Donnerstag, 1. August 2019
Hannover siegt, der Franzmann liegt
Nein, wir reden heute nicht über Hannover 96. Wenn Sie Uwe Seeler Fan sind, dann müssen Sie den Post Hannover 96 unbedingt lesen, aber wir reden heute einmal über die Weltgeschichte. Denn heute vor 260 Jahren war der vielleicht wichtigste Tag in der englischen Geschichte. Das sagt zum Beispiel der Historiker Frank McLynn in seinem Buch 1759: The Year Britain Became Master of the World. Wir sind im Siebenjährigen Krieg, den die Engländer den French and Indian War nennen. Sie kämpfen nicht nur in Europa gegen die Franzosen, auch Amerika ist Kriegsschauplatz. Wo ein junger Oberstleutnant namens George Washington in englischen Diensten steht.
Ich habe mir diesen Titel Hannover siegt, der Franzmann liegt für den Jahrestag der Schlacht bei Minden nicht ausgedacht. Das ist eine Kantate, die Georg Philipp Telemann auf den Sieg der Alliierten geschrieben hat. Denn es sind die Hannoveraner unter dem Oberbefehl des Herzogs Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg, die die Schlacht entscheiden werden. Den Herzog hatte im Jahr zuvor Friedrich der Große mit den Worten Je n'ai fait que ce que je dois, mon cher Ferdinand zum Feldmarschall ernannt. Der englische König George II verleiht dem Herzog den Hosenbandorden, in dessen Ornat er sich von Johann Georg Ziesenis malen lässt. Neben dem Hosenbandorden erhält er vom König auch noch 20.000 Pfund Sterling, nach heutigem Wert sind das Millionen.
Die Engländer hatten wenig Glück mit ihren Generälen, die sie nach Europa in den Krieg schicken. Zuerst ist da der Duke of Cumberland, über den Wilhelm Raabe in Hastenbeck schreibt: »Es ist mein Sohn, der mich zu Grunde gerichtet und sich selbst beschimpft hat.« Der dies Wort sprach, war der alte, nahezu siebzigjährige Kurfürst von Hannover und König von Großbritannien und Irland, Georg der Zweite, der Sieger von Dettingen, und sein Aufschrei fand einen zustimmenden Widerhall durch ganz Europa, vom Felsen Kalpe bis nach Asien hinein, und jenseits des Atlantischen Ozeans bis tief in die amerikanischen Urwälder. Wieder einmal war ein unbekannter Ort zu einem Namen in der Weltgeschichte gekommen, diesmal zu einem übelberüchtigten. Der dicke Cumberland unterzeichnet ohne Not die Konvention von Zeven und gibt Hannover den Franzosen preis.
Einer von Cumberlands Nachfolgern ist der Viscount Sackville, der hat zwar nicht wie Cumberland den Oberbefehl über die alliierten Truppen, aber er kommandiert alle englischen Truppen. Und widersetzt sich am 1. August 1759 den Befehlen des Feldmarschalls Ferdinand, er erscheint mit den 24 Schwadronen seiner Kavallerie erst auf dem Schlachtfeld, als der Kampf vorbei ist. Der Herzog von Braunschweig schreibt ihm einen netten Brief, Sackville wird alle Posten los. Die Führung der englischen Truppen übernimmt nach der Schlacht von Minden der Marquess of Granby (hier auf einem Portrait von Ramsay). Da hatten die Engländer endlich einen richtigen Helden. Im nächsten Jahr wird er eine dreifache Übermacht von Franzosen schlagen. Er verliert dabei im Angriff Dreispitz und Perücke, angeblich geht die Bedeutung von bald-headed als in a rush without care or caution auf ihn zurück.
Ein Kriegsgericht wird 1760 feststellen, Sackville sei unfähig, seiner Majestät in irgendeiner militärischen Funktion jedweder Art zu dienen. Das Urteil des Kriegsgerichts wird, so will es der König, jedem englischen Regiment vorgelesen: It is his majesty's pleasure that the above sentence be given out in public orders, not only in Britain, but in America, and every quarter of the globe where British troops happen to be, that officers, being convinced that neither high birth nor great employments can shelter offences of such a nature, and that, seeing they are subject to censures worse than death to a man who has any sense of honour, they may avoid the fatal consequences arising from disobedience of orders. Sein arrogantes Auftreten vor Gericht hat ihm keine Freunde gemacht, den Kriegsgerichtsprozess hat er selbst gewollt, obgleich ihn Juristen gewarnt hatten. Er hätte ebenso wie Admiral John Byng zwei Jahre zuvor wegen Feigheit vor dem Feind hingerichtet werden können.
Nun sollte man meinen, dass das das Ende der Karriere von Lord George Sackville ist, aber er kommt wieder. Als Secretary of State for the Colonies im Kabinett von Lord North und wird mitverantwortlich dafür sein, dass England seine amerikanischen Kolonien verliert. Im Jahre 1776 lässt er sich von George Romney in einer Siegerpose malen. Als ich den Post Verrat über den amerikanischen Verräter Benedict Arnold schrieb, war dieser Brief von ihm an Sackville noch nicht im Netz, den gibt es heute dazu. Da verhandelt ein amerikanischer General, der gerne ein englischer General sein möchte, mit einem ehemaligen englischen General, der seinen Rang wegen Feigheit verloren hat. Ist schon pikant. Die geniale militärische Begabung von Sackville zeigt sich auch in der Unterstützung von General Burgoynes amerikanischem Abenteuer, das bei Saratoga mit dem Verlust einer ganzen englischen Armee endet.
Wenn wir Sackvilles Kavallerie mal draußen vor lassen, dann gibt es an diesem Tag noch viele Engländer, Schotten und Waliser, die in den Dörfern rund um Minden von Holzhausen bis Hahlen tapfer kämpfen. Und die feiern heute den Minden Day, das tun sie am 1. August seit 260 Jahren. Vor zehn Jahren gab es in Minden ein re-enactment der Schlacht. Dichter haben die Schlacht immer wieder besungen, ob das Sidney Swinney mit The Battle of Minden: A Poem in Three Books oder Kipling mit The men that fought at Minden war, aber die Kantate Hannover siegt, der Franzmann liegt ist in Vergessenheit geraten. Man hätte sie heute in Hannover aufführen können, aber wir haben nicht die Traditionen, die die Engländer haben.
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