Dienstag, 9. August 2022

La Divina Commedia

Am 9. August 1854 ist der sächsische König Friedrich August von Sachsen in Tirol bei einem Kutschenunfall gestorben. Sein Bruder Johann folgte ihm als König nach. Dieser Johann hat noch ein zweites Leben, unter dem Pseudonym Philalethes (Freund der Wahrheit) war der Prinz Übersetzer gewesen. In den Jahren 1827 bis 1849 hat der Prinz an einer Übersetzung von Dantes Divina Commedia gearbeitet. 1821 war er zum ersten Mal in Italien gewesen, der Heimat seiner früh verstorbenen Mutter Caroline von Bourbon-Parma. In Pavia erwatb er ein Exemplar von Dantes Divina Commedia: Es wurden hier für die Studenten auf allen Gassen Bücher in Buden verkauft. In einer solchen Bude kaufte ich im Vorübergehen einen Dante in der Ausgabe von Biagioli. Das war der Anfang meiner Vorliebe für diesen Dichter, denn von da an las ich täglich während des Fahrens einen oder ein paar Gesänge mit Hilfe eines sehr unvollkommenen Handdictionaires und des gute Anleitung gebenden Commentars und brachte bis zum Schluß der Reise das ganze 'Inferno' fertig.

Es werden mehr als zwanzig Jahre vergehen, bis die dreibändige Gesamtausgabe Metrisch übertragen und mit kritischen und historischen Erläuterungen versehen von Philalethes bei der Arnoldischen Buchhandlung in Dresden und Leipzig erscheint. Der Prinz hatte Freunde und Helfer bei seiner Übersetzung, sein Dante Kränzchen, aus dem die Accademia Dantesca hervorging, trifft sich seit 1827. Zu dem Kreis gehören der Übersetzer Wolf Heinrich von Baudissin und der Dichter Ludwig Tieck. Immer dabei ist der Arzt und Maler Carl Gustav Carus, der auch der Leibarzt des Prinzen ist und der wohl die Übersetzung angeregt hatte. 

In dem verflossenen Winterhalbjahr hatte ich auch begonnen, einen Kreis geistreicher und gelehrter Männer um mich zu versammeln. Bei einer Tasse Caffee und einem Glas Negus kamen wir Abends bei mir zusammen. Es wurden in freier Unterredung die mannigfaltigsten Gegenstände besprochen und discutirt und von manchen Fachmännern interessante Mitteilungen entgegen genommen. Die Stunden gehören zu meinen angenehmsten Erinnerungen und sie gewähren mir zugleich den Vorteil, auf dem leichtesten Wege gewissermaßen die Blüte von manchem mir fremden wissenschaftlichen Kreis zu pflücken ... Zuweilen wurden auch Durchreisende Notabilitäten zu diesen Abenden eingeladen, z.B. Alexander von Humboldt, Friedrich von Raumer u.a.m. Um diese Zeit fing ich auch an, die Übersetzung des Dante wieder aufzunehmen. Nachdem die ersten zehn Gesänge des 'Inferno' vollendet waren, teilte ich sie einigen Personen, insbesondere Breuer und Förster mit, verbesserte manches nach ihrer Critik und kam bald auf den Gedanken, dieselben gewissermaßen als Probe, jedoch nur als Manuscript drucken zu lassen. 1828 erscheinen in einem auf eigene Kosten gedruckten Quartbändchen die ersten zehn Gesänge.

Die Lebenserinnerungen des Königs Johann von Sachsen: Eigene Aufzeichnungen des Königs über die Jahre 1801 bis 1854 sind von Hellmut Kretzschmar 1958 bei Vandenhoeck & Ruprecht neu herausgegeben worden. Der Schriftsteller und ehemalige Politiker Ingo Zimmermann hat das interessante kleine Buch Johann von Sachsen - Philalethes: Die Zeit vor der Thronbesteigung verfasst, das man noch preiswert antiquarisch finden kann. Im Internet gibt es eine schöne kleine Seite von Claudia Roch zu unserem adeligen Übersetzer.

Dantes Divina Commedia ist schon häufig in diesem Blog erwähnt worden, unter anderem auch in einem Post über deutsche Tatorte, der Nackt heißt. Aber das nur am Rande. Meine erste Begegnung mit Dante verdanke ich einem Nachbarn. Der Professor Hohnholz sagte mir: Dschunge, ich hab' gehört, Du liest so viel, gab mir einen kleinen Karton mit Büchern in die Hand und sagte: Musste mal sehen, ob Du was damit anfangen kannst. Es waren Bücher von Benedetto Croce und Karl Vossler. Ich konnte was damit anfangen. So habe ich Dantes Göttliche Komödie in der Übersetzung von Karl Vossler gelesen, über den Hugo Friedrich schrieb: Der hochgewachsene Schwabe mit dem bäuerlich kräftigen Kopf eines spanischen Caballero und den auffallend buschigen Augenbrauen blieb bis ans Ende den Erbtümern seiner Heimat treu: einem Idealismus, der hütet, was schön und nobel ist, und einer Nüchternheit, die alles Verstiegene, Übergescheite, Herausgeputzte mit dem Dolch des Sarkasmus erledigte. Das habe ich schon in dem Post über Leo Spitzer zitiert.

Hugo Friedrich war in der NSDAP, Karl Vossler, Träger des Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste, nicht. Der ehemalige Frontoffizier war national gesinnt, hatte aber mit den Nazis nichts am Hut. 1930 schrieb er: Für mich als Nichtjuden hat die Judenfrage nur diese einzige Beunruhigung: wie werden wir die Schande des Antisemitismus los, das sind so Sätze, die die Nazis nicht gerne hören, Vossler wurde 1937 zwangsemeritiert. 1945 holte ihn seine Universität aus dem Ruhestand zurück und machte ihn zum Rektor. Ich habe mit dem Romanisten Hugo Friedrich gewisse Schwierigkeiten, das habe ich in dem Post Gerhard Neumann (Dichter) gesagt, aber sein Buch über Montaigne aus dem Jahr 1949 verdient uneingeschränkte Anerkennung.

Auf diesem Bild von Delacroix sind Dante und Vergil in der Hölle. Und da müssen wir hin, denn hier beginnt die Göttliche Komödie. Die Übersetzung von Karl Vossler, die mir vertraut ist, findet sich hier im Volltext zusammen mit dem italienischen Original. Auf der Seite von operone finden wir auch eine Inhaltsangabe des Werkes von dem Bremer Bürgermeister und Übersetzer Otto Gildemeister und eine Auflistung der Übersetzungen. Die Übersetzung des Prinzen Johann ist leider nicht dabei, aber die hat das Projekt Gutenberg im Volltext. Hier werden allerdings die Vorrede des Verfassers und die zahlreichen Anmerkungen des Prinzen Johann weggelassen, aber die habe ich hier in dieser Ausgabe des Teubner Verlags aus dem Jahre 1904. Dem Teubner Verlag in Leipzig erteilte Johann, mittlerweile König von Sachsen, 1865 die Erlaubnis für eine neue, durchgesehene und berichtigte Ausgabe. Sie ist auch die Basis für die Ausgabe von 1904. Man kann sie noch antiquarisch kaufen. Oder hier lesen. Kann man immer noch gut lesen. Man wird den Philalethes aus Sachsen nicht vergessen. Der Dichter Jean Paul hat, nachdem er dem König vorgestellt worden war, gesagt: Die Welt muß Einem immer lieber werden, da es Prinzen giebt von solchem Geist, sanften Kenntnissen und Gesinnungen wie ich heute Einen kennen gelernt habe.

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