Seiten

Samstag, 11. Juli 2020

Flensburg


Das Bild ist hier nur als Amuse Gueule gedacht, Sie wissen, ich liebe so einen kleinen fetzigen Aufmacher am Anfang. Wir werden aber im Laufe des Posts noch seriös. Diese junge Dame hat etwas mit Flensburg zu tun, sie ist da geboren worden. Ist mit ihre Eltern als Kind nach Amerika ausgewandert und ist bei dem Pionier das Pornofilms Lasse Braun ein Pornostar geworden. Ist aber schon lange aus dem Geschäft raus. Wir bleiben noch mal eben bei dem Thema, denn Flensburg war lange Zeit dank Beate Uhse die Hochburg des deutschen Erotikversandhandels. Der Firma geht es heute nicht mehr so gut, die Pornographie hat sich ins Internet verlagert.

Im Wikipedia Artikel zu Flensburg wird Brigitte Maier nicht erwähnt, da heißt es über die Stadt im Norden: Bundesweite Bekanntheit erlangte die Hafenstadt durch die vom Kraftfahrt Bundesamt gespeicherten 'Punkte in Flensburg', den Erotikversandhandel von Beate Uhse, das Flensburger Bier und den Handballverein SG Flensburg-Handewitt, international durch den Sitz der letzten Reichsregierung 1945 unter der Leitung von Karl Dönitz im Stadtteil Mürwik. Faktoren wie der Rumhandel und militärische Einrichtungen, etwa der Marinestützpunkt Flensburg-Mürwik, die das Wachstum der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert prägten, spielen heute nur noch eine unwesentliche Rolle.

Auch wenn der Rumhandel, wie es hier heißt, heute nur noch eine unwesentliche Rolle spielt, gibt es ihn immer noch. Er ist seit dem 18. Jahrhundert eine Konstante, die Flensburg groß gemacht hat. Und das hat etwas damit zu tun, dass Flensborg eine dänische Stadt ist (und erst durch die Volksabstimmung von 1920 endgültig zu Deutschland kommt), und weil Dänemark in der Karibik Kolonien hatte. Vor einigen Jahren hat man in Flensburg mit der Ausstellung Rum, Schweiß und Tränen im Flensburger Schiffahrtsmuseum auf diesen Aspekt des dänischen kolonialen Erbes hingewiesen.

Es war nicht die erste Ausstellung zu dem Thema. Zwanzig Jahre nach der Veröffentlichung des Buches des Kieler Professors Christian Degn Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel: Gewinn und Gewissen (1974), hatte Dieter Lohmeier, der Leiter der Schleswig Holsteinischen Landesbibliothek, eine große Ausstellung im Kieler Schloss organisiert: Sklaven-Zucker-Rum: Dänemark und Schleswig-Holstein im Atlantischen Dreieckshandel.

Der Rum und Flensburg sind in diesem Blog schon mehrfach erwähnt worden, es gibt schon einen Post, der Rum heißt. Und einen anderen, der Smit heißt, weil der Däne Erik Niels Smit im Jahre 1666 die erste dänische Flagge auf der Karibikinsel St Thomas gehisst hat. Und in dem Post über Gottfried Benns Bremer Brieffreund Oelze ist auch die Rede von Rum. Denn Oelzes Mutter wurde in Kingston geboren, der Stadt, die Harry Belafonte mit Jamaica Farewell in unsere Köpfe gebracht hat. Oelzes Großvater F. A. Ebbeke hatte da 1865 Zuckerrohrplantagen erworben und eine Rumfirma aufgemacht. In dem Post Benn & Oelze habe ich geschrieben: Ist die Kulturgeschichte des Rums wirklich schon geschrieben? Die mit yo-ho-ho, and a bottle of rum!, Admiral Vernon und Lord Nelson im Rumfass? Und diesem sauteuren Rum, den mir Volker von einem Segeltörn aus der Karibik mitgebracht hat?

