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Sonntag, 28. Juli 2024

Alpina


Alpina sind Wandfarben, die alpinaweiß sind, es sind aber auch Automobile von BMW. Oder Fahrradhelme und Rasenmäher. Die Firma Alpina, über die ich heute schreibe, ist ein wenig untergegangen. Aber sie war einmal das Einzige, das man mit dem Namen Alpina verband. Auf meinem Schreibtisch steht eine silberne Taschenuhr, gehalten von einem kleinem Plastikständer. Ich ziehe die Uhr morgens auf, wenn ich mich an meinen Computer setze. Auf dem Zifferblatt steht Union Horlogère, ein Firmenname, den man in der Schweiz verwendete, bis man zu dem neuen Namen Alpina überging. Neben der Taschenuhr steht noch eine Funkuhr, die ist ein wenig genauer als die Union Horlogère, die in Wirklichkeit eine Zenith Taschenuhr ist. Die Schwanenhals Feinregulierung ist am Ende der Skala angekommen, die Uhr geht ein wenig nach. Eigentlich müsste sie mal zum Uhrmacher, aber die Unruhe schwingt noch derart fröhlich, dass ich die Uhr lasse, wie sie ist.
 
Als ich am 1. April 1883 in Winterthur geboren wurde, gründete mein Vater mit einigen Uhrmacherkollegen, darunter der damalige Uhrmacher und Redaktor Christian Graf-Link von der 'Schweizerischen Uhrmacherzeitung', in der 'Kronenhalle' in Zürich die 'Schweizerische Uhrmacher Korporation'. Später wurde diese unter dem Namen 'Alpina Union Horlogère AG zur ältesten und größten Uhrenverkaufsorganisation dieser Art. Das schreibt der Sohn von Gottlieb Hauser, dem Gründer der Union Horlogère. Das ist eine Genossenschaft von Herstellern von Uhrwerken, Gehäusen und Zifferblättern gewesen, die gute und preiswerte Uhren herstellen wollte. Sie können hier eine Liste der Mitglieder einsehen. Firmen, die hier schon einen Post haben wie Certina und Moeris, waren auch dabei. 

Ein einziger deutscher Uhrenhersteller war auch in der Union Horlogère, nämlich J. Assmann aus Glashütte, dessen Uhren qualitativ ebenso gut waren wie die von Lange & Söhne. Assmann brauchte eigentlich nichts aus der Schweiz, er war nur in der Union Horlogère, damit er seine Uhren in der Schweiz verkaufen konnte. Als Assmann 1904 aus der Alpina ausstieg, gründete die Alpina in Glashütte eine eigene Firma, die Taschenuhren mit Schweizer Werken herstellte. Sie wurde sofort von Lange & Söhne verklagt, allerdings war der Prozess bis zum Kriegsanfang noch nicht entschieden. Und nach dem Krieg war die Alpina Glashütte pleite. Wenn es auch keine echten Glashütter Uhren sind, dank ihrer Qualität erzielen die Alpina Glashütte Uhren bei Auktionen immer noch sehr gute Prieise. 

1909 konnte die Union Horlogère ihre Marke Alpina mit den Herstellungsorten  Biel - Genf - Glashütte i. Sa bewerben und fügte hinzu: in jeder Qualität von der einfachsten Stahluhr bis zum feinsten Gold-Chronometer. Alpina-Uhren sind mit allen technischen Verbesserungen ausgerüstet und bieten so in jeder Qualität etwas Hervorragendes. Die Union Horlogère ist in jeder Stadt durch ein renommiertes Uhrengeschäft vertreten. Man bot auch Schüler-Uhren für Knaben und Mädchen an, die seien von hohem erzieherischen Wert, Kinder an Pünktlichkeit und Zeiteinteilung zu gewöhnen.

