Montag, 31. Januar 2022

Robert E. Lee


1865: General Robert Edward Lee wird Oberbefehlshaber über die gesamte Armee der Konföderierten Staaten von Amerika im Sezessionskrieg, steht im Datenblatt für den 31. Januar bei Wikipedia. Wie so vieles in diesem Internet Lexikon ist das nicht ganz richtig. Am 31. Januar hat der zweite Confederate States Congress beschlossen, dass es einen General in Chief of the Armies of the Confederate States geben solle. Erst am 6. Februar wurde General Robert E. Lee dazu ernannt. Es ist ein Titel, der nichts mehr wert ist. Drei Monate später muss Lee kapitulieren.

Lincoln hatte 1861 Robert E. Lee durch den Generalleutnant Winfield Scott den Oberbefehl der Armee des Nordens anbieten lassen, aber der Mann aus Virginia hatte höflich abgelehnt: During the whole of that time, more than a quarter of a century, I have experienced nothing but kindness from my superiors & the most Cordial friendships from any Comrades. To no one Genl have I been as much indebted as to yourself for kindness & Consideration & it has always been my ardent desire to merit your approbation. I shall carry with me, to the grave the most grateful recollections of your kind Consideration, & your name & fame will always be dear to me. Lees Familie lebt seit zweihundert Jahren in Virginia, er kann nicht als Oberkommandierender des Norden gegen seinen Heimatstaat kämpfen. In der US Army gibt es allerdings noch sieben andere Colonels, die auch aus Virginia stammen, alle West Point Absolventen wie Lee. Alle sieben bleiben in der Armee der Nordstaaten.

Der Süden macht Lee zum Kommandeur der Armee von Virginia. Macht ihn zum Dreisternegeneral, aber diese Uniform wird Lee nicht tragen. Massa Robert trägt die Uniform eines Colonels der provisorischen Südstaatenarmee. Man erkennt ihn auch so, er ist mit einem Meter achtzig größer als die anderen Generäle. Der Süden hat Dreisternegeneräle, der Norden ist nicht so spendabel, da kriegt man nur zwei Sterne. Lincoln macht George McClellan zum Oberkommandierenden. Der steht gerne vor dem Spiegel und bewundert sich in seiner Uniform. Er kann organisieren und eine Armee aufbauen, aber vor einer Schlacht, da hat er Angst. Vor allem vor Robert Lee hat McClellan Angst. Das weiß Robert E. Lee, und seine Virginia Armee wird viele Schlachten im Bürgerkrieg gewinnen. Irgendwann wird Lincoln McClellan feuern, aber mit den Nachfolgern Burnside und Hooker hat er auch kein Glück. Burnside wird berühmt für seine buschigen Koteletten, die heute noch sideburns heißen. Nach Hooker sind angeblich Huren hookers genannt worden. Das stimmt nicht ganz, aber der trinkfreudige Hooker hat sehr viele hookers in seinem Camp. McClellan kandidiert bei der nächsten Wahl gegen Lincoln, aber auch da wird er verlieren.

Als die Schlacht von Gettysburg zu Ende war, hat es geregnet. Es regnet jetzt immer im Bürgerkrieg, wenn die Schlachten zu Ende sind. Meteorologen vermuten, dass es etwas mit dem Artilleriefeuer zu tun hat. Die Artllerie hatte am 3. Juli 1863 um 13 Uhr zu feuern begonnen, mit allem, was der Süden noch an Munition hatte. Zwei Stunden lang. Offiziell wird die Artillerie von General William Pendleton kommandiert, der diesen Posten wohl nur hat, weil er ein Freund von Präsident Jefferson Davis ist. In Wirklichkeit hat Colonel Edward Porter Alexander, der erst achtundzwanzig ist, die Befehlsgewalt. Er ist einer der fähigsten Ingenieure in den Reihen des Südens. 

