Als ich zum ersten Mal über
Seiko Uhren schrieb, war ich überrascht, wie viel tausend Leser das lasen. Das war beim
zweiten Post nicht anders. Ich habe sowieso mittlerweile gemerkt, dass alles über Uhren meine Leser mehr interessiert als andere Themen. Auch wenn es jetzt schon ein wenig langweilig wird, schreibe ich noch einmal über die japanische Firma Seiko, weil ich meiner Sammlung in den letzten Monaten zwei neue Seikos hinzugefügt habe. Sie sind natürlich nicht neu, sie sind sechzig oder fünfzig Jahre alt, und das macht ihren Reiz aus. Weil Seiko sich in den sechziger und siebziger Jahren von einem drittklassigen Hersteller, der seine Handaufzugs- und Automatikwerke aus der Schweiz importieren musste, plötzlich zu einer Firma gewandelt hatte, die Chronometer herstellte, die den Vergleich mit Schweizer Uhren nicht zu scheuen brauchten. Das war die große Zeit von Seiko. Alles, was sie heute herstellen, hat seine Wurzeln in dieser Zeit. Eine gar nicht so kleine Anzahl der Uhrwerke der sechziger und siebziger Jahre ist bei Seiko mit leichten Veränderungen und geänderten Namen wieder aufgetaucht.
Ich hätte diese Uhr nicht gebraucht, aber ich gucke jede Woche bei
kleinanzeigen (die früher
ebay kleinanzeigen hießen) rein. Vor allem bei dem Händler, bei dem ich schon zwei Seikos mit großer Zufriedenheit gekauft habe. Der Händler ist sehr nett, er versteht auch sehr viel von Uhren. Und wir verstehen uns gut. Sie sehen im Hintergrund den Firmennamen Tokei Japan. Und da sah ich diese
Seiko Skyliner aus dem Jahr 1965, beinahe 38 mm groß. Handaufzug mit Kalender. Auf den Kalender war man damals stolz, das Wort
calendar musste aufs Zifferblatt.
War in Deutschland bei der
Dugena nicht anders, da kam auch das englische Wort aufs Zifferblatt. Aber die Dugena sieht nicht so gut aus wie meine Skyliner. Ich persönlich kann auf die Kalenderfunktion von Uhren gerne verzichten. Aber manchmal kriegt man das, was man haben will, eben nur mit einem Kalender. Wie die Seiko Skyliner da oben. Ist vom Design eher die kleine Schwester der
King und Grand Seikos der Endsechziger. Ich sah die Uhr, klickte ein halbes Dutzend Abbildungen an und dachte mir, ich muss sie haben. Weil sie so cool ist. Und weil sie meiner schönen
Seiko Champion 850 Seahorse so ähnlich ist. Das Seepferdchen hat sie auch auf dem Boden. Wahrscheinlich sollte das bedeuten, dass sie ein wenig wasserdicht ist. Auf dem Zifferblatt steht
waterproof. Dreißig und fünfzig Meter waren damals für Seiko die Norm. Die Schweiz setzte auf einhundertzwanzig Meter, erst dann schraubte die IWC die Fischli Krone auf die Uhr, und Tissot schrieb T12 aufs Zifferblatt.
Das Uhrwerk vom Kaliber 6222 hat einundzwanzig Steine und schwingt langsam mit 18.000 Halbschwingungen. Das Handaufzugswerk der Kaliberfamilie 62 wurde von 1963 bis 1973 hergestellt, danach gab es bei Seiko erst einmal keine Handaufzugswerke mehr. Das Werk sieht ein bisschen so aus wie das Handaufzugswerk der ersten
Grand Seiko. Es hat allerdings nicht dessen Feinregulierung, hat nicht einmal einen Rückerzeiger. Aber es hat schon ein bewegliches Spiralklötzchen und eine Diashock Stoßsicherung, die japanische Antwort auf Incabloc und
Kif Parechock. Die Uhr hat eine große Unruhe, die es schon 1959 bei dem
Kaliber 560 gab. Die Uhr wurde von Suwa Seikosha hergestellt, die auch die Grand Seiko bauten (und die 5600er Werke für die King Seiko des Konkurrenten Daini Seikosha lieferten). Vielleicht sieht sie deshalb wie eine kleine Schwester der Grand Seiko aus. Es ist die schönste Seiko, die ich je gesehen habe. Sieht aus wie eine alte IWC.
