Donnerstag, 26. Oktober 2023

Taucheruhren


Ich komme nach dem Post Superuhr noch einmal auf das Thema Taucheruhren zurück. Mein Uhrmacher hatte mir vor zwanzig Jahren eine schöne dunkelblaue gefälschte Rolex Submariner geschenkt. Und später noch ein Edelstahlband, das von einer sehr teuren Rolexfälschung stammte. Mein Bruder, dem meine Eltern zum Examen eine Rolex schenkten, sagte mir, dass mein Band besser sei als das Band seiner Rolex. Er hatte jetzt in vierzig Jahren schon das dritte Band an seiner Uhr. Vor Jahrzehnten haben sich Rolexbesitzer Edelstahlbänder der Firma Tissot gekauft, weil die besser waren als das Original. Aber jetzt, wo Rolex die Firma Gay Frères gekauft hat, hat das Elend der Rolex Armbänder vielleicht ein Ende. Leider ist meine Rolex (Nachtauslage) jetzt ein bisschen kaputt. Nicht reparierbar. Obgleich ich sie selten benutzte, sie fehlt mir irgendwie. Hat jetzt eine Funktion als Briefbeschwerer bekommen. 

Wenn ich Geld für eine Taucheruhr ausgeben wollte, dann würde ich mir bei ebay diese Zenith kaufen. Der amerikanische Händler wollte sie mir schon ein paar hundert Dollar billiger lassen nachdem ich die Uhr auf meiner Beobachtungsliste plaziert hatte. Ich finde die Uhr scharf, weil die so ganz anders aussieht als die ubiquitäre Rolex Submariner und all deren Kopien. Es gibt ja auch einige Verbindungen zwischen der Firma Zenith und der Firma Rolex, schließlich hat Zenith jahrzehntelang die Chronographenwerke (das sogenannte El Primero) für die Rolex Daytona geliefert.

Wenn man bei ebay einen Gegenstand auf seine Beobachtungsliste setzt, dann bekommt der Händler einen Ping und weiß, dass da ein  möglicher Interessent ist. Diese 43 mm große grüne Scheußlichkeit hatte ich auf meiner Beobachtungsliste. Ich wollte die auf keinen Fall kaufen, ich verglich die Uhr nur mit dieser Rolex Submariner, die auch grün ist und den Spitznamen Hulk hat. Scheint ein begehrtes Modell zu sein, die Preise klettern. Bei dieser Uhr hier fielen die Preise. Der Händler bot mir die Uhr, die wahrscheinlich aus China kommt, für 15 Euro an (Porto 2,75). 

Ich konnte dem nicht widerstehen, auch wenn ich noch nie einen Hulk Film gesehen habe und das grüne Wesen selbst in meinem Post Fantasy nicht erwähnt wird. Aber die Quarzuhr, die es auch in Blau gibt, wiegt nix und liegt gut auf dem Handgelenk. Ich mag sie inzwischen. Sie hat ein Hardlex Glas, kein Saphir Glas, aber das ist bei vielen Seikos ähnlich. Sie ist aus Edelstahl, nicht unbedingt dem Edelstahl, den die Firma IWC verwendet. Das Band ist gestiftet, nicht geschraubt. Der Barni, der mir ein paar Glieder herausgenommen hat, hat die Firma verflucht. Auf dem Stahlboden steht, dass die Uhr ein japanisches Quarzwerk besitzt und 3 ATM wasserdicht ist. Was will man für fünfzehn Euro mehr haben? Wie die Chinesen das zu diesem Preis hinkriegen, weiß ich nicht. 

Für die deutsche Amazon Seite wurde der amerikanische Text mit dem universalen Übersetzungsprogramm bearbeitet, das immer perfekten Unisinn produziert. Und das heißt dann so: DAXY Luxus-Uhr ist ein neues Ankunft für Männer. Modischer Einfachheits-Stil, exquisites Quarzwerk, macht Sie charmanter. Patentierte Quarztechnologie, schützende Mineralglasscheibe, Gehäuse aus Legierung. Gute Wahl für Feiertagsgeschenke, Thanksgiving, Weihnachtsgeschenke, Abschlussgeschenke, Vatertagsgeschenke, Geburtstagsgeschenke.Hergestellt mit Tiny Equipment Composing Technologie von DAXY Uhrenherstellung. Wasserfeste Struktur (nicht geeignet zum Schwimmen, Tauchen, Duschen usw.) Präzise Bewegung mit dem neuesten Durchbruch Armbanduhr mit goldenem Herren-Luxusgehäuse, geeignet für den täglichen Gebrauch. Speziell entworfenes Metallgehäuse mit hochwertiger Uhr. Spezielles Zifferblatt-Design zeigt Ihren modischen Blickwinkel.

Mitte der fünfziger Jahre waren die ersten wasserdichten Taucheruhren mit einer beweglichen Lünette auf den Markt gekommen: Blancpain Fifty Fathoms (1953), die Rolex Submariner (1954) und die Zodac Sea Wolf ein Jahr später. Am Ende der 1950er Jahre gab es einen ganz neuen Typ der Taucheruhren, die man daran erkannte, dass sie zwei Kronen besaßen. Die untere Krone war zum Aufziehen und für die Zeigerstellung; die obere Krone bewegte die Taucherlünette, die unter dem Uhrglas war. Nach einem Patent der Firma Ervin Piquerez S.A. (EPSA) hießen sie Super Compressor, beinahe jede schweizer Firma hatte die im Angebot. 

Renommierte Firmen wie Jaeger-LeCoultre und Longines, aber auch kleine, unbekannte Firmen verwendeten das Gehäuse von Piquerez. Die Uhren waren 35 mm groß, waren noch nicht so absurd groß wie heutige Taucheruhren. Man konnte sie in der Stadt hervorragend zur Berechnung der Parkzeit verwenden, ob man wirklich mit ihnen tauchen konnte, das weiß ich nicht. Meine Uhr ist von der Firma Hema, hat ein ETA Automatikwerk mit 25 Steinen und läuft seit Jahrzehnten ohne Probleme. Die Hema Watch Co. wurde von der Desco von Schulthess Gruppe gekauft und hieß später Maurice Lacroix. Die stellen natürlich auch Taucheruhren her, sogar solche mit zwei Kronen.

Neben den Super Compressor Qualitätsuhren gab es einen riesigen Markt von Billiguhren, die vorgaben, Taucheruhren zu sein. Manche hießen Meister Anker, die konnte man bei Karstadt und Quelle kaufen. Sie kamen aus Ruhla und hatten meistens das Kaliber UMF 24 in der Uhr. Von diesem sehr einfachen Werk hat man in Ruhla 130 Millionen Stück gebaut. Das sicherte der DDR ein klein wenig Devisen. Die nach der Wende zerschlagene VEB Ruhla ist inzwischen wiederbelebt worden, sie hat jetzt NVA Kommando Minentaucher Uhren im Programm. Ein bisschen pervers ist das schon.

Und dann gab es noch Mengen von Taucheruhren, in denen ganz billige Stiftankerwerke waren. Man erkannte sie daran, dass sie auf dem Gehäuseboden einen Taucher mit Schwimmflossen und Taucherbrille im Wasser zeigten. Das war nun das Billigste vom Billigen, auch qualitativ. Diese Cimier Taucheruhr sieht auf den ersten Blick ganz nett aus, aber wehe man öffnet sie und schaut sich das Werk an. Sie können das schrottige Werk hier sehen. Die Firma Cimier wirbt heute mit Sprüchen wie A passion for the tradition of the finest craftsmanship since 1924. Es wird nirgendwo so viel gelogen wie in der Welt der Uhren.

Der englischen Firma Smiths ging es in den sechziger Jahren finanziell nicht gut. Sie besaß zwar noch den W10 Auftrag für die Fliegeruhren der Royal Air Force, aber der war am Auslaufen. Da brachte Smiths 1968 eine solide 38 mm große Taucheruhr auf den Markt (waterproof tested 20 atmospheres) weil sie sich einen Auftrag der Royal Navy erhofften. Doch daraus wurde nichts, und so war die Smiths Astral CM4501 Diver, die Journalisten liebevoll die englische Rolex getauft hatten, die letzte englische Armbanduhr mit einem englischen Manufakturwerk.
 
Die Uhr kostete damals 15 Pfund Sterling, heute muss man schon vierstellige Summen für diese Uhr auf den Tisch legen. Ich habe meine vor dreißig Jahren für 85 Mark gekauft; und bis auf die immer etwas neben der Zeit liegende Datumsschaltung, will ich nichts Böses über diese Uhr sagen. Weshalb Taucheruhren eine Datumsanzeige brauchen, weiß ich nicht. Die Smiths sieht wirklich ein wenig wie eine alte Rolex aus. Vor allem mit dem schwarzen Horween Pferdelederband, das ich ihr spendiert habe. Auf dieser alten Anzeige wird die Uhr als skindiver's watch bezeichnet, und das gilt für all die Uhren, die bisher erwähnt wurden. Und die wir so global als Taucheruhren bezeichnen. Sie sind fürs Schnorcheln gut, sind nichts für Berufstaucher, die in der Tiefsee arbeiten. 

1961 gründete der Ingenieur Henri Germain Delauze ein Unternehmen, das Compagnie Maritime d'Expertises, abgekürzt COMEX, hieß. Er suchte schnell die Zusammenarbeit mit der Firma Rolex, und die baute ihm Uhren, die wirklich für das kommerzielle Tiefseetauchen geeignet waren. Die bekamen dann den Namen Comex auf das Zifferblatt, und wenn eine wirklich die Arbeit unter Wasser überlebt hat, dann kostet sie wie diese hier 172.000 Euro. Dafür kann man sich auch einen gebrauchten Rolls Royce kaufen. Oder das Geld an Ärzte ohne Grenzen überweisen. Die meisten Rolex Comex Uhren, die angeboten werden, sind wahrscheinlich Uhren mit einem gefälschten Zifferblatt.

Auch Omega arbeitete mit der Comex zusammen. Ihre Seamaster Professional 600 hatte den Spitznamen Ploprof (was von Plongeur Professionel abgeleitet wurde). Die Uhr war doppelt so teuer wie eine Rolex Submariner, schlug aber sämtliche Rekorde, die man mit einer professionellen Taucheruhr erreichen konnte. Bei einer simulierten Tauchtiefe von 1.370 Metern verformte sich das Gehäuse ein wenig, die Uhr funktionierte aber noch. Die Ploprof war mit einer Größe von 55 mm für den täglichen Gebrauch ein wenig unpraktisch, deshalb brachte Omega wenig später noch eine Baby Ploprof in der Größe von 38 mm auf den Markt.

Das Uhrenmagazin watchtime versichert uns: Heute werden Taucheruhren längst nicht mehr nur zum Tauchen getragen. Ihr sportlicher Look begeistert auch Menschen, die sich an Land wohler fühlen als unter Wasser. Eine Taucheruhr ist heute mitunter modisches Statement, beliebtes Sammlerobjekt unter Uhrenfans oder einfach nur ein cooles Accessoire. Das sind so die Sprüche, die ich liebe. Ähnlich werben Uhrenfirmen: Das Modell X besticht durch seine Exklusivität. Das massive Design zeigt den sportlichen Anspruch des Trägers. Ob das auch für diese potthässliche ZentRa Safari aus den siebziger Jahren gelten kann?

Die ZentRa Safari wird man schon wieder mögen, weil sie ebenso wie die Zenith da ganz oben ein wenig anders ist als der wasserdichte Einheitsbrei der Taucheruhren. Beinahe alle noch existierenden schweizer Firmen haben so etwas mit schwarzem Zifferblatt und Lünette im Programm. Viele Firmen holen historische Modelle wieder aus der Schublade, weil man ein bisschen Nostalgie immer gut verkaufen kann. Die Eterna Super KonTiki hat es als Neuauflage gegeben, die Doxa 300 Sub auch. Und bei Blancpain, die zwischenzeitlich immer mal pleite waren, gibt es bestimmt jedes Jahr wieder eine Neuauflage der Fifty Fathoms. Der. Geist,. den. es. zu. bewahren. gilt steht da auf der Firmenseite.

Noch mehr an Taucheruhren, als die schweizer Firmen anbieten können, kommen aus China. Sie haben Namen wie Parnis, Pagani Design, San Martin, Bliger, Corgeut, Bersigar oder Steeldive. Manchmal bezeichnen auch unterschiedliche Namen dasselbe Produkt. Und dann ist da ja noch die große Modding Szene, die Seikos umbaut. Diese schöne Seiko Marine Master ist nicht von Seiko, mit einer echten Seiko Prospex hat das nichts zu tun. Von Seiko ist nur das Uhrwerk. Der Rest ist custom made wie der Kunde es haben will. Anderes Zifferblatt, andere Lünette, andere Zeiger: anything goes. Seiko selbst ist erst seit 1965 mit der 62MAS im Taucheruhrengeschäft, aber eine alte Taucheruhr von Seiko, die mindestens 2.500 Euro kostet, wird niemand modfizieren wollen.

Es gibt auch in Deutschland kleine Firmen, die für den Bruchteil des Preises einer Rolex Submariner qualitativ akzeptable Uhren anbieten, die mehr als hundert Meter wasserdicht sind. Und Made in Germany auf die Uhr schreiben können. Da wären neben der Firma Sinn Spezialuhren zum Beispiel Steinhart und Marcello C. Die Firma des Architekten Günter Steinhart liefert mit der Ocean One für 500 Euro eine Taucheruhr; die Nettuno 3 von Marcello C kostet das Doppelte. Die Eichmüller Uhren für 49 Euro lassen wir mal weg, weil die alle aus China kommen. Die Firma Marcello C von Marcell Kainz hat ihren Sitz in Würselen, da wo Martin Schulz mal Bürgermeister war. Die Firma ist seit dreißig Jahren im Geschäft, und ihre Kunden scheinen sehr zufrieden zu sein. Das Signet auf ihrer Nettuno 3 ist eine zarte Welle, aus der der Dreizack Neptuns hervorragt. 

Als ich das Signet vor Jahren zum erstenmal sah, gefiel mir diese Uhr. Ich beobachtete bei ebay über die Jahre die Preise. Die Nettuno kostet neu tausend Euro, gebrauchte Uhren werden bei ebay zu Preisen zwischen dreihundert und fünfhundert Euro gehandelt. Nix für mich. Aber als ich letztens eine für hundertsiebzig (oder Preisvorschlag) sah, schlug ich zu. Habe die Uhr jetzt am Arm. Die Uhr ist zehn Jahre alt, aber in einem sehr, sehr gepflegten Zustand. Der Verkäufer hatte bei seiner Beschreibung nicht übertrieben. In der Uhr tickt ein ETA 2824-2 in der Qualität élaboré, in den neueren Modellen ist ein Selitta SW 200. Das ist ein erstklassiger ETA Klon, die ETA liefert das 2824-2 nur noch an Firmen der Swatch Gruppe (es ist übrigens auch in allen Taucheruhren der Rolex Zweitmarke Tudor). Die Uhr geht nach zehn Jahren noch chronometergenau. An der Qualität der Nettuno 3 gibt es nichts zu bemängeln. Am Preis auch nicht, vor allem weil mich die Uhr nur 155 Euro gekostet hat.

Die Bundeswehr kennt keine Dienstuhren, aber die Firma Sinn versichert uns, dass die Kampfschwimmer in Eckernförde ihre Uhren tragen. Die haben in Eckernförde schon alles ausprobiert, sie hatten Uhren von Rolex, Blancpain und Doxa im Test. Das hat mir jemand erzählt, der sich da auskannte. Bevor sie zu Sinn wechselten, hatten sie Uhren der IWC Porsche Design 2000. Der  Besitzer der Firma Sinn war vorher in einer Führungsposition bei der IWC gewesen. Es ist für die Werbung einer Uhrenfirma immer gut, wenn man auf eine militärische Verwendung hinweisen kann. Ich habe meine ganze Dienstzeit als Soldat mit meiner Konfirmations Junghans bestritten, ich habe nie einen Soldaten mit einer Taucheruhr gesehen. Heute ist das wahrscheinlich anders. 

Wenn man bei Google Taucheruhr eingibt, bekommt man zweieinhalb Millionen Ergebisse. Tausende solcher Uhren mit dem massiven Design, das den sportlichen Anspruch des Trägers zeigt, liegen bei ebay herum. Warten darauf, dass sie von richtigen Männern gekauft werden. Am Anfang des Filmes Dr No trägt James Bond, wenn er Sylvia Trench kennenlernt, eine goldene Gruen Precision. Eine Uhr für einen Gentleman, ganz besonders zum Dinner Jacket. Aber bei den Dreharbeiten in der Karibik fand der Produzent Cubby Broccoli, dass die goldene Gruen am Arm von Sean Connery etwas mickrig aussah. Und er lieh dem Hauptdarsteller seine Rolex Submariner. Seitdem tragen richtige Männer Taucheruhren. Auch wenn sie Nichtschwimmer sind.

Die Rolex blieb in den James Bond Filmen ein wiederkehrendes Element, bis sie von einer Omega abgelöst wurde. Wenn Bond in Casino Royale (2006) gefragt wird, ob er eine Rolex träge, ist seine Antwort: Omega. Diese Omega aus dem Film war einem Sammler bei der Auktion von Antiquorum 215.000 Schweizer Franken wert. War noch originaler Dreck von den Dreharbeiten dran. Sieht aus wie rote Erde auf dem Truppenübungsplatz Sennelager. Warum kauft jemand so etwas?

Aber es gibt ein Leben ohne diese Dinger. Nach einer Woche Uhrentest (ohne Dusch- und Badewannentest) habe ich die Nettuno beiseitegelegt. Sie geht zwar hervorragend, aber sie ist mir zu schwer und zu unhandlich. Sie stört mich beim Tippen. Und sie schabt die Manschetten der italienischen Oberhemden ab. Sie liegt jetzt neben der alten blauen Rolex. Wenn ich ein wenig Schwere im Leben brauche, kommt sie wieder an den Arm..

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