Nein, ich rauchte damals eigentlich keine Ziggis. Aber die Frau, die dieses Photo gemacht hat, hat mir eine Zigarette in die Hand gedrückt und gesagt, ich würde mit einer Zigarette im Mund auf dem Photo unheimlich cool aussehen. Damals, als ich so unheimlich cool aussah, war ich gerade wissenschaftliche Hilfskraft bei einem Professor geworden, der neu an der Uni war. Ich lernte schnell, dass meine wichtigste wissenschaftliche Aufgabe darin bestand, den TK93 Tabak bei Trennt zu kaufen.
Der Professor war aus dem Rheinland nach Kiel gekommen, er war ziemlich berühmt. Auf jeden Fall erzählte er gerne, dass er ziemlich berühmt sei. Er rauchte Pfeife, und als Pfeiferaucher hatte er natürlich schon von dem bekannten Tabak TK93 von Tabac Trennt gehört, den die Firma an Liebhaber in der ganzen Welt verschickte. Der Spruch Jeder Smöker hett sin Höker, De watt kennt swört op Trennt war offenbar bis Köln gedrungen.
Geschichten dieser Art gab es im Ort damals zuhauf, Karl-Heinrich Trennt, der Kieler Hüter der Tabakkultur, war unnachgiebig gegenüber Kunden, die seiner Meinung nach guten Tabak nicht würdigten und billige Zigaretten rauchten. Ich habe das schon in dem Post Tabac Trennt erwähnt. Im Gegensatz zu dem oben erwähnten Professor bin ich mit Herrn Trennt immer gut ausgekommen, und mit seinem Sohn Jochen-Gunnar Trennt wird kein Kunde Schwierigkeiten haben, der ist wirklich sehr nett. Und er sorgt gerade dafür, dass eine meiner alten Dunhill Pfeifen repariert wird.
Und da ich bei berühmten Läden bin, die es nicht mehr gibt, muss ich noch eben Astley's erwähnen, die früher in der Nummer 109 der Jermyn Street residierten. Die New York Times schrieb in ihrem Artikel A Gentlemanly Stroll On Jermyn Street über das Geschäft: For a postprandial smoke, Astley's, a specialist in pipes, is next door. The store was established in 1862, and if there be such a thing as a pipe museum this is it: an extraordinary collection of weird and antique smoking equipment of every conceivable shape and figuration. Astley's ließ sich seine Pfeifen von Charatan und Dunhill liefern, aber deren Namen fand man nicht auf den Pfeifen. Da steht nur Astley's und die Anschrift des Ladens. Dieses Jermyn Street 109 findet sich übrigens auch auf ihrer Zweitmarke, die Tudor Rose heißt.
Das hier ist eine Straight Grain Pfeife von Astley's, man nennt diese Pfeifen so, weil sie eine völlig parallel laufende Maserung des Bruyere Holzes haben. Das ist, wie bei Pfeifen auf denen flame grain oder birdseye steht, ein Zufallsprodukt, eine Laune der Natur. Ich habe Anfang der siebziger Jahre für meine Astley's Straight Grain hundert Pfund bezahlt, fragen Sie mich nicht, wo damals das englische Pfund stand. Aber es ist eine gute Pfeife, und sie sieht nach über vierzig Jahren immer noch gut aus. Es ging natürlich auch billiger, der kleine Händler in Sussex, der in der Sunday Times Straight Grain Pfeifen zweiter Wahl anbot, schickte mir eine erstklassige Pfeife ohne Herstellernamen für zwei Pfund fünfzig. Die nach Jahrzehnten immer noch perfekte rygeegenskaber hat.
Kapitän Ernst Biet, den ich nur mit einer Pfeife im Mund kannte, hat mir mal gesagt, dass ich mir lieber eine Charatan als eine Dunhill kaufen sollte. Ich habe auf ihn gehört, es war kein schlechter Rat. Dunhill hat irgendwann die Firma Charatan geschluckt und sie seinem Dunhill-Parker-Hardcastle Imperium einverleibt, zu dem auch die Masta Pipes gehörten, die der alte Trennt so gerne den Neulingen des Pfeifenrauchens verkaufte. Parker und Hardcastle entwickelten sich zu eigenen Firmen, die nichts mehr mit der Dunhillschen Resteverwertung zu tun hatten.