Es ist meine letzte Seiko, mehr brauche ich nicht. Ich habe jetzt ein halbes Dutzend, die Champion 850 und die
→Bell-Matic (das alte Modell, das noch keinen Handaufzug hat) sind die ältesten. Meine neueste Seiko ist neben der Skyliner eine Uhr, die dieses Werk hat. Das ist ein Automatikwerk mit dem Kaliber 5645-7000. Es hat 25 Steine, eine Feinregulierung für die Unruhe und eine zweite Feinregulierung für die Unruhspirale. Was man unter dem Rotor nicht sieht, ist die Aufschrift 5 POS TEMP.
Die Uhr ist in fünf Lagen und Temperaturen feingestellt (auf diesem Bild kann man es lesen), damit erhält man in der Schweiz ein Chronometerzeugnis. In Japan auch, und Seiko behauptet, dass die hauseigenen Prüfungsbedingungen viel rigider seien als die der Schweiz. Zumal Seiko die einzige Fabrik der Welt ist, die alle Einzelteile der Uhr (bis auf die Rubine der Lagerungen) im eigenen Haus herstellt. Wenn Sie in das Innere des Werkes schauen wollen: in diesem
✺Video nimmt ein Uhrmacher eine völlig versiffte Grand Seiko auseinander und baut sie nach der Reinigung wieder zusammen. Man kann etwas dabei lernen. Der Uhrmacher sagt mehrfach, dass der kugelgelagerte Automatikteil der Uhr ein bisschen überkonstruiert ist. Seiko wird dieses Werk auch nicht weiterbauen, vielleicht weil es überkonstruiert ist. Man baut einfachere Werke wie das
Nh35, das heute in allen
Seiko Mods drin ist.
Seiko ist ein Großproduzent, der zwölf Millionen Uhren und hunderttausende von Werken im Jahr herstellt. Das ist zwölfmal mehr als der Großproduzent
Rolex. Dessen Konkurrent Seiko mit seinen neuen
Grand Seikos geworden ist. Viele Fachleute sagen, dass diese Uhren besser als Rolex Uhren sind. Seiko hat die Firma Grand Seiko 2017 als komplett
eigenständige Marke aus ihrem Unternehmen ausgegliedert. Der Chef von Grand Seiko kommt aber aus der Familie Hattori, die seit 1881 die Firma Seiko besitzt. An den neuen Grand Seiko Modellen reizt mich nichts, aber auch gar nichts. Eine alte Grand Seiko aus dem Jahr 1970 wie diese hier, ist natürlich etwas ganz anderes. Sie ist vierundfünfzig Jahre alt, das Chronometerwerk, das in ihr ist, hat Seiko nach 1975 nicht weitergebaut. Da hatten sie längst ein anderes Uhrwerk erfunden, das die Schweiz beinahe in den Ruin trieb.
Ich rede von einer Quarzuhr mit der Referenznummer 3823-7001, die VFA auf dem Zifferblatt stehen hatte:
very fine adjusted. Genauer als der Grand Seiko Standard, der bei einer täglichen Abweichung von -3 / +8 Sekunden lag. Die Uhr kostete damals ein Mehrfaches einer Grand Seiko Automatik mit dem Kaliber 5645-7000. Sie können →
hier alles über das Quarzwerk lesen. Nach fünfzig Jahren bekommt man diese sensationellen Quarzuhren schon ziemlich preiswert; eine guterhaltene 70er Jahre Grand Seiko preiswert zu finden, ist dagegen ziemlich schwierig. Unter vierstellig geht da nix; die Sammler haben das inzwischen entdeckt, welche sensationelle Entwicklung die Suwa Seikosha und die Daini Seikosha im ständigen Konkurrenzkampf Anfang der siebziger Jahre zustande gebracht hat.
Von hinten sieht die GS aus wie all die Grand Seikos dieser Zeit, sie hat ein Goldplättchen mit dem GS auf dem Rücken. Aber wenn man sie umdreht und an den Arm legt, dann entspricht sie nicht mehr der Formgrammatik von Tanaka. Ein Händler preist das ziemlich seltene Modell mit den Worten an: This pristine Grand Seiko 56GS Ref.5641-7000 is also nicknamed Tamago 「たまご」or Egg in Japan due to its pebble-shaped case, it is a pretty unique reference from the 56GS line-up. You might think it's chunky at first glance but it is certainly not: The brushed casing and finely polished indexes and hands with a luminous white dial creates a delicate interplay of light that can only be fully appreciated by the person wearing it. The dial is also presented without a date, thus improving its symmetry and, in communion with the perfectly polished indexes, making this reference profoundly elegant.
