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Dienstag, 4. Februar 2025

The Gulf of Mexico


Heute heißt Country Music nicht mehr Johnny Cash, sondern Taylor Swift. Aber die muss jetzt vorsichtig sein, Donald Trump hasst sie. I hate Taylor Swift, konnte man in den asozialen Medien lesen. Es gab eine schnelle Antwort von Ana NavarroDonald Trump has lost what little sanity he had left. Taylor Swift broke him. Kaum hatte Swift sich für Kamala Harris ausgesprochen, da tauchte in den Medien dieses Bild auf. Die Lügenmaschine der Trump Fans war wieder bei der Arbeit gewesen. Für so etwas ist Künstliche Intelligenz gut, wahrscheinlich für nichts anderes. Da wir beim Thema Musik sind: Donald Trump spielt im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger (lesen Sie mehr in I hear America Singing) kein Instrument. Aber er liebt Country Music, vor allem, was der 82-jährige Lee Greenwood singt. Dessen Lied God Bless the USA hatte Trump ja schon in seine Bibel aufgenommen, wahrscheinlich wird es demnächst die Nationalhymne der USA. Bei Trumps Amtseinführung sang die Country Sängerin Carrie Underwood das Lied America the Beautiful, aber von beautiful konnte bei ihrem Gesang keine Rede sein. Wäre Kamala Harris Präsidentin geworden, hätte wahrscheinlich Taylor Swift im Weißen Haus gesungen. Bei der Gala für Jimmy Carter im Januar 1977 hatte Aretha Franklin God Bless America gesungen, die Crème de la Crème von Pop und Country war an diesem Abend da. Auch bei Joe Bidens Inauguration gab es viel musikalische  Exzellenz. Donald Trump hat nur diesen Greenwood und den traurigen Rest der Country Music.

Country & Western Musik war von Anfang an in diesem Blog, das begann 2010 mit dem Post Grand Ole Opry, die anderen Posts liste ich mal da unten auf. Über diese amerikanische Musik habe ich schon vor dreißig Jahren zwei Aufsätze in der Zeitschrift Studies in the Western von Peter Bischoff geschrieben. Ich hatte schon eine Menge C&W im Kopf, bevor ich zu bloggen begann. Ich bin dank AFN und BFN mit amerikanischer Musik aufgewachsen, meine Heimatstadt Bremen war amerikanisch besetzt. Die ersten Jahre im Gymnasium hatte ich dank eines Austauschprogramms einen amerikanischen Englischlehrer. Dass John und Alan Lomax Amerikas Lieder aufgezeichnet haben, das wusste ich schon früh. Dass Moses Asch das Label Folkways gegründet hatte, wusste ich auch. Freunde in Amerika schickten mir die LPs zu. Für die ich 1960 beim Hauptzollamt Bremen immer argwöhnisch angeguckt wurde: genügt Dir denn die deutsche Musik nicht, dass Du sowas importieren musst? 

Als der junge Moses Asch in den dreißiger Jahren ein Interview mit Albert Einstein mit seinem Tonbandgerät aufnehmen sollte, sagte der Mathematikstudent in der Kaffeepause des Interviews, dass er eigentlich viel lieber die Volksmusik Amerikas aufzeichnen sollte;  es wäre doch ein schönes Unternehmen, das alles mit der neuen Technik aufzuzeichnen. Und da sagt Einstein: ... mach das, das Gerät, das Du da hast, das ist die Zukunft. Arbeitslose Mathematiker gibt es schon genug. Und er fügt hinzu: You're exactly right. Americans don't appreciate their culture. It'll be a Polish Jew like you who will do the job. Nach dem Tode von Asch im Jahre 1986 wird die Smithsonian Institution das Label Folkways kaufen, so dass das nationale musikanische Erbe Amerikas gesichert ist. Heute heißt Folkways Folkways/Smithsonian. Aus dem kleinen Label von Moses Asch ist ein riesiges Museum amerikanischer Folklore geworden.

Es gibt kleinere Labels wie Rounder Records, die mal Blues, Blues-Rock, Stringbands und Bluegrass anfingen, sie haben heute tausende von Titel im Programm. Auch sie sind schon ein kleines Museum amerikanischer Folklore. Und dann gibt es solche Labels, die sich auf die Wiederveröffentlichung spezialisiert haben und sehr schöne Zusammenstellungen herausbringen. Wie Bear Family Records (die erstaunlicherweise nicht in Nashville oder Bakersfield sitzen, sondern in der Nähe von Bremen ihre Heimat haben). Heute gibt es hier bei mir Clint Black, denn der hat heute Geburtstag. Er war in den neunziger Jahren ein Star, hatte dreizehn Titel auf Platz Eins der Billboard Country Songs. Sein Lied The Gulf of Mexico war auf seiner zweiten Platte Put Yourself In My Shoes, die 111 Wochen in den Charts war.

