Ich sammle sie nicht, aber ich habe nichts gegen japanische Uhren. Meine geerbte Seiko Quarzuhr, die unter Sammlern auch die Barschel-Uhr heißt, habe ich schon in dem Post Quarzuhren erwähnt. Ich habe noch zwei, drei Seikos und eine Citizen, alle mechanisch und über sechzig Jahre alt. Die Japaner, die heute den Markt beherrschen, waren spät dran mit der Entwicklung von eigenen Uhrwerken. In den fünfziger Jahren kauften sie sich noch Rohwerke bei der schweizer Firma →Moeris. Eine sehr gute und sammelwürdige Firma, die auch einmal eine hässliche James Bond Uhr auf den Markt brachte. 1956 kommt die Marvel auf den Markt, die zum ersten Mal ein eigenes Seiko Werk enthält. Inzwischen können die Japaner alles, nicht nur die Quarzuhren, mit denen sie beinahe die Schweiz ruiniert hätten, Die Grand Seiko ist wahrscheinlich besser als eine Rolex. So etwas bekommt man natürlich nicht auf dem Flohmarkt. Diese elegante Seiko hier, die wie eine coole alte IWC aussieht, kommt allerdings vom Flohmarkt, hat mich vor über dreißig Jahren zehn Mark gekostetet.
Es ist das Modell Champion 850, hat auf dem Gehäuseboden ein kleines Seepferdchen und die Aufschrift Seahorse auf dem Zifferblatt. Ich weiß nicht, ob das wirklich als Konkurrenz zu Omegas Seamaster gedacht war. Es gibt die gleiche Uhr auch noch mit dem Modellnamen Alpinist, dafür zahlen Sammler heute viel Geld. Die Zehn-Mark-Zeiten sind vorbei. Die Uhr war damals dreißig Meter wasserdicht, gleichzeitig hatte Seiko das Modell Cronos Seahorse (50 Meter wasserdicht) als erste japanische ✺Taucheruhr herausgebracht. Die 17-steinigen Seikosha Werke in den Champion Uhren sind einfache Werke, sie haben noch nichts mit den Werken einer Grand Seiko zu tun (das 21-steinige Werk der Cronos schon). Es war ein langer Weg bis die Japaner Chronometer bauten. Ich zitiere mal eben einen Absatz aus dem Post Precision Class:
Die Unruh des Eterna Kalibers 852 hat übrigens einen Durchmesser von 13,5 mm - das Zenith 135 kommt sogar auf 14 mm - das erreichen manchmal kleine Taschenuhren nicht. Dieses Bild hätte nicht unbedingt sein müssen, das ist ein Citizen Chronometer mit einem 13-linigen Werk (und 31 Steinen!). 1963 hatte die Schweiz der Firma Seiko zum ersten Mal erlaubt, an einem Wettbewerb für Chronometer teilzunehmen. Wenige Jahre zuvor waren
Seiko und Citizen noch nicht in der Lage gewesen, eigene
Uhrwerke zu bauen. Jetzt sind sie bei den Chronometern mit dabei. Mit einem Werk, zu dem man nur sagen kann:
form follows function. Oder:
potthässlich.
Und mit diesem Wort komme ich zu meiner neuesten Seiko. Ich hatte für eine Freundin einen Stapel Uhren begutachtet und Kurzgutachten für die seltenen getippt. Ich hatte sie gefragt, ob ich mir von dem nicht so wertvollen Rest eine nehmen dürfte. Durfte ich. Ich nahm mir diese 37 Millimeter große goldene Seiko Weekdater, weil ich so etwas noch nie gesehen hatte. Da war auch kein braunes Lederband dran, sondern ein goldfarbenes Millanaise Band, signiert Seiko. Ein Traum, oder Alptraum, in Gold. Ist natürlich nur vergoldetes Messing. Goldene Uhren sind nicht mein Ding, ich besitze auch nur zwei goldene
Uhren. Das Band musste erst einmal von der Uhr, soviel Gold ging nicht. Ich passte ein Lederband an, dann ein anderes, aber das Ganze gefiel mir nicht richtig.
