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Samstag, 26. Oktober 2019

danske piber


Diese Stanwell Pfeife habe ich gerade bei ebay ersteigert, es ist beinahe genau dasselbe Modell, das dreißig Jahre lang meine Lieblingspfeife war und jetzt leider zerbrochen ist. Holmbruch, knække hals, wie der Däne sagt. Die Pfeife war leicht und zierlich, genau das Richtige für den frühen Morgen, wenn ich zu Tippen anfange.

In den 1970er Jahren wurde Stanwell durch Werbespots von Loriot beworben, die mit dem Satz Drei Dinge braucht der Mann: Feuer - Pfeife - Stanwell endeten. Loriot selbst rauchte lieber Charatan als Stanwell oder Dunhill. Er war damals nicht der einzige, der die Werbebotschaft der 1948 von Poul Nielsen gegründeten dänischen Pfeifenfirma mit dem englischen Namen verkündete, das machte in Werbespots auch der berühmte Bremer Hans-Joachim Kulenkampff.

Die zierliche kleine Stanwell wäre auch etwas für Damen gewesen, vor einem halben Jahrhundert, als die dänischen Pfeifenfirmen England Konkurrenz machten, konnte man überall in Dänemark pfeiferauchende Damen sehen. Zur Zeit von Sören Kierkegaard gibt  es noch keine dänischen Pfeifenfabriken, dänische Zigarren schon. Als der Dandy Kierkegaard beginnt, Zigarren zu rauchen, ist das gerade in der dänischen Oberschicht chic geworden.

Tabak kam (wie Rohrzucker für die Herstellung von Rum) schon lange aus Dänisch-Westindien (hier Christiansted, die Hauptstadt von Saint Croix und Dänisch-Westindien). Im Geburtsjahr von Kierkegaard erlaubte der dänische König Frederik VI, dass auch in Dänemark Zigarren hergestellt werden durften. Handgefertigt natürlich. Man hatte in Dänemark schon seit dem 18. Jahrhundert in geringen Mengen Tabak angebaut.

Flensburg (damals noch dänisch) wurde, als 1778 das Monopol für die Kopenhagener Generaltabaks Handel-Direction fiel, zur Tabakstadt. Im Jahre 1809 verarbeiten die acht Flensburger Tabakfabriken 197.000 Pfund ausländischer Rohtabake. 1846 werden 344.000 Pfund Tabak und 6,3 Millionen Zigarren hergestellt. An dieser Zahl kann man ablesen, wie schnell das Zigarrenrauchen beliebt wurde.

Nach dem deutsch-dänischen Krieg von 1864 verlor Flensburg als Tabakstadt jede Bedeutung. Für das Jahr 1888 schätzte ein Autor, dass in Dänemark immerhin noch 125.000 Kilo Tabak aus eigenem Anbau auf den Markt kamen. Im Zweiten Weltkrieg war man für die Eigenproduktion dankbar. Auf Fünen gibt es noch eine alte Tabaksscheune (Bild), die heute ein Museum ist. Und ein bisschen Tabak baut man daneben auch noch an.

1958 kaufte, statistisch gesehen, jeder Däne 209 Zigarren oder Zigarillos im Jahr, rauchte 1.035 Zigaretten dänischer Herstellung und verbrauchte 0,55 kg Tabak. In einer Internetquelle habe ich gelesen, dass damals eine Million dänischer Pfeifen hergestellt wurden. Da bin ich mir nicht so ganz sicher, bei den anderen Zahlen schon, die stammen aus einem 900-seitigen Dänemark Buch, das das dänische Außenministerium herausgegeben hat. Das Bild hier zeigt den Showroom von Den Permanente, einem unglaublichen Laden, der gleichzeitig eine Art Museum für das dänische Design war. Als ich Anfang der sechziger Jahre eine Woche in Kopenhagen war, war ich mehrmals in diesem Paradies des modernen Designs. Habe sogar etwas gekauft, das heute immer noch auf der Fensterbank in meinem Wohnzimmer steht.

Denn Design, von der Architektur (wie Arne Jacobsens Fabrik für Carl Christensen) bis zum Gebrauchsdesign, kommt jetzt aus Dänemark (und vielleicht noch ein wenig aus Schweden), wir kennen das von den dänischen Möbeln, die heute manchmal noch bei Bares für Rares erstaunliche Preise erzielen. Weltweit natürlich mehr als bei Horst Lichter, ein Chieftain Armchair von Finn Juhl kann mal schon fünfstellige Preise erreichen. Während bei uns in den fünfziger Jahren noch ein Möbelstil zu finden ist, den man manchmal liebevoll als Gelsenkirchener Barock bezeichnet, ist das dänische Design einfach cool. Damit Sie sich in die Zeit zurückversetzen können klicken Sie doch hier mal eben das Dave Brubeck Quartet mit Wonderful Copenhagen an.