Der wichtigste Lieferant der Union Horlogère für die →Uhrwerke der Taschenuhren war Jacob Straub in Biel. Er war auch der erste, der den Namen Alpina für ein Uhrwerk verwendete und den Namen auf das Zifferblatt einer Uhr schrieb. Auf dem Dach seiner Fabrik können wir hier auch den Namen Alpina sehen. 1904 wurde der Wortname Alpina ins Namensregister eingetragen. Der Name Alpina wurde dann für die hochwertigen Uhren der Union Horlogère verwendet, die Uhren von einfacher und mittlerer Qualität bekamen die Namen A (1926), Festa (1928) oder Novice. In den 1920er Jahren kamen noch Hermann Aegler und Marc Favre als Lieferanten für Armbanduhrwerke zu der Gruppe hinzu. Das war für die Genossenschaft wichtig, denn J. Straub stellte bislang nur Werke für Taschenuhren her. 

Hermann Aegler belieferte die amerikanische Firma Gruen, die von 1929 bis 1935 auch Mitglied der Union war. Die beiden Brüder Frederick und George Gruen (die auch schon einmal in Glashütte eine Fabrik gehabt hatten) saßen auch im Verwaltungsrat der Union Horlogère. Die Firma Gruen konnte von dem Vertriebsnetz von 1.575 Einzelhändlern und sechs Ländervertretungen in Europa profitieren, das die Alpina aufgebaut hatte. Der zweite Kunde von Aegler war die 1913 von London nach Biel gezogene Firma Rolex. Aus der Zeit der Zugehörigkeit von Gruen zur Union stammt auch diese Alpina Gruen mit einem Aegler Werk, das später auch in den Rolex Prince Uhren war. Wenn Alpina draufsteht, kostet es einen Sammler mindestens sechstausend Euro, wenn Rolex draufsteht das Doppelte. Das sollte einem der Name Rolex schon wert sein.

Marc Favre, der Urgoßvater der Schweizer Malerin Valérie Favre, wurde mit seiner Fabrik in Biel zu einem der wichtigsten  Schweizer Hersteller. Dessen wahre Größe lange →→unbekannt blieb. Er belieferte auch viele Firmen außerhalb der Alpina, die sich Manufakturen nannten und geheimhielten, dass sie keine eigenen Werke bauten. Favre war der Überzeugung, dass die Zukunft der Armbanduhr gehörte. Was er lieferte, waren erstklassige Werke. Sogar die vornehme Firma Universal Genève bezog Werke von ihm; und in manchen Omega Uhren tickt etwas, was bei Favre entwickelt wurde. 

Eines seiner bekanntesten Werke ist das Alpina Kaliber 595, das manchmal auch den Namen Siegerin trägt. Das Werk war auch in der →Alpina Tresor, die schon in einem Post vorkommt. Im obigen Absatz ist das Werk in einer Uhr für die deutsche Kriegsmarine, da steht KM auf dem Zifferblatt. Ich habe noch zwei kleine Alpina Marineuhren mit dem KM auf dem Zifferblatt, eine hat sogar noch dieses scheußliche graue Originalband. Vor dreißig Jahre wollte die niemand haben, heute zahlen Sammler viel Geld dafür. Das ist bei allen Militäruhren das Gleiche. Die Uhren haben keine Stoßsicherung, die Marine verzichtete darauf. Aber in den Alpina Uhren, die über die Dugena (seit 1917 juristisch unabhängig von der Muttergesellschaft Alpina) an das deutsche Heer geliefert wurden, waren Stoßsicherungen drin. Darauf bestand das Heer. In den Uhren der US Army waren keine Stoßsicherungen, auch so kann man den Krieg gewinnen.

Auf die Firma Alpina bin ich gekommen, weil ich gerade diese beiden Hübschen gekauft habe, eine Alpina Starliner (links) und eine Dugena Precision. Beide Uhren waren kaum getragen und kosteten zusammen nicht einmal dreistellig. Zu den Dugena Precision Uhren sagt der Barni immer Überraschungseier. Man weiß nie, was drin ist. In den meisten Fällen ist es ein schönes rotvergoldetes Helvetia Werk, manchmal auch ein Peseux 320. Ich habe hier eine Liste aller Uhrwerke, die die Dugena verbaut hat. Was mich mehr als die Dugena Precision (davon habe ich schon zwei) interessierte, war die Starliner der Alpina.