Die inzwischen polierte Uhr (den Edelstahlboden habe ich mit
Cape Cod behandelt) lief hervorrgend, das muss man der Firma Seiko lassen. Das Seiko Automatikwerk
Kaliber 8306A mit einer Seiko Diashock Stoßsicherung galt vor sechzig Jahren als das beste Seiko Automatikwerk der (gehobenen) mittleren Qualität. In die King Seiko oder die Grand Seiko kam schon etwas Besseres. Es läuft mit langsamen 18.800 Halbschwingungen pro Stunde und hat dreißig Steine. Mehr als fünfundzwanzig braucht keine Automatik, da reden Sammler schon ironisch von einer
Geröllhalde.
Bei den Steinen hat man wahrscheinlich auch die
✺Diafix Caps für das Ankerrad und das Sekundenrad mitgezählt. Die kann man hier links von der Rotorachse sehen. Das 8306 A ist nicht mehr das berühmte
magic lever Automatikwerk, sondern ein Werk, das schon einem ETA Werk ähnelt. Man kann es mit der Hand aufziehen, das kann man nicht bei allen Seiko Automatikuhren. Der Vorgänger dieses Werks, das Kaliber 830, hatte keinen Handaufzug. Das Werk hat eine Schnellschaltung für das Datum, aber keine für den Wochentag. Die Uhr hat eine Art wasserdichtes Monocoque Gehäuse, wenn man an das Werk heran will, muss man kräftig gegen das Glas drücken. Das kann man hier im
✺Video sehen. Man muss das mal gesehen haben, sonst glaubt man das nicht.
Es gibt aber auch Modelle, bei denen man das Glas abnehmen muss, um an das Werk zu kommen. Und um zu betonen, dass die Uhr wirklich wasserdicht ist, heißt sie auch noch
Sea Lion. Wasserdichte Uhren hießen bei Seiko
Sea Horse,
Silver Wave,
Dolphin,
Tuna und eben
→Sea Lion. Es gab auch einmal eine
Tsunami Welle auf dem Gehäuseboden einer
Taucheruhr. Die Firma Seiko liebte verwirrend viele Namen und Modellbezeichnungen auf ihren Uhren. Dieser Weekdater heißt M99 Seiko Sea Lion 8306-8041.
Obgleich die Seiko mit frisch poliertem Gehäuse und polierten Glas mit einem Lederband nicht schlecht aussah, wollte ich schließlich doch das originale Millanaise Band wieder dranbauen. Ich hatte einige Zeit gebraucht, um zu erkennen, dass das Band das wahre Leckerli dieser Uhr war. Seiko hat es von der Firma Stelux, es ist unter der Schließe aufwendig signiert.
Made in Honkong steht auch noch dabei. Und
10K Gold Filled, es ist also wirklich ein bisschen Gold in dem goldigen Armband. Der Name
Stelux ist aus den Wörtern
steel und
luxury gebildet worden, es war einmal der Markenname der amerikanischen Firma
Kreisler. Der Markenname
Stelux gehört heute einer
Holding in Hongkong, die ganz groß im Uhrengeschäft ist. Die Gruppe hat auch die Seiko Verkaufsrechte für Hongkong, Singapur und Malaysia. Leider passte das goldene Band nicht, ich musste es in der Schließe kürzen, was wieder Fummelei bedeutete. Und es musste sauberer werden. Nach zwei Gängen im Miele Geschirrspüler sah es wieder wie neu aus.
Der
Poetry Month hat begonnen, das gibt es bei mir seit dem Jahr 2010. Einen Monat lang Gedichte. Da die goldene Seiko eine japanische Uhr ist, nehmen wir etwas Japanisches. Da bietet sich das
Haiku an. Und da es vorgestern im Fernsehen
Hitchcocks Vögel gab, nehme ich ein Haiku von Uli Becker:
Tun kein Auge zu
heut nacht vor lauter Vögeln,
Hommage à Hitchcock.
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