Wenn Alexander mit der Kanonade fertig ist, soll der Angriff beginnen, der als Pickett's Charge berühmt geworden ist. Faulkner hat ihn in den Roman Intruder in the Dust hineingeschrieben. Ein Moment, den jeder Vierzehnjährige im Süden so im Kopf hat und jederzeit so abrufen kann: For every Southern boy fourteen years old, not once but whenever he wants it, there is the instant when it's still not yet two o'clock on that July afternoon in 1863, the brigades are in position behind the rail fence, the guns are laid and ready in the woods and the furled flags are already loosened to break out and Pickett himself with his long oiled ringlets and his hat in one hand probably and his sword in the other looking up the hill waiting for Longstreet to give the word and it's all in the balance, it hasn't happened yet, it hasn't even begun yet, it not only hasn't begun yet but there is still time for it not to begin against that position and those circumstances which made more men than Garnett and Kemper and Armistead and Wilcox look grave yet it's going to begin, we all know that, we have come too far with too much at stake and that moment doesn't need even a fourteen-year-old boy to think This time. Maybe this time with all this much to lose than all this much to gain: Pennsylvania, Maryland, the world, the golden dome of Washington itself to crown with desperate and unbelievable victory the desperate gamble, the cast made two years ago

Intruder in the Dust ist 85 Jahre nach der Schlacht von Gettysburg geschrieben, aber im Süden von William Faulkner sind Vergangenheit und Gegenwart ein großes Kontinuum. Und wahrscheinlich können noch viele im Süden den Beginn von Pickett's Charge so evozieren. Auf jeden Fall, nachdem sie die Ted Turner Produktion Gettysburg gesehen haben. Der Angriff wird ein Blutbad. General James Longstreet, Lees Befehlshaber in der Schlacht von Gettysburg, hat diese Schlacht, die sich so zufällig ergeben hat, nicht gewollt. Aber Lee zwingt ihn, auch noch am dritten Tag ohne Chance den Norden auf der kleinen Hügelkette anzugreifen. Longstreet ist sicherlich Lee kompetentester General, und Lee hält große Stücke auf ihn. Aber James Longstreet kommt nicht aus Virginia, wie die meisten Millionäre, Großgrundbesitzer und Sklavenhalter, die Robert E. Lee als Generäle um sich geschart hat. Nach der verlorenen Schlacht und dem verlorenen Krieg wird der Süden Longstreet zum Hauptschuldigen machen, denn Lee macht man nicht zum Schuldigen, der hat eine Art Heiligenstatus im Süden. Beinahe bis heute. Nach der verlorenen Schlacht ist Lee ohne Ziel auf dem Schlachtfeld umhergeritten und hat immer wieder ausgerufen, dass alles seine Schuld gewesen sei. Er hat Pickett angewiesen, seine Division zu sammeln, um den Rückzug zu sichern. General Lee, I have no division, wird Pickett sagen. Sein Bericht über die Schlacht hat Lee nicht gefallen, er verlangte eine neue Fassung. Keine Version ist erhalten.

Als Colonel Edward Porter Alexander das Feuer von Longstreets Artillerie einstellte, konnte er sehen, dass alles zu Ende war. Er sieht, wie General Armistead, den Hut in der Hand, erschossen wird, als er gerade die Kanonen des Feindes erreicht. Alexander sieht, wie Picketts Angriff scheitert, er spart jetzt jeden Schuss für den Fall, dass General Meade der zurückflutenden Armee des Südens nachsetzt. Doch der einzige, der auf Colonel Alexander zureitet, ist General Lee. Später kommt noch der englische Colonel Arthur Fremantle hinzu. Lee stellt die Colonels einander nicht vor, in dem Augenblick wird Alexander klar, wie er aussieht. Er trägt nur sein Hemd und die roten Hosen eines Artillerieoffiziers, nichts weist auf seinen Dienstgrad hin, seine Hosen sind zerfetzt. Er hat es der Nachwelt in Fighting for the Confederacy: The Personal Recollections of General Edward Porter Alexander beschrieben, ein Buch, das in klarer Sprache nichts beschönigt und nichts schönt. Und das erstaunlicherweise bis 1989 warten musste, bis es veröffentlicht wurde.

Die Armee von Virginia wird sich zurückziehen, das kurze Abenteuer, in den Norden zu marschieren und einen Angriff auf Washington zu versuchen, ist vorbei. General George Meade wird Lee nicht verfolgen, um den kümmerlichen Rest von Lees Armee zu vernichten. Er ist erst seit wenigen Tagen im Amt als Oberbefehlshaber der Army of the Potomac. Er möchte lieber ganz vorsichtig sein, er weiß, dass keiner seiner Vorgänger McClellan, Burnside und Hooker sich länger als ein halbes Jahr im Kommando gehalten haben. Er wird bis zum Kriegsende bleiben, obgleich er unter Ulysses S. Grant nicht mehr so viel zu sagen hat.

