Dienstag, 14. Mai 2024

Goldplättchen


Man kann den Gehäuseboden einer Uhr ja immer irgendwie verzieren. Die alte Omega Constellation hatte eine Sternwarte und Sterne auf dem Boden. Die Seamaster hat ein seltsames Seeungetier, die Seiko Seahorse ein kleines Seepferdchen. Die Sea Lion hat natürlich einen Seelöwen. Auf dem Boden der Enicar Sherpa Seapearl war eine geöffnete Muschel mit einer Perle. Favre-Leuba hatte das Firmenlogo, eine stilisierte Sanduhr, auf dem Boden, Moeris das verschlungene Firmensignet FM. Bei den Uhren, die Mauthe an Volkswagen geliefert hat, ist natürlich das VW auf dem Boden. Bei neueren Uhren sind der Geschmacklosigkeit keine Grenzen gesetzt. Ich meine damit das James Bond 007 Collectors Piece von Omega, mit dem Schriftzug 007 und einer Pistole auf dem Boden. Wer kauft sich so etwas? Solch eine Uhr gab es von der Firma Moeris 1966 ja schon einmal. War auch nicht sehr geschmackvoll. Kostete aber keine tausende von Euros.

Die meisten Uhrenfirmen lassen den Boden frei, damit man noch etwas darauf gravieren kann, wenn die Uhr ein Geschenk sein soll. Wenn Uhrenfabriken einem Modell eine besondere Note geben wollen, dann versehen sie den Boden mit einem kleinen Goldplättchen. Auf dem Boden der Eterna KonTiki ist das Floß von Thor Heyerdahl auf einem 18-karätigen Goldmedaillon zu sehen. Die Eternamatic Super Kontiki hat natürlich auch dieses Goldplättchen. Japans Spitzenprodukt, die Grand Seiko mit dem 5600er Werk, hatte 1971 auch ein Goldplättchen. Die King Seiko, die der Grand Seiko eigentlich in nichts nachsteht, hatte von 1972 bis 1973 auch ein Goldplättchen, auf dem KS steht.

Meine neue coole King Seiko aus dem Jahre 1974, über die ich demnächst einmal schreiben werde, hat allerdings kein Goldplättchen mehr. Da steht nur noch der Firmenname, die Kalibernummer und Water Resistant auf dem Boden. Vielleicht hätte ich doch die Grand Seiko nehmen sollen, die mir der nette Händler zu einem Sonderpreis angeboten hatte. Aber das war das Modell Tamago, was auf japanisch Ei heißt. Und wie ein plattgeklopftes Ei sah sie auch aus. Was unförmige Uhren betrifft, reicht mir meine Eternamatic 1000 Concept 80, die schon in dem Post was Fettes am Arm zu sehen ist. Die Eterna Werbung sprach 1970 nicht von potthässlicher Eierform, sondern von futuristischer Eleganz.

Von dem Modell mit der futuristischen Eleganz habe ich jetzt zwei. Wollte ich eigentlich nicht, aber es hat sich so ergeben. Ich sah diese Eterna bei ebay, und auf den Photos sah sie schlimm aus. Ich schickte dem Verkäufer meinen Post über die unförmigen 1970er Jahre Uhren und gab ihm gute Ratschläge, wie man die Uhr in einen präsentablen Zustand versetzen könne. Das versiffte Edelstahlband abnehmen und in das Ultraschallbad oder den Geschirrspüler tun. Manche schwören auf ein Bad in Coca Cola. Oder eine Kukident Tablette in einem Glas Wasser. Die Kratzer auf dem Glas kann man wegpolieren, aber das dauert. Das Gehäuse kann man auch vorsichtig polieren, da braucht man Zeit und Geduld. Der Verkäufer las meinen Uhrenblog, und der gefiel ihm. Er hatte aber offenbar keine Lust auf Bastelarbeiten. Er bot mir die Uhr, die schon preiswert war, noch preiswerter an. Das brachte mich nun in Verlegenheit, aber nach einem Tag Nachdenken nahm ich den Vorschlag an. Den Ausschlag gab das Zifferblatt der Uhr, das je nach Licht anders aussieht. Manchmal scheint es dunkelgrau zu sein, aber in Wirklichkeit ist es ein dunkles Lila.

Als die Uhr ankam, sah sie viel besser aus als auf dem Photo. Diese Makro Handyphotos verzerren die Wirklichkeit ein wenig. Ich hatte damit gerechnet, dass ich eine Woche mit Waschen und Polieren verbringen würde, es war nur ein Tag. Die schlimmsten Kratzer habe ich auch schon aus dem Glas raus. Ich bedankte mich herzlich beim Verkäufer. Ich hatte kein schlechtes Gewissen, eine Uhr gekauft zu haben. Ich habe im letzten Jahr ein halbes Dutzend Uhren an Freunde verschenkt. Da kann ich mir mal wieder eine kaufen. Jetzt habe ich eine Uhr, mit der ich in bin und kein LSD mehr zu nehmen brauche. Das sagte auf jeden Fall die französische Eterna Werbung 1970, wo man so etwas lesen konnte: Nicht derjenige ist 'in', der Barrikaden erstürmt, Marihuana raucht oder LSD nimmt. Modern ist, wer den Schritten des Fortschritts folgt, und jeder Fortschritt hat seine Grundlage in der Tradition. In jedem Fall sind Sie mit dem Concept 80 'in'. Concept 80 verkörpert mit Gehäuse und Zifferblatt die Linie der Zukunft. Das berühmte, weltweit anerkannte, kugelgelagerte Automatikwerk der Eterna Matic bietet Ihnen mit seinem Uhrwerk Sicherheit und vorbildliche Präzision. Der Werbetexter scheint für diesen dusseligen Text ein wenig zu viel LSD genommen zu haben.

Aber zurück zu den Goldplättchen. Ich habe eine alte Waltham Golden Eagle, die auch ein Goldplättchen mit einem goldenen Adler auf dem Boden hatte. Das Verb ist hatte. Als ich sie kaufte, hatte irgendjemand das bisschen Gold abgekratzt. Der Boden sah furchtbar aus, deshalb kostete sie auch nur zehn Euro. Mein Uhrmacher hat mir einen neuen Schraubboden draufgedreht. Ohne Adler. Ein kleiner gelber Adler ist auf dem Zifferblatt zu sehen. Und die Aufschrift 30 Jewels. Wer braucht so viele Rubine? In der Uhr ist ein Automatikwerk von Adolph Schild; es ist auch keine echte Waltham, weil es die amerikanische Firma gar nicht mehr gibt. Die Uhr ist von der Firma Rado und war für den asiatischen Markt bestimmt, wo man gerne viele Steine in der Uhr hat. Ich mag die Uhr, weil sie ein tiefschwarzes Zifferblatt und ein sehr gutes beads of rice Armband hat. Auch wenn der goldene Adler fehlt. Viele Dinge im Leben werden erst richtig gut, wenn etwas fehlt.

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