The Gulf of Mexico

The Texas coastline hold her
Close just like a lady
And in their time they've
Weathered a storm or two.
The river feed her waters like
I feed your memory.
The deeper I go the more I'm turning blue.
The sandy beaches drift in time
And the changing tide I know
Won't bring me back to yesterday
And the Gulf of Mexico.
The sails out on the water will
Come take you away.
When your ship comes in I know its time to go
And the waves along the seawall
Tell me nothings here to stay
And no man is an island but I'm still all alone.
I'm weighing anchors from the past
As the south winds start to blow
Sailing out of yesterday
And the Gulf of Mexico.
I'll be sailing out of yesterday
And the Gulf of Mexico.

Ja, damals durfte man noch Lieder über den Golf von Mexiko singen. Rod Stewart und Bruce Springsteen haben das auch getan. Heute heißt der Golf nicht mehr so. Hat Donald Trump gesagt. All diese schönen Popsongs wird irgendwann keiner mehr verstehen, titelte die Welt zu diesem Thema. Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum schlug nach Trumps Namensänderung vor, den Süden der USA América Mexicana zu benennen. So hieß er einmal auf den Weltkarten des 17. Jahrhunderts: Warum nennen wir es nicht mexikanisches Amerika? Klingt gut, nicht wahr? Wir warten mal ab, was daraus wird. Und lassen einmal Dolly Parton ein patriotisches Lied singen. Das hat nur eine Strophe, aber Donald Trump hat das noch nie hingekriegt.

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Sonntag, 2. Februar 2025

Mina Loys Ulysses


Am 2. Februar 1922 erschien der Roman Ulysses von James Joyce. Wenn Sie den Romantitel mit dem Pfeil und dem irischgrünen Feld anklicken, sind Sie schon drin in Dublin, denn ich habe einen englischen Volltext für Sie. Der Penguin Verlag bietet hier auf 85 Seiten eine Leseprobe der deutschen Übersetzung von Georg Goyert aus dem Jahre 1927 an, das ist immerhin ein Zehntel des Romans. Und hier können Sie den Anfang des Romans in der Übersetzung von Hans Wollschläger aus dem Jahre 1973 lesen. Wollschlägers Übersetzung gibt es bei ebay ab 3,33€. Sie ist fehlerhaft und umstritten, aber eine korrigierte Version durfte dank einer Krimiautorin, die die Rechte an dem Text besitzt, nicht veröffentlicht werden. Sie können aber hier das Vorwort zu diesem nicht zugänglichen Text lesen. Und das erste wichtige Buch zum Ulysses von Stuart Gilbert aus dem Jahre 1930 habe ich hier auch noch im Volltext für Sie.

Den Tag des Erscheinens seines Romans hatte Joyce selbst bestimmt, es war sein vierzigster Geburtstag. Er feierte seinen Geburtstag am Abend mit Nora Barnacle (die er immer noch nicht geheiratet hatte) in dem italienischen Restaurant Ferrari's. In Richard Ellmans →Biographie (hier auch im Volltext) können wir lesen: He had brought with him a package containing his copy of 'Ulysses', and placed it under his chair. Nora remarked that he had thought about the book for sixteen years, and spent seven years writing it. Everyone asked to see it opened, but he seemed to shrink from producing it. After the dessert he at last untied the parcel and laid the book on the table. It was bound in the Greek colours - white letters on a blue field - that he considered lucky for him, and suggesting the myth of Greece and Homer, the white island raising from the sea. There was a toast to the book and its author which left Joyce deeply moved. 

Es gab an dem Abend erst zwei Exemplare des Buches, die vorab gedruckt und gebunden waren. Der Drucker Maurice Darantiere
hatte sie mit dem Schnellzug von Dijon nach Paris geschickt. Die anderen 998 Bücher waren noch nicht gedruckt. Sylvia Beach hatte die Bücher am Bahnhof abgeholt. Eins schickte sie mit dem Taxi zu James Joyce, das andere legte sie in das Schaufenster ihres Ladens. Eine Erstausgabe mit der Signatur von Joyce kostet heute 300.000 Euro. Zur Hundertjahrfeier des Ereignisses gab  es in diesem Blog am 2. Februar 2022 den Post Hundert Jahre 'Ulysses'. Auf dem Photo von Gisèle Freund im oberen Absatz trägt Joyce eine Armbanduhr, aber ich weiß nicht, von welcher Firma die Uhr ist. Angeblich soll Joyce immer mehrere Uhren bei sich gehabt haben, die alle verschiedene Zeiten anzeigten. Im Text von Ulysses findet sich der Satz: Very strange about my watch. Wristwatches are always going wrong. Wahrscheinlich trägt er deshalb eine Armbanduhr. Was bedeutet dem Genie schon Zeit? Er hätte sich für das Ereignis eine neue Uhr kaufen können, so etwas hätte ich getan. Aber er kauft sich einen neuen Ring. Auf den Photos von Gisèle Freund kann man seine Ringe sehen.

