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Sonntag, 4. September 2022

die Königin Caroline Mathilde

Ich bin in Rotenburg geboren, auf allen Urkunden steht hinter dem Ortsnamen ein Schrägstrich und dann Hann. Für Hannover.  Seit dem 16. Mai 1969 heißen Stadt und Landkreis Rotenburg (Wümme). Das Autokennzeichen ist ROW. Dieses Autokennzeichen ist in der Gegend ebenso berüchtigt wie die Autokennzeichen OHZ, WL oder SFA. Ich hasse dieses Rotenburg/Wümme in meinem Personalausweis, beim letzten Ausweis habe ich eine Viertelstunde versucht zu verhandeln. Ich wollte mein Rotenburg/Hann. wieder haben (das habe ich schon in dem Post Fuchsjagd geschrieben), aber es ist mir leider nicht gelungen.

Dass ich in Rotenburg geboren werde, verdanke ich den Fliegerangriffen auf Bremen, man hatte Teile des Bremer Krankenhauses ausgelagert. Ich bin ein Sonntagskind, das wird man mir immer wieder erzählen. Kurz nachdem ich geboren werde, stirbt in dem selben Krankenhaus der Maler Otto Modersohn, der Ehemann von Paula Modersohn-Beckereiner Nationalheiligen in Bremen. Modersohn war auch der Onkel von Cato Bontjes van Beek. Wäre ich in Bremen geboren, wie später mein Bruder, wäre ich ein echter Bremer geworden. Die sind da in Bremen ja eigen, wer ein echter Bremer, ein Tagenbaren, ist. An diesem Mythos Bremen arbeiten viele, und auch ich kann nicht leugnen, ihm zeitweise erlegen zu sein. Ich schreibe immer noch an meinen Bremensien, die in meinem Kopf als Roman mit dem Titel Anti-Bremen begannen. Obgleich ich eher wie Fitzgeralds Held Jay Gatsby meine eigene Geschichte und mein eigenes Konzept meines Lebens erfinde.

Hannover liegt mir ein wenig am Herzen, nicht nur, weil ich dort auf der Heeresoffizierschule war, sondern auch, weil mein Heimatort lange Zeit zu Hannover (sprich England) gehörte. Zur Hansestadt Bremen gehören wir erst seit 1939. Der englische König George III schenkte dem Arzt Dr Albrecht Roth soviel Land an der Weser, wie er für seinen Park haben wollte. Er glaubte wahrscheinlich, dass Deutschlands berühmtester Botaniker einen englischen Landschaftsgarten anlegen wollte. Das wollte Albrecht Roth nicht, aber der Stadtgarten, der daraus wurde, ziert heute noch unseren Ort. Ich weiß eine Menge über Hannover, weil in dem Karton mit Büchern, die mir der nette Professor Hohnholz schenkte, nicht nur Karl Vosslers Dante war. Da gab es nämlich auch noch das Hof- und Staatshandbuch für das Königreich Hannover aus dem Jahre 1852, das erste nach dem Tod von Ernst August. Das habe ich damals beinahe auswendig gelernt. Wenn Sie wissen wollen, wie viel Pferde, Kühe, Schweine, Schafe und Ziegen im Jahr 1851 im Bezirk Lesum-Schönebeck registriert sind, dann fragen Sie mich.

Es kommt auch viel Hannover in meinem Blog vor, vom Pinkelprinzen bis zu Hannover 96. Viele Posts haben mit der englischen Geschichte zu tun, weil England und Hannover in Personalunion verbunden sind, und hannöversche Truppen überall auf der Welt für England kämpfen. Mehr dazu finden Sie in den Posts Hannover siegt, der Franzmann liegtMinden, Hoya und Besucher. Der Post Hannover hatte in meinem ersten Jahr beinahe fünftausend Leser. Von solchen Posts gibt es viele, es gibt aber auch Posts, die mehr als zwanzigtausend Leser haben. Das sind zum Beispiel Cricket, Morning Coat und Sommerurlaub, die erste Kurzgeschichte, die ich in meinem Leben schrieb.

Auf den Post Hannover aus dem Jahre 2010 muss ich noch einmal zurückkommen, weil ich da zwar die dänische Königin Caroline Mathilde (hier ist sie im Alter von vier Jahren, von Liotard gemalt) erwähnt habe, aber eine andere dänische Königin ausgelassen habe. Nämlich die Juliane Marie von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern, die am 4. September 1729 in Wolfenbüttel geboren wurde, die die zweite Frau von Frederik V war. Über Caroline Mathilde stand hier im Blog vor zwöf Jahren: 

Die Enkelin der Prinzessin Sophie in Ahlden, Caroline von Hannover (nein, nicht die Caroline aus Monaco), wird ein ähnliches Schicksal haben. Mit dem geisteskranken König von Dänemark verheiratet, flüchtet sie sich in die Arme von Johann Friedrich Struensee, dem Arzt und aufklärerischen Reformer. Per Olov Enquist hat mit Der Besuch des Leibarztes einen schönen Roman über ihr Schicksal geschrieben. Nachdem man Struensee hingerichtet hat (und alle Reformen rückgängig gemacht hat), verbannt man die Prinzessin. Nach Celle. Dort stirbt sie mit 24 Jahren, ihren Sarg stellt man neben den Sarg ihrer Urgroßmutter.