Ihren Spitznamen
das Ei hat sich die Uhr sicherlich verdient. Die Uhr scheint wie ihr Uhrwerk ziemlich selten zu sein, wahrscheinlich war dies das letzte Grand Seiko Modell, bevor man die Linie aufgab. Die Form ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber die Uhr liegt sehr gut auf dem Arm. Sie wirkt auch durch ihre Form größer als sie ist. Man gewöhnt sich an sie. Was mich etwas stört, ist das kalkweiße Zifferblatt, das der oben zitierte Händler als
luminous bezeichnet.
→Zifferblätter sind inzwischen die große Sache bei Seiko, vor allem den neuen Grand Seikos. Da gibt es Schneeflocken,
Birkenrinden, Zifferblätter mit
Urushi Lack, aus
Shippo Emaille und
Arita Porzellan. Und mit
Brillis und Saphiren. Da merkt man, dass die Uhr doch aus einer anderen Kultur kommt.
Seiko hatte es nicht leicht, nach Deutschland zu kommen. 1962 hatte man einen Vertrag mit Kienzle unterzeichnet, der Seiko den Weg nach Deutschland ebnen sollte. Aber es blieb bei dem Vertrag, es wurde nichts draus (obgleich man alte Kienzle Uhren finden kann, die ein Seiko Werk haben). Das erste europäische Land, wo es Seiko Uhren zu kaufen gab, war Schweden. Die Uhren wurden dort über
Penn Specialten vertrieben, eine Ladenkette für Schreibwaren. Dort machten die Uhren in kurzer Zeit fünfzig Prozent des Umsatzes der Firma aus, und die änderte ihren Namen in
Ur & Penn. Heute verkaufen sie Citizen Uhren, da Seiko eine eigene Niederlassung in Schweden hat. Der japanische Riese Seiko ist in Deutschland mit Boutiquen in Hamburg und Frankfurt vertreten, die Revision einer Seiko Uhr hat den Einheitspreis von 238 €.
Seiko Uhren gibt es bei Christ, die die Marke so bewerben:
Seiko Uhren verkörpern die Bedeutung von Zeit, Präzision und Innovation. Jeder Moment, den man mit einer Seiko Uhr erlebt, kann zu einem unvergesslichen Erlebnis werden. Die Uhr am Handgelenk trägt die Seele der Tradition und den Geist der Zukunft. Seiko ist bekannt für seine fortschrittliche Uhrmacherkunst, die sich in jedem Detail widerspiegelt. Wenn man das glaubt, dann fragt man sich, wie man bisher ohne eine Seiko durchs Leben gekommen ist. Es gibt Seiko auch Online und bei vielen Juwelieren Deutschlands; hier im Ort könnte ich bei
Mahlberg (die in meinem Heimatort Bremen
Meyer heißen) für einige tausend Euro eine Grand Seiko kaufen. Aber das lasse ich lieber, ich habe schon gesagt, dass mir diese Neuauflage der alten GS nicht gefällt. Dieses Teil hier kostet 280.000 Euro, dazu würde der Lateiner
de gustibus nōn est disputandum sagen.
Dies ist eine Grand Seiko mit Birkenzifferblatt. Auch schön, wenn man
Birken liebt. Aber braucht man das? Man kann hierzulande auch wohl jedes gewünschte Modell bekommen, das unterscheidet Seiko von
Rolex. Die als Massenhersteller eine seltsame Verknappungspolitik betreiben und potentielle Kunden auf Wartelisten jahrelang schmoren lassen. Eine Freundin von mir hatte von ihrem Bruder, der ein gutverdienender Architekt war, mal eine Rolex geschenkt bekommen.
Sie wusste nicht, was das war, konnte die Uhr auch nicht stellen, da sie nicht wusste, dass die Uhr eine verschraubte Krone hatte. Da sie gerade in Hamburg war, ging sie zu Wempe (und ich sage Dir, Du glaubst das nicht, der ganze Laden war voller Loddels) und erfuhr den Namen der Uhr. Man zog die Uhr auf und stellte ihr auch die Zeit ein. Sie schickte die Rolex umgehend als Wertpaket an ihren Bruder zurück. Ihr Bruder schenkte ihr dann eine Ulysse Nardin, die hat sie getragen. Wahrscheinlich wäre sie auch mit einer alten Grand Seiko glücklich geworden.