Heute habe ich zur Feier des Tages ein Gedicht von Mina Loy (hier im Bild), das den Titel James Joyce's Ulysses hat. Wenn man will, kann man den Titel auch als James Joyce is Ulysses lesen. Die Modernisten sind gut mit kleinen Wortspielen, James Joyce zeigt uns das auf jeder Seite. In einem Interview aus dem Jahre 1965 wird die 83-jährige Mina Loy sagen: I knew Joyce quite well, this was the time—I don’t know how they managed to get any printed. I’ve forgotten all that story. [Isn’t that the Sylvia Beach story? Yes, and . . . ] He had a terrible wife. Das mit dem terrible wife hat James Joyce nicht so gesehen, für ihn war Nora Barnacle seine Muse, auch wenn er siebenundzwanzig Jahre brauchte, um sie zu heiraten. Er hat sie als Molly in den Ulysses geschrieben.

Mina Loy, die Joyce auch gezeichnet hat, hat noch ein zweites Gedicht auf Joyce geschrieben, das Apology of Genius heißt. Sie und James Joyce haben sich nicht häufig getroffen. Aber sie standen sich nahe mit dem, was sie wollten und waren immer in Verbindung: What was Joyce like? He had a nice gentle smile, and I don’t know what basis our friendship was on, wird sie im Alter sagen. Sie hatte ihn 1965 beinahe vergessen. Aber dass sie das Gedicht James Joyce's Ulysses geschrieben hatte, das wusste sie noch, sie hat es in dem Interview vorgelesen (klicken Sie hier die Nummer 42 an).

Der in Paris privat gedruckte Roman Ulysses war sofort im Heimatland von Joyce (und in den USA) verboten. D.H. Lawrence wird mit seinem Roman  Lady Chatterly's Lover sechs Jahre später Ähnliches erleben. Aber es gab in England schon erste Rezensionen, so konnte man 1922 im Guardian lesen: No book has ever been more eagerly and curiously awaited by the strange little inner circle of book-lovers and littérateurs than James Joyce’s Ulysses. It is folly to be afraid of uttering big words because big words are abused and have become almost empty of meaning in many mouths; and with all my courage I will repeat what a few folk in somewhat precious cénacles have been saying – that Mr James Joyce is a man of genius. I believe the assertion to be strictly justified, though Mr Joyce must remain, for special reasons, caviar to the general. I confess that I cannot see how the work upon which Mr Joyce spent seven strenuous years, years of wrestling and of agony, can ever be given to the public. Es wird einige Zeit dauern, bis die Welt erkennt, was da am 2. Februar 1922 erschienen ist. Mina Loy hatte das sofort erkannt, James Joyce's Ulysses ist eine Buchrezension in Form eines Gedichts:

James Joyce's Ulysses

The Normal Monster
sings in the Green Sahara

The voice and offal
of the image of God

make Celtic noises
in these lyrical hells

Hurricanes
of reasoned musics
reap the uncensored earth

The loquent consciousness
of living things
pours in torrential languages

The elderly colloquists
the Spirit and the Flesh
are out of tongue

The Spirit
is impaled upon the phallus

Phoenix
of Irish fires
lighten the Occident

with Ireland’s wings
flap pandemoniums
of Olympian prose

and satinize
the imperial Rose
of Gaelic perfumes—
England
the sadistic mother
embraces Erin

Master
of meteoric idiom
present

The word made flesh
and feeding upon itself
with erudite fangs
The sanguine
introspection of the womb

Don Juan
of Judea
upon a pilgrimage
to the Libido

The press
purring
its lullabies to sanity

Christ capitalized
scourging
incontrite usurers of destiny
in hole and corner temples

And hang
The soul’s advertisements
outside the ecclesiast’s Zoo

A gravid day
spawns
gutteral gargoyles
upon the Tower of Babel

Empyrean emporium
where the
rejector-recreator
Joyce
flashes the giant reflector
on the sub-rosa



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