Wenn man ein Antiquariat, wie zum Beispiel das von Eschenburg, betritt, dann kann man sicher sein, dass der Besitzer des Geschäftes etwas von Büchern versteht und man sich auf seinen Rat verlassen kann. Pfeifenläden sind ähnlich wie Antiquariate, ihre Besitzer prägen die Atmosphäre des Ladens, man kann gut mit ihnen reden, ein wenig fachsimpeln, Neues erfahren, selbst wenn man nur eine Packung Pfeifenreiniger kauft.
Das hier ist Herbert Motzek, der den neben Trennt zweiten erstklassigen Laden in Kiel hatte. Er hatte bei berühmten dänischen Pfeifenmachern wie Viggo Nielsen und Poul Winslow gelernt, war mit einer Dänin verheiratet und hatte immer eine kleine dänische Flagge vor seinem Laden stehen. Obgleich ich eigentlich Kunde von Trennt war, habe ich jahrelang bei Herbert Motzek Tabak gekauft. Eine seiner eigenen Mischungen mit viel gelbem Virginia Tabak, die gibt es wahrscheinlich heute immer noch. Den Tabak, den sich Günter Grass bei Motzek bestellte, gibt es wahrscheinlich auch noch.
Herbert Motzek hat sich vor vier Jahren in den Ruhestand verabschiedet, aber er hat mit Thomas Darasz einen Nachfolger gefunden, der auch Pfeifenmacher ist. Der Danebrog ist immer noch vor dem Laden, und es hat sich wenig geändert. Thomas Darasz hat eine große Internetpräsenz, und wahrscheinlich geht das Geschäft mit Pfeifen und Tabak immer mehr ins Netz. Das schon voll ist mit gebrauchten Pfeifen. Die nicht als gebrauchte Pfeifen angeboten werden, sondern estate pipes heißen. Klingt großartig, ist eine neue Bedeutung von estate, die das englische Lexikon bisher so nicht kannte. Eine stark gebrauchte, ungereinigte Dunhill Pfeife fängt preislich bei ebay bei 100 € an, dazu sage ich lieber nichts.
In dem Geschäft mit estate pipes ist auch Stefan Kyselka aus Altenholz bei Kiel, der allerdings auch Pfeifenmacher ist. Gegen eine fachmännisch aufbereitete Pfeife ist im Grunde nichts zu sagen, wenn sie ein neues Mundstück bekommen hat. Den berühmten weißen Punkt, um den Dunhill und Vauen in den zwanziger Jahren einen erbitterten Prozess führten, kann man auch anbringen lassen. Das einzige Risiko ist, dass der Vorbesitzer mal Erinmore Tabak geraucht hat, den furchtbaren Geschmack bekommt man nie wieder aus der Pfeife.
Viele Läden, die Pfeifen verkauften, sind mittlerweile aus der Stadt verschwunden: Pfeifen Schulz neben den Kieler Nachrichten, der das Fenster voller goldener Dupont Feuerzeuge hatte und Charatan Pfeifen anbot, ist weg (ich habe hier ein Bild vom Abriss des Ladens). Krüger & Oberbeck in der Holstenstraße, die preiswerte englische Willmer Pfeifen (die sehr gut waren) verkauften, gibt es nicht mehr. Lorinki (Lorenz Ingwersen) in der Küterstraße war einmal erstklassig sortiert, was dänische Pfeifen betraf, nach dem Tod des Besitzers ist der Laden nur noch ein Schatten seiner selbst. Tabak Waister, Ihr Fachgeschäft im Norden Kiels, ist einer Immobilienspekulation zum Opfer gefallen.
Uhrmacher gibt es nicht mehr. Auch viele Buchhandlungen sind aus der Stadt verschwunden, alles wird ins Internet verlagert. Auf den Flohmärkten landet nur noch besserer Hausmüll, alle guten Dinge finden sich bei ebay. Dass ich damals die schöne BBB Pfeife auf dem Flohmarkt gefunden habe, ist auch schon zwanzig Jahre her. Die Alltgskultur wird viral, man könnte wieder einmal Petronius zitieren: Si bene calculum ponas, ubique naufragium est. Motzek gibt es seit über vierzig Jahren, Trennt kann im nächsten Jahr sein 150. Jubiläum feiern. Seien wir dankbar, dass es diese Läden noch gibt.
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