Eine kleine, immens lesbare, Kulturgeschichte des Rums ist gerade geschrieben worden ist. Das Buch heißt Rund um Rum, der Verfasser ist Hannes Hansen. Der Kieler Schriftsteller wurde in diesem Blog zuerst in dem Post Schwarzenbek erwähnt, da findet sich auch die Geschichte mit Louis Armstrong, der in Schwarzenbek die leckeren Bratkartoffeln aß. Ich habe Hannes Hansen auch in dem Post sattes Gelb vorgestellt, weil sein Roman über seine Heimatstadt Potsdam damals gerade erschienen war. Obgleich ich Hannes eher mit Rotwein und schottischem Whisky in Verbindung bringe, versteht er doch auch viel von Rum.

Susanne Grigull vom Flensburger Schiffahrtsmuseum schreibt in ihrem Vorwort: Der Autor dieses Buches, Hannes Hansen, bettet die Geschichte dieser Spirituose kurzweilig in ihrem historischen Kontext ein und leistet so einen wichtigen Beitrag. Nicht nur der Rum - auch Lektüre kann ein Genuss sein. Und historisch läßt der Autor nichts aus, auch nicht den Black Tot Day im Jahre 1970, an dem zum letzten Mal auf den Schiffen der Royal Navy Rum ausgeschenkt wurde. Dem war im Parlament die hitzige Great Rum Debate vorangegangen, aber man wollte das, was der Admiral Edward Vernon, den man auch Old Grog nannte, im 18. Jahrhundert eingeführt hatte, nicht länger beibehalten. Spuren von Admiral Vernon gibt es außer beim Grog heute immer noch. Die Londoner Portobello Road hat ihren Namen nach einer Seeschlacht, die Vernon gewann, und Washingtons Landsitz heißt immer noch Mount Vernon. Weil sein Bruder Lawrence, der unter dem Admiral Vernon gedient hatte, seinen Vorgesetzen so ehren wollte. Das wollte George Washington nicht ändern, als er den Landsitz erbte, er war ja noch Engländer, die halten es mit der Tradition.

Die Firma Johannsen Rum, die 1878 gegründet wurde, ist heute das älteste unabhängige Rumhaus in der Rumstadt Flensburg. Und sie ist auch eine der letzten Firmen, die noch in der Grenzstadt ansässig sind. Auf dem Höhepunkt des Westindienandels, als Flensburg auch eine Tabakstadt war (lesen Sie mehr in dem Post danske piber) waren es einmal 200 Rumhäuser, damals lief zehn Prozent des dänischen Westindienhandels über Flensburg. Davon ist wenig geblieben. Die 1738 gegründete Firma Herm. G. Dethleffsen (mit den Marken Asmussen, Balle, Hansen, Schmidt, Andresen und Sonnberg) wurde 1999 von der Firma Berentzen in Haselünne gekauft. Die Rum Marken Asmussen, Balle und Boddel sind 2015 von der Firma Nordbrand übernommen worden, die eine Tochter des Rotkäppchen Sektkonzerns ist. Die hatten auch schon die traditionsreiche Firma Eggers & Franke in Bremen geschluckt. Es ist viel Bewegung auf dem Spirituosenmarkt.

Man kann immer noch Geschäfte mit dem Rum machen. Im 18. Jahrhundert war es für manche noch leichter, mit Sklavenhandel und Ruminport sehr reich zu werden. Dieses Bild zeigt den jungen Grafen von Baudissin mit seinen Hunden und im Hintergrund einen schwarzen Lakaien, das Bild hängt heute im Landesmuseum Schleswig. Im Text dazu heißt es bei der Datenbank der schleswig-holsteinischen Museen: In der halbgeöffneten Tür im Hintergrund erscheint ein Schwarzer im Livree. Es ist der Kammermohr Christoph Tafeldecker, ein Geschenk des dänischen Schatzmeisters Heinrich Carl Schimmelman an seine Tochter Caroline Baudissin, ein von den Plantagen in der Karibik in den Norden verpflanzter Sklave. Er macht das scheinbar harmlose Idyll zu einem einzigartigen Dokument, denn nun verweist das Bild so sinnfällig wie kein anderes Gemälde auf die Tatsache, daß gerade die besonders reich ausgestatteten und stilvollen schleswig-holsteinischen Herrenhäuser Ahrensburg, Emkendorf und Knoop einen dunklen Hintergrund hatten: den Wohlstand, der auf den Schimmelmannschen Zuckerrohrplantagen in der Karibik mit Sklavenarbeit erwirtschaftet wurde.

