Mittwoch, 26. Juli 2023

100.000 Kilometer

Diese Anzeige versetzt uns zurück in die fünfziger Jahre, als man noch Autos aus Bremen kaufen konnte. Die klangvolle Namen wie Isabella und Arabella hatten, die ein bisschen nach Bella Italia klangen. Da, wo einst Borgward zuhause war, sitzt heute Daimler-Benz. Borgwards kann man heute nicht mehr kaufen, die sind alle bei den Sammlern. Mein Freund Keith hat einen P 100, den er in Berlin in einer Tiefgarage fand. Stand dort seit Jahrzehnten, die Weißwandreifen waren noch intakt. Ich hatte einen Kollegen, der zwei Isabella Coupés hatte, eins war das Ersatzteillager für das andere.

Mein Vater überlegte damals, ob er den großen Borgward kaufen sollte, aber es gab schon viele Gerüchte, dass es um Borgward schlecht bestellt sei. Sie können das alles in dem Film des Norddeutschen Rundfunks Die Affäre Borgward sehen. Mein Vater blieb der Firma Opel treu und kaufte einen dunkelblauen Admiral. Er hätte sich als Bremer ja eine Borgward Uhr kaufen können, aber das hat er nie getan. Diese Borgward Uhren hat es mal gegeben, wie man oben auf der Anzeige und auf diesem Bild sehen kann. Wahrscheinlich bekam ein Kunde, der einen Kaufvertrag unterschrieb, so etwas gleich in die Hand gedrückt. War nix Dolles, kam nicht aus der Schweiz, kam von Bifora, Kienzle und Mauthe. 

Aber - es gibt immer ein aber - heute kann man wieder Borgward Uhren kaufen. Die Firma Borgward Zeitmanufaktur GmbH & Co. KG gibt es seit 2010. Eine P 100 Uhr hat man auch im Programm, das Bild zeigt dieses Modell. Das muss ich dem Keith mal erzählen. In den Uhren der neuen Borgward Uhrenfirma ist meistens das ETA 2824 oder das 2892 drin, das ist heute ja in beinahe jeder Schweizer Automatikuhr drin. Auch in der Rolex Zweitmarke Tudor. Wenn Sie alles über dieses Uhrwerk und seine Enstehung aus den Eterna Automatikwerken wissen wollen, dann klicken Sie diese interessante Seite an.

Wir müssen schon nach Italien schauen, wenn wir ein Beispiel dafür suchen, dass ein Automobilhersteller mit einem renommierten Uhrenhersteller zusammenarbeitet. Dieser Herr ist der Ferrari Präsident Luca di Montezemolo, die Dame kennen Sie vielleicht nicht. Es ist seine langjährige Lebensgefährtin Edwige Fenech, die berühmt war für kaum bekleidete Rollen in schlüpfrigen italienischen Filmen oder schrottigen Horrorfilmen

Der Ferrari Chef hatte einen Freund namens Gino Macaluso, der früher selbst Rennen gefahren war, jetzt aber Herr über die Sowind Gruppe war. Das waren Girard-Perregaux, Ulysse Nardin und JeanRichard. Die letze Firma war so gut wie tot, wurde jetzt aber wiederbelebt. Das war die große Sache der neunziger Jahre, einen einstmals berühmten Namen mit Repliken alter Modelle neu zu vermarkten. Und dieser Daniel JeanRichard war ja vielleicht der berühmteste Uhrmacher der Schweiz. Ich habe eine schöne JeanRichard aus den fünziger Jahren, als die alte Firma noch existierte. 

Montezemolo und Macaluso verabredeten, dass die Firma Girard-Perregaux Ferrari Uhren herstellen sollte. Qualitätsuhren, deren Zifferblatt das schwarze Cavallino zierte. Die konnte jeder kaufen, auch wenn er keinen Ferrari besaß. Ferraribesitzer konnten sich bei Girard-Perregaux die Chassisnummer ihres Wagens auf den Gehäuseboden gravieren lassen. Zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens von Ferrari gab es in limitierter Edition diesen goldenen Chronographen, ich weiß nicht, was der gekostet hat.

So etwas wie die Ferrari Girard-Perregaux Partnerschaft haben wir in Deutschland nicht. Zwar gibt es Porsche Uhren, aber die haben nichts mit dem Stuttgarter Autobauer zu tun. Die ersten kamen von der Firma Orfina, sie haben ein PD auf dem Zifferblatt, was für Porsche Design steht. Das ist eine Firma, die Ferdinand A. Porsche 1972 gegründet hat. Porsche blieb nicht bei Orfina, auch Eterna und die IWC stellten Porsche Design Uhren her. Ich weiß nicht, ob Porsche Fahrer die tragen. Seit dem Jahr 2014 werden die Uhren von Porsche Design in Eigenregie in Solothurn hergestellt. Für solch einen Orfina Porsche Design Chronographen wie diesen hier zahlen Sammler heute schon mehr als für eine Rolex.