Am 9. April 1865 wird Robert E. Lee als Oberkommandierender der Südstaatenarmee, der er nur drei Monate war, in Paradeuniform (wieder als Colonel der CSA) gegenüber Ulysses S. Grant kapitulieren. Grant trägt die Uniformjacke eines einfachen Soldaten, da wird man als General nicht so schnell erschossen. Es ist noch Stroh von der Scheune, in der Grant zuvor geschlafen hatte, an der Uniform. I must have contrasted strangely with a man so handsomely dressed, six feet high and of faultless form, wird Grant später schreiben. Man unterzeichnet die Kapitulationsurkunde im Wohnzimmer des Farmers McLean in Appomattox Court House. Wilmer McLean hatte zuvor in Manassas gewohnt, da wo die erste Schlacht des Bürgerkrieges begann. Er kann sagen, dass der Krieg in seinem Vorgarten begann und in seinem Wohnzimmer endete. Die Nordstaatengeneräle, die bei der Kapitulation anwesend sind, kaufen Wilmer McLean seine ganze Wohnzimmereinrichtung ab, um ein Souvenir dieses Tages zu haben. Robert E. Lees Grundbesitz in Virginia wird 1864 enteignet und wird zum Nationalfriedhof Arlington, der Familie Lees wird zwanzig Jahre später eine Entschädigung von 150.000 $ zugesprochen. Zwei Monate nach der Kapitulation, am 23. Juni 1865 wird sich der letzte General der Südstaaten ergeben, es ist der Cherokee Häuptling Stand Watie

In Richmond (Virginia) gibt es eine Monument Avenue, da ritten bis vor kurzem Robert E. Lee, Stonewall Jackson und J.E.B Stuart noch stolz auf dem Pferd. Nach dem Bürgerkrieg konnte man gar nicht genug Statuen für die toten Helden des Bürgerkriegs aufstellen. William Faulkners Großvater, Colonel in der Südstaatenarmee, organisierte ein Ritterturnier, um das Geld für ein Soldatendenkmal zusammen zu bekommen. The stone statues of the abstract Union Soldier grow slimmer and younger each year -- wasp-waisted, they doze over muskets and muse through their sideburns, heißt es in Robert Lowells Gedicht For the Union Dead. Es ist der Steinfraß, der die steinernen Soldaten schlanker macht. Robert E. Lee kann er nichts anhaben, der ist aus Bronze.

Aber Bronze kann man einschmelzen, und das geschieht in Amerika seit einigen Jahren. Die Statuen von Lee und seinen Generälen werden entfernt, eingelagert, eingeschmolzen. Einst waren die Großgrundbesitzer und Sklavenhalter die Helden des Südens, jetzt nicht mehr. Braucht der Süden noch diese Denkmäler? Ambrose Bierce hat in seinem Devil's Dictionary ganz entschiedene Ansichten: Monument, n. A structure intended to commemorate something which either needs no commemoration or cannot be commemorated. Vielleicht ist das größte Denkmal des Bürgerkriegs der Nationalfriedhof von Arlington. Auch da ist Marse Robert, dem Präsident Lincoln einmal das Kommando der Armee des Nordens angeboten hatte, noch gegenwärtig. Selbst wenn es da kein Denkmal für ihn gibt. Aber das Grün hier, das war alles mal seins. Seine Villa Arlington House hat man stehen lassen, auch eine Art von Denkmal. Lowells Satz: Their monument sticks like a fishbone in the city’s throat gilt nicht nur für Boston, der gilt für all die Denkmale des Bürgerkriegs. Sie standen da für die Erinnerung an die Geschichte. 

Man hätte sie stehen lassen sollen. Auch das kleine Monument für den Brigadegeneral Stand Watie hat man entfernt und eingelagert. A lot is going on in this country in terms of racial strife and the Cherokee Nation plays a role in healing, and this is one of the ways we can do that, hat der Sprecher der Cherokee Nation erklärt. In honor of Gen. Stand Watie, the only full blood Indian Brig. Gen. in the Confederate Army. This brave Cherokee rendered heroic service to the Confederate cause in Ind. Terr. Born in GA. Dec. 12, 1806, died in Cher. Nat. Sept. 9, 1871. A tribute to his memory by Okla. Div. United Daughters of the Confederacy. 'Lest we forget.' stand auf dem Denkmal. Politischer Ikonoklasmus hin und her, aber ein Land sollte zu seiner Geschichte stehen.

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