Man erkennt es auf den ersten Blick, auch wenn nicht wie hier Christine Keeler auf einem Stuhl von Arne Jacobsen sitzt. Die Pfeifen, die jetzt in Dänemark entstehen, sind ein Teil des skandinavischen Designwillens. Ende der fünfziger Jahre tauchen zum ersten Mal Bruyerepfeifen bei einer Ausstellung der Dänischen Gesellschaft für Kunsthandwerk auf. Die meisten der prämierten Modelle stammten von Gert Holbek, der zuvor für Poul Rasmussen und das Kopenhagener Pfeifengeschäft Pipe-Dan gearbeitet hatte.

Damals gab es das Geschäft von Wilhelm Øckenholt Larsen in der Strøget von Kopenhagen noch, ein Mekka der dänischen Pfeinraucher, aber die Firma W.Ø. Larsen gibt es heute nicht mehr. Wurde an Stanwell verkauft. Und die sind nicht mehr in der Stanwell Fabrik in Borup (wo es noch ein Stanwell Museum gibt), Stanwell Pfeifen kommen heute aus Italien. Auch die Pfeifen von Bari (Viggo Nielsen) sind jetzt Made in Italy. Das zweite große Pfeifengeschäft Kopenhagens Pipe-Dan musste schon Jahre vor W.Ø. Larsen schließen.

Aufgeben musste auch die von Karl Robert Kris gegründete Firma Kriswill, die ursprünglich einmal Kriswell hieß, was der Firma Stanwell wegen der Namensähnlichkeit nicht so gut gefiel. Kriswill Pfeifen zeigten häufig noch mehr Design als die Pfeifen von Stanwell. Wie diese hier, die ich besitze. Neben Handmade und Denmark findet sich auf ihr der Name Bernadotte. Damit ist nun nicht Napoleons Marschall gemeint, sondern der Industriedesigner Sigvard Bernadotte, ein Sohn des schwedischen Königs Gustav VI. Adolf, der für die Firma Kriswill als Designer arbeitete. Auch nach der Pleite von Kriswill gibt es heute wieder Kriswill Pfeifen, die deutsche Firma Dan Pipe Dr Behrens KG hat den berühmten dänischen Pfeifenmacher Poul Winsløw gewinnen können, dass er für sie eine Kollektion von Pfeifen entwirft.

Wenn Hägar der Schreckliche Pfeife geraucht hätte, dann hätte seine Pfeife wahrscheinlich so ausgesehen. Diese Freehand Pfeifen tauchen Anfang der siebziger Jahre auf dem Markt auf und verkaufen sich wie geschnitten Brot. Vor allem nach Amerika. In einem Katalog von Dunhill aus dem Jahre 1972 (den ich sorgfältig aufbewahrt hatte) finden sich drei Freehand Pfeifen. Die wesentlich teurer sind als die teuersten Straight Grain Pfeifen von Dunhill.

Dunhill wird sogar eine eigene Firma namens Harcourt gründen, wo der junge Preben Holm seine Träume von Pfeifen verwirklichen kann. Zwei Pfeifen von Preben Holm sind auch auf dem Cover des kleinen Buches von Paul C. Olrik (Mitte unterste Reihe). In einer sehr schönen Bibliographie (leider nur auf Dänisch) wird er als der grand old man der Literatur von Tabak und Pfeifen bezeichnet, das war er sicherlich. Das kleine Buch Piberygerens ABC, das mir mal ein netter dänischer Händler geschenkt hat, ist sehr nützlich für alle, die mit dem Pfeiferauchen beginnen wollen.

Diese Freehand Pfeife trägt den Markennamen von Ben Wade und den Zusatz Hand Made in Danmark. Ich besitze ein halbes Dutzend Ben Wade Pfeifen, auf denen aber aber immer Made in London England lesen kann. Jetzt ist die Firma pleite, und der Markenname ist nach Dänemark verkauft worden, es ist viel Bewegung auf dem Pfeifenmarkt. Ich finde diese Freehand Pfeifen, die es heute noch zu teuren Preisen gibt, ganz furchtbar, ich war nie in Versuchung so etwas zu kaufen.

