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Sonntag, 24. Mai 2020

Flüsse und Sümpfe


Der Herr hier mit dem mächtigen Backenbart ist der General Ambrose Burnside. Das amerikanische Englisch kennt diese Koteletten auch als burnsides (oder sideburns). Der Generalmajor Ambrose Burnside war einmal der Oberbefehlshaber der Unionstruppen im Bürgerkrieg, wusste aber, dass er dieser Aufgabe nicht gewachsen war. Lincoln wird ihn ablösen und dem General Hooker, den Oberbefehl geben, was ein schlimmer Fehler ist. Burnside war ein ehrlicher Mann, er ist keine Primadonna wie sein Vorgänger McClellan, aber wahrscheinlich hat der Historiker Bruce Catton Recht, wenn er schreibt: Burnside had repeatedly demonstrated that it had been a military tragedy to give him a rank higher than colonel. Lincoln hat, bis er Ulysses S. Grant findet, kein Glück mit seinen Generälen. Er hatte am Beginn des Krieges Robert E. Lee das Oberkommando angeboten, aber der wollte lieber für Virginia kämpfen und sagt Lincolns Abgesandten: Mr. Blair, I look upon secession as anarchy. If I owned the four millions of slaves in the South I would sacrifice them all to the Union; but how can I draw my sword upon Virginia, my native state?

Das Portrait von Burnside in Antietam ist von den Deutschamerikaner Emanuel Leutze gemalt worden, dessen bekanntestes Bild Washington Crossing the Delaware ist, es ist vielleicht auch das Gemälde, das die meisten Amerikaner kennen. Die erste Fassung des Bildes ist 1942 in der Kunsthalle Bremen bei einem der 173 Luftangriffe, die Bremen überstehen musste, verbrannt. Leutze hat auch für die Rotunde des Capitols das riesige Bild Westward the Course of Empire Takes its Way gemalt, zwei ikonische Bilder Amerikas aus der Düsseldorfer Schule. Leutze malt sich durch die amerikanische Geschichte, hier ist Mrs Schuyler im Revolutionskrieg gerade dabei, den Weizen zu verbrennen, damit die Engländer ihn nicht bekommen.

Emanuel Leutze, der am 24. Mai 1816 geboren wurde, hat in Düsseldorf studiert und war dort Gründungsmitglied in der 1848 gegründeten Künstlervereinigung Malkasten. Düsseldorf ist im 19. Jahrhundert wichtig für die amerikanische Malerei, denn viele amerikanische Maler werden hier studieren. Als es zur 200-Jahrfeier der USA in allen Bundesländern Deutschlands Ausstellungen gab (hier im Norden war das die Ausstellung Illustrationen zu Herman Melvilles 'Moby-Dick'), hatte Düsseldorf es leicht. Die brauchten nur ein wenig im Archiv zu suchen und hatten dann die schöne Ausstellung The Hudson and the Rhine über die amerikanische Malerkolonie in Düsseldorf fertig. Den Katalog kann man noch antiquarisch finden, bei booklooker gibt es sogar ein Exemplar für 4,98€.

Das Bild ist im Geiste der Revolution von 1848 gemalt, angeblich soll Leutze Ferdinand Freiligraths Gedicht Vor der Fahrt (aus der Sammlung Ça Ira! von 1846) im Kopf gehabt haben, als er sich an das Bild machte. In diesem Gedicht (zu singen nach der Melodie der Marseillaise) wird der Leser aufgefordert, auf ein Schiff zu gehen, das Revolution heißt. Washington, Kosciuszko, Franklin und Lafayette sind schon an Bord. Freiligrath wird auch in die Künstlergemeinschaft Malkasten, deren Erster Vorsitzender Leutze ist, aufgenommen, nachdem man 1849 die Statuten geändert hat. Da ist die kurze deutsche Revolution leider schon vorbei, man malt ja auch lange an einem solchen Bild. 1850 hat er es fertig. Aber der Geist der Revolution ist noch da: in den fahlen Morgenhimmel, der Washington wie ein übergroßer Heiligenschein umgibt, hat Leutzes Kollege Andreas Achenbach noch einen kleinen Morgenstern hineingemalt. Den kann man nach der Restaurierung im Met Museum, das die 1850 begonnene zweite Version des Bildes von Leutze besitzt, jetzt wieder sehen, zuvor war der unter der bräunlichen Firnis verschwunden.

Hier sieht das alles etwas anders aus, kein Morgenhimmel als Heiligenschein, kein Morgenstern, der das Ziel vorgibt. Das absurde Bild hier ist kein Cartoon. Das ist ein total ernstgemeintes Bild von einem Maler namens Jon McNaughton, der ein klein wenig rechtsradikal ist. Das Bild, das Crossing the Swamp heißt, zeigt den Präsidenten Trump, wie er den Sumpf vom Washington überquert:

Today, Trump endeavors to cross the 'swamp' of Washington DC as he carries the light of truth, hope, and prosperity. The murky water of the deep state is laced with dangerous vermin, perfectly willing to destroy American prosperity for their personal ideologies and financial gain. The establishment Democrats, Never-Trumper-Republicans, Deep State, and Fake News Media will do all they can to stop the majority of the American people from succeeding. As an artist, I paint what I feel needs to be said about the current state of our country. My hope is that Trump will be remembered as the President that restored America’s greatness. I want to be on that boat for freedom! sagt der Künstler mit Blick auf das Bild von Leutze.

Aber den Sumpf kann man nicht ausrotten, das sagt uns schon John Bunyan in Pilgrim's Progress, wenn er von dem Slough of Despond redet: This miry Slough is such a place as cannot be mended; it is the descent whither the scum and filth that attends conviction for sin doth continually run, and therefore is it called the Slough of Despond: for still as the sinner is awakened about his lost condition, there ariseth in his soul many fears, and doubts, and discouraging apprehensions, which all of them get together, and settle in this place; and this is the reason of the badness of this ground.

Leutzes Bild hat immer wieder Künstler herausgefordert, eins der interessantesten Werke ist Robert Colescotts George Washington Carver Crossing the Delaware; das ist moderne Kunst, sicher auch politische Kunst, denn dieser George Washington ist schwarz. Das Bild von Jon McNaughton hat nichts mit Kunst zu tun. Bei Amazon kann man es als Wandschmuck und als Teebecher kaufen. Ich käme nicht auf die Idee, so etwas zu erwerben. Ich überlege mir gerade, ob ich mir Washington Crossing the Delaware als mousepad zulege.


Emanuel Leutze wurde hier letztens in dem Post Stenka Rasin erwähnt, noch viel mehr über ihn gibt es in den Posts: Emanuel Leutze, Emanuel Gottlieb Leutze, Trenton, Weihnachten 1776, Washington Crossing the Delaware, Düsseldorfer Schule, Kunsthalle Bremen

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