In der tickt das letzte Werk von Marc Favre, das Kaliber 598. Das gab es in drei Qualitäten, hier drin ist die beste, das 598R. Hat eine glatte Glucydurunruhe und ein bewegliches Spiralklötzchen, das haben das 598 und das 598E nicht. Eine direkte Zentralsekunde hat das Werk noch nicht, soweit war man 1950, als das Werk auf den Markt kam, nocht nicht. Das 592er Werk, aus dem das 598 entstand, hatte noch eine kleine Sekunde (es hatte auch die gleiche Bauweise des alten 595). Das Werk war berühmt für seine Robustheit und Ganggenauigkeit, die Uhrmacherschule in Biel verwendete es als Lehrmodell für die angehenden Uhrmacher. Und das Werk, das eines der besten Handaufzugswerke seiner Zeit war, geht heute noch genau und hat nach über sechzig Jahren noch leicht und locker vierzig Stunden Gangreserve.

Die  Union Horlogère wird in der Quarzkrise untergehen wie so viele Schweizer Firmen. 1972 wird sie in die Alpina Watch International umgewandelt. Diese Gesellschaft hatte von der Union Horlogère SA alle Fabrikations- und Markenrechte und die Absatzorganisation übernommen. Viel mehr als der Name war da aber nicht mehr. Die Herstellung eigener Uhrwerke hatte man aufgegeben, jetzt sind ETA und ASSA in den Uhren. Anfang der 1970er Jahre war die Fabrik von Straub, die inzwischen auch Armbanduhrwerke wie dies Kaliber 490 baute, geschlossen worden. Da man die Imitation der Werke in Billiglohnländern verhindern wollte, entschied man sich für die Verschrottung aller Maschinen. Die Marc Favre & Cie AG war 1953 in die SSIH eingegliedert worden. Robert-Marc Favre wurde noch Direktor der Omega, die auch einmal Kunde bei Marc Favre gewesen war. 2002 wurde die Alpina Watch International von der Frédérique Constant Gruppe übernommen. 2016 kaufte der japanische Konzern Citizen die Schweizer Frédérique Constant Gruppe inklusive der Marke Alpina. Die Uhren mit diesem Namen kann man jetzt ab 650 Euro bei Amazon oder auch Online kaufen.

Meine Lieblings Alpina ist außer der neuen Starliner (bei der ich inzwischen alle Kratzer aus dem Glas herauspoliert habe) eine Alpina President aus den 1950er Jahren. In ihr steckt das AS 584, eine Hammerautomatik, die einseitg aufzieht. Mit lautem Geräusch, das rüttelt und schüttelt am Arm. Die Firma von Adolph Schild versuchte wissenschaftlich zu beweisen, dass ihre Uhr besser aufzog als die Automatik der Eterna. Das ist vielleicht sogar richtig, man braucht die Uhr nur in die Hand zu nehmen, dann rennt der kleine rote Sekundenzeiger schon los. Aber es bleibt dieses Rütteln und Schütteln. 

Heute baut eigentlich niemand mehr eine Hammerautomatik, aber die neue Firma Alpina hat mit dem AL-709 Werk seit 2021 wieder eine Hammerautomatik (hier rechts auf dem Bild) im Programm. Auch mit Nostalgie kann man Uhren bewerben, viele Firmen haben wieder Modelle herausgebracht, die einmal Klassiker der Marke waren. Ich mag die alte President trotz des Rüttelns, auch wenn es ein technischer Irrweg war. Meine eleganteste Alpina ist eine andere President, die ich mal im Winter auf einem Flohmarkt in der Mensa II kaufte. Sie war umgeben von zentimeterdicker brauner Schmierseife. Ich pulte ein wenig davon ab und sah, dass die Uhr nicht vergoldet war, sondern eine echte Goldhaube hatte. Das erzählte ich dem Händler allerdings nicht. Ich nahm sie für kleines Geld mit. Als ich zuhause die Schmierseife von der Uhr entfernt hatte, stellte ich fest, dass ich jetzt eine niemals getragene Alpina President besaß.

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