Graf Heinrich Karl von Schimmelmann ist mit dem Sklavenhandel einer der reichsten Männer Europas geworden. Es ist ein klein wenig blöd gewesen, ihm 2006 in Hamburg-Wandsbek ein Denkmal hinzustellen. Wurde gleich mit roter Lackfarbe übergossen. Rot wie Blut. Das Denkmal ist inzwischen abgebaut worden. Denk mal! Sklaverei und Blut sind die dunkle Seite des Rums, Hannes Hansen lässt das alles nicht aus, während die meisten Bücher über den Rum die historische Dimension ausblenden. Man sollte dazu aber auch noch sagen, dass die Dänen die ersten sind, die Sklaverei und Sklavenhandel wieder abschaffen werden.

Hannes Hansen gelingt es mit seinem Buch Rund um Rum: Von der Karibik bis nach Flensburg. Die Geschichte eines Kultgetränks, die ganze Geschichte des Rums zu erzählen, er liefert keine geschönte Kinderbuchversion. Dafür sollte man ihm dankbar sein. Der Kammermohr Christoph Tafeldecker kommt natürlich auch in seinem Buch vor. Und noch vieles andere mehr. Auch, dass Kommissar Maigret von Zeit zu Zeit den Rum einem Cognac vorzieht. Dieses Werbeplakat, das sicher nicht politically correct ist, zeigt uns, dass auch Frankreich zu den Nationen gehört, die Rum importieren. Und Sklaven gibt es da auch. Wenn Sie den Post Sonnenbräune gelesen haben, werden Sie wissen, dass Hölderlin bei seinem Bordeaux Aufenthalt einen schönen Blick auf Frankreichs zweitgrößten Sklavenmarkt hatte.

Dieses Bild aus dem Jahre 1792 dagegen ist politically correct, es zeigt die Göttin Libertas: Liberty Displaying the Arts and Sciences von Samuel Jennings. Die blonde Göttin, die ihre phrygische Mütze auf einen Speer gesteckt hat, verteilt hier die Gaben von Kultur und Bildung an freie Schwarze. Ein erstes Bild der Emanzipation in Amerika (hier eine Interpretation zu dem Bild), eine schöne Utopie. Der Satz von Jefferson: We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the Pursuit of Happiness, hat lange gebraucht, bis er die schwarzen Amerikaner erreichte. Vielleicht ist das Bild auch heute noch immer eine Utopie.

Ich hatte gestern Besuch (ja, das geht wieder) von einer sehr geschätzten ehemaligen Kollegin. Sie fragte mich, woran ich gerade schriebe, ich sagte: Rum. Und holte diesen wunderbaren Rhum JM Vieux aus der Speisekammer. Sie nahm nur ein winziges Schlückchen, aber das wird sie nie vergessen. Denn der echte Rum aus der Karibik ist etwas anderes als der österreichische Stroh Rum oder der Rumverschnitt aus Flensburg. Wieder 2 Flaschen Rum! Herrliches Geschenk kubanischer Sonne oder wenigstens verwandten Lichtsschrieb Gottfried Benn 1941 an Oelze, sein Bremer Brieffreund hatte offenbar noch Reserven von seinen Karibikreisen im Keller. Der Rum, den er Benn schickte, war bestimmt so gut wie der Rhum JM Vieux gestern.


Noch mehr zu diesem Thema in den Posts: RumSmitGraf SchimmelmannLiberty GirlsEmily Ruete, Daniel Defoe, Roots, Sklavenschiff, Sklaverei, Amazing Grace, Harro Harring, DésiréeMauritius, Haiti

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen