Montag, 19. Oktober 2015

Zeit der Unschuld


Heute um 20.15 Uhr zeigt Arte im Rahmen einer Hommage an Martin Scorsese (der gerade in der Cinémathèque Française gewürdigt wird) den Film Zeit der Unschuld (✺ The Age of Innocence). Es ist die Verfilmung eines Romans von Edith Wharton. Eine Autorin, die viel zu selten hier vorkommt (sie wird in den Posts ➱Henry James und ➱Lilla Cabot Perry erwähnt). ➱F. Scott Fitzgerald bewunderte die Freundin von Henry James, aber sie fand den ständig besoffenen Fitzgerald ein wenig disgusting. In ihren Erinnerungen A Backward Glance erwähnt sie ihn mit keinem Wort.

Dieses Bild kommt wie das oben mit Daniel Day-Lewis und Michelle Pfeiffer auch aus der Verfilmung eines Romans von Edith Wharton. Es ist ein Szenenphoto aus dem verloren gegangenen Stummfilm The Glimpses of the Moon. Zu dem Fitzgerald übrigens einige der Dialogtexte beisteuerte, die in dem Stummfilm auf Tafeln zu sehen waren. Der Film war damals (wie der Roman) ein Erfolg. Und machte die Autorin um zigtausend Dollars reicher.

Was man alles in der hervorragenden Wharton Biographie von R.W. B. Lewis nachlesen kann, die einen Pulitzer Prize erhielt. Den Wharton für The Age of Innocence auch erhalten hatte. Hier steht Daniel Day-Lewis neben der schnuckeligen Winona Ryder (die die May Welland spielt). Schöne Frauen, schöne Kostüme - was soll da noch schiefgehen? Ich hätte etwas zu nörgeln, weil der Film (der ein kommerzieller Flop war) nicht ansatzweise an eine Literaturverfilmung wie The Go-Between heranreicht (dazu gibt es ➱hier einen langen Post). Dies ist eher die amerikanische Variante einer Merchant-Ivory Produktion.

Das Problem des Filmes ist die voice-over narration, die das Panorama der opulent ausgestatteten Szenen zusammenzuhalten versucht. Scorsese hat dazu gesagt: I like theatre, but theatre is theatre and movies are movies. They should be separate. For The Age of Innocence I wanted to find a way of making something literary – and you know how America is cowed by the tyranny of the word– also filmic. I also wanted a massive use of the voiceover because I wanted to give the audience the impression I had while reading the book. 

Es ist eine problematische Sache mit der extradiegetischen Narration. Wie Theoriefreaks das nennen. Dazu gibt es in dem Post ➱Bertrand Tavernier ein kleine witzige Geschichte. In Filmen von ➱Terrence Malick kann das aufgehen. Es kann auch bei Literaturverfilmungen funktionieren, aber da gilt vielleicht die Warnung Harold Pinters. Der, als er an The Proust Screenplay arbeitete, ➱notierte: The use of voice over [sic] may be necessarily [sic] but, if so, I would think most sparingly. Und Scorseses voice-over geleitet uns durch die Handlung, trifft aber nicht (und kann das bei einer Autorin wie Wharton auch nicht) die Nuancen der Erzählweise des Romans. Aber ich will den Film nicht miesmachen, es ist etwas für das Auge. Und immer noch besser als der Rest des Fernsehprogramms. Ich habe den Film einmal mit abgeschaltetem Ton gesehen. War sehr schön.

Sie werden sich jetzt sicher fragen, was dieses Bild hier soll. Das ist nicht Jay am Sonntagabend nach dem Schuheputzen. Das ist auch nicht die Fortschreibung der vielen Posts zu den englischen Schuhen, die erst einmal mit einem Bild von meinem ➱Haderer endete. Das hier ist der italienische Meisterschuhmacher Stefano Bemer, der leider schon 2012 gestorben ist. Er hat wunderbare Schuhe gemacht, die Firma wird immer noch weitergeführt. Und was hat er mit diesem Post zu tun? Sie werden es nicht glauben, er hatte mal einen Lehrling namens Daniel Day-Lewis. Der stand eines Tages bei ihm in Florenz im Laden und wollte alles über Schuhe wissen. Und kam dann für die nächsten acht Monate jeden Morgen um acht, um das Handwerk zu lernen.

Es gibt heute außer diesem Fernsehtip noch irgendwann einen zweiten Post. Ich bin heute spendabel.

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