Den Roman Der Besuch des Leibarztes kannte ich kurz nach seinem Erscheinen. Weil ich den Übersetzer Wolfgang Butt kenne, das habe ich schon in dem Post Henning Mankell gesagt, wo ich auch ein Photo aus dem Film präsentierte. Und den ganzen Film mit Alicia Vikander und Mads Mikkelsen habe ich natürlich heute auch noch für Sie. Die Witwe des Königs Frederik V hat auch eine Rolle in dieser traurigen Liebesgeschichte. Ihre Vorgängerin, die Königin Louise, war beim dänischen Volk beliebt gewesen, nach ihrem Tod schrieb Klopstock das emphatische Gedicht Die Königin Luise. Auf die Juliane Marie von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern wird niemand ein Gedicht schreiben. Man hatte den König nach dem Tod seiner Frau in diese Ehe mit der Schwägerin Friedrichs des Großen gedrängt. Die Ehe war sehr unglücklich. Frederik wurde melancholisch und verfiel der Trunksucht, nach seinem Tod wird die gefühlskalte und machtbesessene Frau aus Wolfenbüttel den Doktor Struensee stürzen und Caroline Mathilde nach Celle expedieren.  

Aber Caroline, die man zehn Jahre, nachdem Liotard sie gemalt hatte, an den geisteskranken Dänenprinzen verheiratet hatte, ist nicht irgendjemand, den man herumschubsen kann. Ihr Bruder hatte einer geplanten noch früheren Heirat mit zwölf Jahren widersprochen, er macht sich ständig Sorgen um seine jüngste Schwester. Man hatte Caroline nach der Festnahme Struensees in Schutzhaft im Schloss Kronborg genommen, aber ihr Bruder wird Dänemark drohen, eine Flotte nach Kopenhagen zu entsenden. Ihr Bruder ist niemand anderer als George III von England. Man wird Caroline die Kinder wegnehmen, ihr aber nichts weiter antun. Das leerstehende Schloss in Celle wird für sie aufwendig renoviert. Sie wird dem Celler Hofleben eine kurze Blüte verleihen, drei Jahre nach ihrer Ankuft in Celle ist sie tot. Es ist eine traurige Geschichte. Man hat sie in Celle gemocht, kurz nach ihrem Tod hat der Lünebürger Adel den Maler und Bildhauer Adam Friedrich Oeser beauftragt, ein Denkmal für sie zu schaffen. Dies Bild hat der Maler Carl Daniel Voigts ein Jahr vor ihrem Tod von Caroline gemalt, es ist heute im Besitz der englischen Krone. Voigts hat, vielleicht um Caroline zu trösten, ihre Tochter mit auf das Bild gemalt, aber ihre Tochter Louise Auguste (die vielleicht das Kind Struensees war) hat sie nie mehr gesehen, seit sie Dänemark verlassen musste.

Dieser Voigts ist kein guter Maler, aber er ist ein ehrlicher Maler. Auf dieser Miniatur (im Museum von Frederiksborg) kann man sehen, dass sich Caroline Mathilde in Celle ziemlich viel Kummerspeck angefressen hat, das entspricht auch zeitgenössisschen Quellen. Dass da kein Segen auf der Ehe zwischen der englischen Prinzessin und dem dänischen Prinzen drauf liegen würde, das wussten die Passagiere des Schiffes, das Caroline Mathilde von England nach Dänemark brachte. Wir können das in Hans Christian Andersens Autobiographie Das Märchen meines Lebens lesen: Eine kleine Anekdote, sicherlich früher nicht aufgezeichnet, hörte ich hier, und da sie mich rührte und sich an die Geschichte der unglücklichen dänischen Königin Caroline Mathilde knüpft, füge ich sie diesen Blättern bei. Eine ältere Dame am großherzoglichen Hofe erzählte, daß ihr Vater an der Gesandtschaft, welche Caroline Mathilde, die Gattin Christian VII., von England abholen sollte, theilgenommen habe. Am Bord des Schiffes überraschte sie in der Nordsee ein Sturm. Die dänische und englische Flagge, die zu einer vereint auf dem Schiffe wehte, wurde durch einen Windstoß von der Stange gerissen und in zwei Stücke zerfetzt, jedes Stück eine selbstständige Flagge bildend. Es war gleichsam ein böses Zeichen, und Thränen traten in Caroline Mathildens Augen. Aber da ergriff sie schnell die getrennten Stücke, nahm Nadel und Faden, setzte sich auf das Deck nieder, wo die Wogen über sie dahin spritzten, und nähte die beiden Flaggen zu einer einzigen wieder zusammen

Man kann nicht alles zusammennähen. Nicht bei Prinzen und Prinzessinnen, und im wirklichen Leben auch nicht. Als Caroline Mathilde England verlässt, schreibt George III in einem Brief I think I can in no way so essentially show Caroline my real affection for her than to give her a few hints that may perhaps be a means of preserving her from the precipices into which she may also very probably fall. Sie wird in alle Abgründe fallen, die es gibt.

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