Dass ich mir eine King Seiko (KS56) gekauft habe, steht schon in dem Post Goldplättchen. Meine anderen Seikos finden sich in dem Post die goldene Seiko. Ein richtiger Seiko Sammler bin ich nicht, ich bin jetzt aber mit dieser fünfzig Jahre alten King Seiko in die Oberliga aufgestiegen. Die Firma Seiko hat seit 2020, dem hundertvierzigsten Jahrestag der Firma, das Modell King Seiko wieder im Programm. Diese neuen Uhren haben aber nicht mehr den Charme der siebziger Jahre. Sehen nicht mehr nach der Super Constellation, dem Flügeltüren-Mercedes, der geschrubbten Flunder, ausgehungerten Windhunden oder der Corvette Stingray von Joan Didion aus.
Dem Uhrensammler sagt die Abkürzung KS56 schon etwas. Das KS steht für das Modell King Seiko, die Zahl 56 steht für die Werkgruppe 5600, das beste Automatikwerk, das Seiko vor fünfzig Jahren baute. Das sich in den Modellen Grand Seiko und King Seiko findet. Diese Uhren wurden zwischen 1968 und 1975 gebaut und waren das Beste, das Seiko herstellte. Diese Uhren konnten mit besten Schweizer Erzeugnissen konkurrieren. Angefangen hatte man auf dem Weg nach ganz oben 1960 mit einem Handaufzugswerk für das Modell Grand Seiko, einem Armbandchronometer. Dies hier ist das verbesserte Kaliber 4402 von 1965. Die Uhr hatte 28 Steine, beinahe jedes Lager hatte eine Diafix Kappe, das ist ein gefederter Deckstein. Die Unruhe wird von einer Brücke gehalten, nicht von einem Kloben, das verspricht Stabilität.
Seiko hat das mit der Brücke bei manchen Uhren beibehalten. Dies hier ist das Werk der Seiko 850 Alpinist, dem Zwilling von meiner Seahorse. Rolex macht das mit der Brücke als einer der wenigen Hersteller immer noch so. Die erste Grand Seiko von 1960 mit dem Kaliber 3180 hatte noch einen Unruhkloben gehabt. Die Brücke für die Unruh wird es bei den Modellen Seiko Cronos und der King Seiko 44 wieder geben.
Aber Unruhkloben wie hier bei der ersten Grand Seiko oder Brücke, es war egal. Beide Werke waren Chronometer. Wenn man bedenkt, dass Seiko noch fünf Jahre zuvor Uhrwerke aus der Schweiz von Moeris bezogen hat, dann stellt diese erste Grand Seiko einen Quantensprung dar. Und sie war die Basis für das, was Seiko wollte: Präzisionsuhren bauen, die alle leicht ein Chronometerzertifikat erhielten. Ob in Neuchâtel (wo Seiko seit 1963 Uhren zur Prüfung einreichte), Genf oder bei der Sternwarte von Kiew.
Eine Grand Seiko mit einem Automatikwerk gab es noch nicht. Mit den Automatikwerken hatte sich Seiko schwergetan. Ihre erste Automatik bezogen sie 1955 aus der Schweiz von Adolph Schild (Kaliber AS 1382). Das nächste Automatikwerk kam von der ETA oder war ein ETA Nachbau, das weiß man nicht so genau. Danach offerierte Seiko eine eigene Automatik mit einem →magic lever. Das war aber nichts anderes als die Kopie der genial einfachen Konstruktion der Uhrenrohwerke Otto Epple Otero aus dem Jahr 1954. Die ihrerseits nichts anderes getan hatten, als den von Albert Pellaton für die IWC erfundenen Exzenterwechsel zu vereinfachen. Lesen Sie mehr zu den Automatikwerken in dem Post automatisch.
Im Jahre 1959 wird die Firma Seiko sich zweiteilen in die Produktionsstätten Suwa Seikosha und Daini Seikosha. Die beiden Fabriken sind jetzt in einem Konkurrenzwettbewerb. Wer wird die beste Uhr bauen? Das Ergebnis dieses Wettbewerbs sind die Grand Seiko und King Seiko mit dem 5600er Automatikwerk, die von 1968 bis 1975 gebaut werden. Suwa Seikosha stellte die Grand Seiko Uhren her, die Schwesterfabrik →Daini Seikosha baute die King Seiko als Konkurrenz zur Grand Seiko. Die kostete etwas weniger, sollte aber genauso gut sein. Die Uhr hat 25 Steine und wie die Eternamatic Uhren einen kugelgelagerten Rotor, der in beide Richtungen aufzieht. Die Unruhe hat eine Feinregulierung und (was man hier unter dem Rotor nicht sehen kann) noch eine zweite Feinregulierung für die Spiralfeder. Auf dem Zifferblatt steht Hi-Beat, damit sind 28.800 Halbschwingungen pro Stunde der Unruhe gemeint. Das Experiment mit den 36.000 Halbschwingungen hatte man aufgegeben.
Ich glaube, es ist ziemlich egal, ob da Lordmatic, Grand Seiko oder King Seiko auf dem Zifferblatt steht, Seiko hatte mit dem 5600er Werk ein Uhrwerk geschaffen, das mit den besten europäischen Uhren mithalten konnte. Es gibt unglaublich viele →Automatikwerke von Seiko, das Standardwerk für automatische Armbanduhren von Heinz Hampel widmet der japanischen Firma vierzig Seiten, voll illustriert. So gut das Uhrwerk mit der Datumsschaltung und der Stoppsekunde ist (und meine fünfzig Jahre alte King Seiko erreicht immer noch die Chronometernorm), es hat einen kleinen Konstruktionsfehler.
Wenn man bedenkt, welchen Anspruch man bei Seiko hatte, ist das ein richtig doofer Fehler. Das →Schaltrad für Wochentag und Datum ist aus Plastik. Das hält kein halbes Jahrhundert. Auf meiner Seiko Sea Lion funktioniert nur noch das Datum, der Wochentag erscheint nicht mehr. Auf diesem Bild können Sie das Schaltrad sehen, das ist das kleine runde Teil mit vier Spitzen unter den beiden Zahnrädern. Obgleich Seiko dieses Problem hätte kennen können, haben sie noch dreißig Jahre lang Plastikräder in ihre Uhren eingebaut. Seriöse Händler tauschen das Plastikteil gegen eins aus Stahl und sagen das ihrem Kunden. Die Firma Tokei Japan, von der ich meine Uhr bei kleinanzeigen gekauft habe, hat das Plastikteil gegen ein neues Schaltrad der Firma VTA getauscht.
Was die beiden konkurrierenden Seiko Firmen jetzt produzieren, bekommt ein Design von einem Mann namens Taro Tanaka, der 1962 ein →Grammar of Design entwickelte. Eine Art ästhetischer japanischer Philosophie, wie Seiko Uhren aussehen sollen. Tanaka hat gesagt: As I looked in one of the showcases I saw many watches sparkling brilliantly. Then I looked on the other side and saw watches that had a rather uneven gleam; the difference was all too apparent. The brilliantly sparkling watches were Swiss and those with the duller finish were by Seiko. Er will erreichen, dass die Seiko Uhren auch brilliantly sparkle, deshalb werden sie viele hochglanzpolierte Flächen und scharfe Kanten haben. Klare Linien, keine Schnörkel. Bauhaus statt Gelsenkirchener Barock. Wenn Sie ein Bild von den King Seikos der siebziger Jahre haben wollen, dann klicken Sie dieses ✺Video an. Aber etwas so Scheußliches wie die ✺King Seiko Vanac Linie, die von 1972 bis 1974 hergestellt wurde, kann Taro Tanaka eigentlich nicht gemeint haben. Das ist eher Walt Disney als fernöstliche Philosophie. Viele Uhren dieser Vanac Linie sehen so aus wie die klobigen Klötze, die ich in dem Post was Fettes am Arm beschrieben habe.
Meiner Seiko King habe ich ein anderes Band spendiert. Diese handgemachten Bänder mit den Abnähern sind zwar gerade große Mode, passen aber nicht zu der Uhr. Die Uhr ist 36 Millimeter groß, wirkt aber kleiner. Weil das Zifferblatt nur 30 mm groß ist. Das Glas sitzt mit einem Sprengring in einem kleinen Rehaut über dem Gehäuse. Das hat sich →Taro Tanaka mit seiner Designphilosophie so gedacht. Dadurch wirkt die Uhr cool und abgemagert, so wie die im ersten Absatz erwähnten ausgehungerten Windhunde. Die Uhr hat einen Schraubboden, die ersten KS Modelle hatten ein Monocoque Gehäuse (wie auch die Sea Lion). Hätte ich die Grand Seiko Tamago「たまご mit der Eierform nehmen sollen? Sam Wong von der Firma Tokei Japan in Stuttgart hatte mir einen guten Preis gemacht. Ich habe sie noch auf der Merkliste, gucke sie mir jede Woche mal an. Die King Seiko gab es noch als Chronometer, als Special oder mit dem Zusatz V. F. A. (Very Fine Adjusted). Mir reicht das KS auf dem Zifferblatt dieser völlig unauffälligen Uhr.
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