Helvetia ist der neulateinische Name für die Schweiz. Die Helvetier kommen schon bei Julius Ceasar in De Bello Gallico vor, der ungeliebtesten Lektüre des Lateinunterrichts. Wenn Sie den Titel von Caesars Werk anklicken, landen Sie in einer zweisprachigen Ausgabe des Textes. Falls Sie das noch einmal lesen wollen. Helvetia ist der Name einer großen Schweizer Versicherung, aber auch der Name einer Schweizer Uhrenmarke. Über die möchte ich heute ein wenig schreiben. Es gab zwar in der letzten Zeit mehrere Posts zum Thema Uhren, aber ich hatte davor sehr lange nichts über Uhren geschrieben; Leser hatten sich schon beklagt. Omega 30T2 war 2019 der letzte Post gewesen. Mit der Firma Omega hat die Firma Helvetia auch etwas zu tun, weil sie von der Familie von Louis Brandt gegründet wurde, denen eine Uhrenfabrik gehörte, die 1894 ihren Namen von Louis Brandt et Frère in Omega änderte.
Die Brandts hatten die Helvetia gegründet, damit diese Fabrik preiswerte Stiftankeruhren herstellte. Aber schon bald gaben sie die Firma auf, die dann den Namen La Générale bekam und alles andere als Billigwerke herstellte. Ihre Werke waren in den besten Uhren von G & M Lane in London und Andreas Huber in München zu finden. La Générale wurde eine Manufaktur, die ihre eigenen Uhrwerke herstellte. Eigene Werke herzustellen, ist in der Schweizer Uhrenwelt die Definition einer Manufaktur.
Wenn man fremde Werke einkauft und einbaut, dann ist man ein etablisseur. Wie zum Beispiel Rolex, die das ganze 20. Jahrhundert keine Manufaktur waren, und nur zur Manufaktur wurden, weil sie ihren Werkhersteller Aegler für einige Milliarden Franken gekauft haben. Aegler belieferte nicht nur Rolex mit Uhrwerken, ein viel größerer Kunde war die amerikanische Firma Gruen. Hier ist ein Aegler Werk, das für Rolex (links) und für Gruen (rechts) geliefert wurde. Es ist das gleiche Werk. Mit ein wenig Glück können Sie das Werk auch noch in einer deutschen Alpina finden.
Die Manufaktur Helvetia, die dann La Générale hieß (oder für den englischen Markt General Watch Co.), hat sehr interessante Uhrwerke gebaut, die die Uhrensammler heute noch immer begeistern. Dies hier ist ein Werk aus der Kaliberfamilie 80 aus den 1940er Jahren. Es sieht aus wie viele Werke anderer Hersteller, aber es hat seine Besonderheit. Auf dem Sperrrad steht neben dem Firmennamen noch 3 Adjusts, die Uhr ist also in drei Lagen feingestellt, das sind nicht so viele Uhren. Was so aussieht wie ein kleiner Mercedes Stern auf der Unruhe, ist eine Stoßsicherung. Früher als der Rest der Schweiz haben Helvetia Uhren eine Stoßsicherung. Bis zum Anfang der 1950er Jahre verwendet die Firma diese hauseigene Stoßsicherung, dann baut sie Incabloc Stoßsicherungen ein, wie der Rest der Schweiz.
Das hier ist ein Automatikwerk von Helvetia aus den sechziger Jahren, der Rotor sitzt nicht in der Mitte des Werkes, das ist ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist auch die gesamte Konstruktion. Normalerweise ist ein Automatikwerk in einer Art Sandwich Bauweise konstruiert. Die unterste Schicht ist ein Handaufzugswerk, darüber kommt die Aufzugsmechanik mit ihrem Räderwerk. Und obendrauf der Rotor. Hier ist die Aufzugsmechanik in das Werk hineingebaut, das war damals die flachste Automatikuhr der Schweiz. Ich habe eine davon, ich weiß nicht, wo ich meine Schublehre gelassen habe, um nachzumessen; aber die Uhr ist wirklich sehr, sehr flach.
Im Zweiten Weltkrieg hat die Helvetia Deutschland beliefert, das sind Uhren, die auf dem Gehäuseboden DH (für Dienstuhr Heer) gestempelt sind. Manche Sammler sind ganz verrückt nach diesen Uhren, ich habe zu dem Thema schon einiges in dem Post Miltäruhren gesagt. Die Helvetia, die auch schon in den frühen dreißiger Jahren Pilotenuhren im Programm hatte, hat aber auch die Engländer mit Taschenuhren beliefert. Die Familie von Louis Brandt, die die Helvetia einst gründete, hat keine einzige Uhr nach Deutschland geliefert. Ihre Kriegsproduktion, das war mit 110.000 Uhren die Hälfte der gesamten Schweizer Uhrenproduktion, ging nach England. Nach dem Krieg warb die englische Omega Vertretung in einer Anzeige damit, dass die Hälfte der Uhren der Royal Air Force von Omega kam.
Der englische Feldmarschall Montgomery besuchte 1947 die Omega Fabriken in Biel, er wollte der Firma danken, die der zuverlässigste Uhrenlieferant für die Engländer im Zweiten Weltkrieg gewesen war. Monty hatte den ganzen Krieg über eine Omega getragen, jetzt bekam er eine Omega Hammerautomatik geschenkt. Zwei Jahre später kam der Feldmarschall noch einmal nach Biel. Hier unterhält er sich gerade mit dem 81-jährigen Uhrmacher Léon Gogniat, der seit 60 Jahren bei Omega war.
Auch auf dem Gebiet der wasserdichten Uhren war die Helvetia ein Pionier. Sie hatten 1929 ein Patent für wasserdichte Gehäuse bekommen, verbauten aber auch Borgel Werke. Von Borgel hatte auch Rolex sein Patent für wasserdichte Uhren gekauft. Auf dieser Uhr aus dem Jahre 1931 steht nicht der Firmenname Helvetia, hier steht nur Waterproof und Shock Absorber. Eine englische Fachzeitschrift schrieb 1934: The 'Helvetia' makers differentiate between their 'shockproof' and 'unbreakable' models, where, perhaps, others confuse the two terms and consequently confuse the trade and their wearers ... The firm hold important patents on each type. The Helvetia waterproof is a very sound job and has stood up against tests that have sent many another watch to a watery grave.
Ich war motiviert das "GS" für Sie zu recherchieren. Ich vermute es kommt von GS/TP. "G.S.T.P. stands for General Services Trade Pattern, which indicates that the watch was purchased by the British government for the armed forces."
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