Donnerstag, 13. Januar 2022

grüner wirds nicht

Die Stadt Kiel wurde auf einer Halbinsel gebaut, die von einem Seitenarm der Kieler Förde umgeben war. Von dem Seitenarm der Ostsee ist ein Binnengewässer übriggeblieben, das den Namen Kleiner Kiel hat. Am letzten Sonntag war der Kleine Kiel grün. Quietschegrün. Giftgrün. Was war passiert? Die Antwort war ein Bruch der Fernwärmeleitung am Dreicksplatz, da konnte das heiße Wasser dann schön die Bergstraße hinunterfließen. Es war nicht nur heiß, es war auch grün, weil die Stadtwerke im November des letzten Jahres das Wasser in den Fernwärmeleitungen grün eingefärbt hatten, um einer Leckage in der Leitung schneller auf die Spur zu kommen.

Die Ursache war am Sonntag schnell gefunden. So sah das sechzig Jahre alte Rohr mit dem meterlangen Riss aus, nachdem man es ausgebaut hatte. Die Reparatur dauerte noch bis zum Montag. Was nicht nur bedeutete, dass der Kleine Kiel grün wurde (die Farbe soll unbedenklich für Mensch und Natur und biologisch abbaubar sein), sondern dass es in tausenden von Wohnungen sehr kalt wurde. Durch den plötzlichen Druckabfall platzten auch an anderen Stellen im Ort die Leitungen. Bei mir stieg die Temperatur am Sonntagabend wieder an, aber viele rund um den Dreiecksplatz froren noch am Montag.

Eine innovative Idee aus der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt: In dem 373 Kilometer langen Wärmenetz fließt seit kurzem Fernwärmewasser in fluoreszierendem Grün. Was giftig klingt, ist in Wahrheit schonend für Umwelt und Ressourcen, konnte man im Mai 2021 auf der Seite des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft lesen. Und dann hieß es noch: Der Farbstoff ist gesundheitlich und wasserbiologisch unbedenklich. Ich bin da nicht so sicher, was auf dem Photo wie Nebel aussieht, ist der Wasserdampf des 115 Grad heißen Wassers. Der kleine Kiel kocht. Was als innovative Idee verkauft wird, ist übrigens ein alter Hut, andere Städte haben die Kolorisierung des Wassers der Fernwärme schon lange.

Wir wollen mal hoffen, dass das so schnell nicht wieder vorkommt. Ich schließe diesen kleinen Katastrophenbericht mit einem Gedicht von Ralph Grüneberger, in dem viel Grün drin vorkommt:

Ich suche das Grün

Ich suche das Grün
Deiner Augen und halte
Eine Flasche ins Licht.

Der winterkühne Spross
Eines Baumes
Neigt sich mir zu
Doch kann auch er für das Grün
Deiner Augen nicht taugen.

Auch der Vogel auf dem Wasser
Hat es nicht, obgleich
Er das Kleid dreier
Regenbogen trägt.

Ich stehe auf der Brücke
Und denke dein
Gesicht auf den Fluss:
Rauschgrüne Augen.

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