Die bizarren Formen der Pfeifen standen im völligen Gegensatz zu dem minimalistischen modernen dänischen Design der fünfziger und sechziger Jahre, das zugleich mit vielen Pfeifenfabriken sein Ende findet. Von da an gibt es im Industriedesign nur noch Kopien (auch der Stuhl, auf dem Christine Keeler sitzt, ist eine Kopie) und Kommerz. Die Pipedia, eine Art Wikipedia für Pfeifenraucher listet 167 dänische Markennamen und Pfeifenmacher auf, viele davon sind inzwischen Geschichte. Wie W.Ø. Larsen, von denen diese Pfeife (eine meiner beiden Larsen Pfeifen) stammt. Keine klassische Pfeifenform, aber doch schön, und vielleicht ein Höhepunkt des dänischen Designs.

Das Rauchen ist eine rituelle Angelegenheit, die man am besten in der Gesellschaft von Freunden und Bekanten ausführt, damit es so richtig hyggelig wird. Es gab das Tabakscollegium vom König Friedrich, es gibt noch das Bremer Tabak Collegium. Und auch zur Bremer Schaffermahlzeit werden noch Tonpfeifen gereicht. Bevor man entdeckte, dass der Tabak am besten aus Bruyerepfeifen schmeckt (um 1880 wurden in Saint-Claude die ersten Pfeifen aus der Erica Arborea hergestellt), wurden Pfeifen aus allen möglichen Materialien hergestellt. Wir wissen nicht, wie den dänischen Künstlern, die Constantin Hansen 1837 in Rom gemalt hat, ihre türkischen Chibouk Pfeifen geschmeckt haben. Wenn sie Glück hatten, waren die Köpfe aus Meerschaum, einem Material, das heute noch für Pfeifen Verwendung findet. Aber es ist kein Zufall, dass die Herren (wie auch die Fischer in Skagen auf dem Bild von Michael Ancher im fünften Absatz) Pfeife rauchen. Es verbindet sie.

Lange Zeit waren Pfeifen mit Köpfen aus Porzellan oder Keramik die einzigen Pfeifen auf dem Markt, schon im 18. Jahrhundert hatte man in Meißen und bei Josiah Wedgewood solche Pfeifen im Programm. Die Köpfe, die häufig reich verziert waren, wurden sehr heiß, weshalb diese Pfeifen einen sehr langen Stiel haben. Deutschland war ein großer Markt für diese Pfeifen, sogenannte Reservistenpfeifen tauchen immer wieder auf Auktionen auf. Es gibt die Porzellanpfeifen allerdings wie hier auch in moderner Form. Denn die Kongelige Porcelænsfabrik, besser bekannt als Royal Copenhagen, hatte dem dänischen König zum siebzigsten Geburtstag zwei solcher Pfeifen geschenkt. Die Produktion wurde noch für fünfzehn Jahre beibehalten, man findet die Produkte noch in Antikläden und im Internet.

Der dänische König (der schon in dem Post Des Königs Jaguar auftaucht) raucht Pfeife, der Mann neben ihm, der 1964 Kopenhagen besuchte, nicht. Zum Pfeifenrauch haben Frederik seine Ärzte geraten, um den Kettenraucher von den Ziggis wegzubringen. Ziggis raucht seine Tochter Margrethe immer noch, sie kann das nicht lassen. Frederik hatte sogar eine eigene Tabakmischung, die immer noch von Poul Olsen hergestellt wird. Die Pfeifensammlung des Königs kann heute noch im Schloss Amalienborg besichtigt werden. Seit Frederik VI das Zigarrenrauchen für die Aristokratie gesellschaftsfähig gemacht hatte, ist der Tabak mit dem dänischen Königshaus verbunden.

Tabak kommt immer noch aus Dänemark, die Scandinavian Tobacco Group mit Sitz in Kopenhagen ist der größte Tabakhersteller der Welt. Auch wenn auf den Dosen englische Namen wie Orlik, Peterson oder Dunhill stehen, es kommt alles von der SGT. Wenn es auch keine großen Fabriken wie die von Stanwell mehr in Dänemark gibt, Pfeifenmacher, die unter ihrem eigenen Namen oder für eine andere Firma arbeiten, gibt es noch genug. Zu dem Thema gibt es hier einen schönen Artikel von Jakob Groth zur Geschichte der dänischen Pfeifen.

Poul Nielsen hatte während des Zweiten Weltkriegs seine Firma Stanwell gegründet, weil man von dem englischen Markt abgeschnitten war. In Ermangelung von Bruyereholz wurden die Pfeifen zuerst aus Buchenholz gefertigt. Nach 1948 hatte man wieder genügend Bruyereholz, und Stanwell stieg mit seinen Pfeifen, die durch ihr Design und ihren Preis bestachen, zu einem ernstzunehmenden Konkurenten der Engländer auf. Über die redet heute kaum noch jemand, und nach dem Brexit werden sie vielleicht ihre letzte Bedeutung verlieren.


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