Angefangen hat die Verbindung von Autos und Uhren in Deutschland 1949. Da gab es nämlich die ersten VW Uhren, die auf dem Gehäuseboden das Firmensignet zeigen und darauf hinweisen, dass der Besitzer mit seinem Käfer 100.000 Kilometer ohne Motorschäden zurückgelegt hat. Mit der Uhr kam auch eine Bedienungsanleitung der Volkswagen AG Wolfsburg: Als Anerkennung für die sorgsame Pflege, die wesentlich zur Erreichung der 100 000 km-Grenze des Ihnen anvertrauten Volkswagens beigetragen hat, wird Ihnen diese Armbanduhr überreicht. Bitte beachten Sie, daß diese trotz ihrer hohen Präzision und bei ununterbrochener Tätigkeit einige bescheidene Ansprüche stellt, deren Anerkennung Sie ihr nicht versagen sollten. 

Ziehen Sie Ihre Uhr täglich um die gleiche Zeit auf. Denken Sie daran, daß eine wassergeschützte Uhr durch die vorhandenen Dichtungen entsprechend schwerer aufzuziehen ist als eine gewöhnliche Uhr. Nach dem Zeigerstellen drücken Sie die Krone gut hinein. Zur Kontrolle diene eine kleine Rechtsdrehung der Krone. Die Zeiger dürfen sich dann nicht mehr verstellen. Setzen Sie Ihre Uhr nicht einem zu raschen Temperaturwechsel aus. Vermeiden Sie kalte Glas- und Marmorplatten als Unterlagen. Für Störungen oder Gangungenauigkeiten ist eine Garantiezeit von 6 Monaten vorgesehen. Verzichten Sie bitte darauf, Ihre Uhr mit Werkzeugen zu öffnen, deren Verwendbarkeit im Hinblick auf dieses Präzisionsinstrument offensichtlich in Frage gestellt ist. Lassen Sie sie alle 2 Jahre vom Fachmann reinigen und ölen, sie wird es Ihnen danken. 1961 stellte VW die Vergabe von Uhren ein, eine der VW Uhren ist im Deutschen Uhrenmuseum zu sehen.

Die Uhren (immer vergoldet) kamen von Mauthe (oder deren Zweitfirma Comet), von Laco (die auch Armbanduhren für Ford machten) und von Junghans. Die VW Uhren von Junghans (die auch die Auto Union belieferten) sind eher selten. Es gab auch Uhren von der Firma Porta, die auch für Hanomag 100.000 km Uhren herstellten. Das weiß ich, denn ich habe eine, nach mehr als einem halben Jahrhundert immer noch fabrikneu, zehn Mark auf dem Flohmarkt. Zu solchen Preisen bekommt man diese Uhren nicht mehr, eine gute Mauthe VW Uhr kostet bei ebay heute schon 150 Euro. Für die hier abgebildete Uhr will der Händler 299 Euro haben. 

Die Firma Mauthe in Schwenningen gab es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, sie stellten Wecker, Pendeluhren und Großuhren her, keine Armbanduhren. Damit haben sie erst 1946 angefangen, durch die VW Uhren kamen sie richtig ins Geschäft. Sie haben den Großauftrag von VW wahrscheinlich bekommen, weil sie die preisgünstigsten Anbieter waren. Mauthe war damals das, was Rolex nicht war, sie waren eine Manufaktur, die sich die eigenen Uhrwerke baute. Mit der Stoßsicherung Contrachoc, die es nur in Mauthe Uhren gab. In den siebziger Jahren erreichte die Quarzkrise Schwenningen, das sich einmal die größte Uhrenstadt der Welt genannt hatte. Mauthe musste schließen, eine über hundertdreißigjährige Firmengeschichte ging zuende. Nicht ganz, denn 2011 hat Bernd Mauthe wieder eine kleine Manufaktur aufgemacht, keine Armbanduhren, nur Großuhren. Schmuckstücke, die ihresgleichen suchen, steht auf der Homepage, schauen Sie sich die Kollektion einmal an.

Mein Freund Götz hat von seinem Vater eine Mauthe geerbt. Er hat sie sein halbes Leben lang getragen. Jetzt wollte er ihr ein neues Armband und eine Überholung gönnen. Wenn er zu mir gekommen wäre, hätte ich ihm ein neues Band drangemacht, ich habe noch eine Schachtel mit guten Bändern. Und die Uhr wäre zum Uhrmacher Petersen nach Flintbek gewandert. Aber nein, er musste mit seiner Mauthe in den vornehmsten Laden der Stadt gehen. Ein schnöseliger Verkäufer nahm die Uhr mit einem Ausdruck des Abscheus in die Hand und sagte: Diese Marke führen wir nicht. Das ist klar, wenn man Rolex verkauft, kennt man Mauthe nicht. Aber man kann mit einer alten Mauthe ebenso glücklich werden wie mit einer Rolex. Vielleicht glücklicher. Mauthe Uhren werden selten gefälscht und selten gestohlen.


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