschrift L'Uomo Vogue. Er war von dem abgebildeten Gentleman so begeistert, dass er nach Italien reiste, um Luciano Barbera zu überreden, eine eigene Modelinie zu machen, die er dann in Boston verkaufen würde. Mr. Pearlstein, I have no collection. I have only my own suits, sagte Luciano. Pearlsteins Antwort war: You have talent. You should design your own collection. Für ihn war der elegante Barbera ein Fashion Icon, das er verkaufen konnte. Und er sah, dass dieser Mann diesen Stil hatte, von dem Ralph Lauren mit seiner Purple Label Collection nur träumte.

Das war der Beginn der American connection für Barbera, der heute 65 % seiner Kollektion in die USA verkauft. Pearlstein hatte ein Händchen für Talente, Joseph Abboud stellte er mit achtzehn ein. Den Laden Louis in Boston gibt es seit dem Juli 2015 nicht mehr, die Tochter von Murray Pearlstein wollte mit sechzig Jahren aufhören und keine neuen Mietverträge mehr abschließen müssen. Das Alter ist für Luciano Barbera kein Thema, sein Vater Carlo wurde einhundertundzwei Jahre alt, er ist jetzt vierundachtig und ist mit seinen fünf Kindern noch immer im Geschäft. Das ihm nur noch zum Teil gehört, der Schweizer Philippe Camperio, der 2017 auch Borsalino gekauft hat, hat die Aktienmehrheit. Und er hat die Devise, eingeschlafenen ikonischen Marken neuen Schwung zu verleihen.

Lohnt es sich, ein Luciano Barbera Hemd zu kaufen? Für zehn Euro unbedingt. Das Hemd ist geräumig, nix mit slim fit oder solchem Unsinn. Und es hat auch Bewegungsfalten im Rücken, die müssen bei einem guten Hemd sein. Der Stoff ist erstklassig, das Hemd hat aber kein Label des Stoffherstellers. Also Namen wie Albini, Thomas Mason, Carlo Riva oder Canclini. Solche Etiketten erwartet man in dieser Preisgruppe auch nicht, man findet das eher bei preisgünstigeren Hemden, bei denen durch ein solches Etikett eine höhere Qualität suggeriert werden soll. Das Hemd hat erstklassig genähte Knopflöcher, nicht handgenäht, aber erstklassig. Da kann sich die Firma Etro mal ein Beispiel nehmen. Auf dem Ärmelschlitz ist kein Knopf, das haben englische Hemden auch nicht. Vielleicht hat Barbera das aus England mitgebracht. Denn nach seiner Ausbildung am ITIS Q. Sella in Biella hat er in Bradford und Leeds studiert. Ob Knopf oder nicht auf dem Ärmelschlitz, das wahre Qualitätsmerkmal für ein Hemd liegt daneben. Und das sind die Falten, mit denen der Ärmel in die Manschette eingefältelt wird. Drei Falten neben dem Ärmelschlitz sprechen hier von Qualität. Die hat dieses Hemd, und es hat noch mehr. Es hat auch noch Falten an der Schulter, weil der Ärmel von Hand eingesetzt worden ist.        

Aber erstaunlicherweise hat es keine Musterangleichung an die Passe. Das habe ich bei Luxushemden schon häufiger gesehen. Dies hier ist ein Hemd von Kiton, doppelt so teuer wie Barbera. Man kann die Falten im Schulterbereich sehen, man kann aber auch sehen, dass es auch hier keine echte Musteranpassung gibt. Das bleibt mir ein Rätsel. Es ist gut, dass einem die neapolitanischen Hemdenschneider noch Rätsel aufgeben. Das Barbera Hemd mit den blauen Streifen ist gut, aber es ist nicht mein bestes Hemd. Es kommt qualitativ an das Hemd von Lilian Fock nicht heran; an das Hemd von Tom Reimer, das nie im Leben eine Nähmaschine gesehen hat, auch nicht. Aber von den beiden anderen Barbera Hemden, die ich vor über zwanzig Jahren in einem Secondhand Laden fand, ist noch nie ein Knopf abgefallen. Das ist doch auch mal etwas.

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