Montag, 19. Oktober 2015
cracked archangel
Nein, jetzt nicht noch mal ➱Nico, obgleich der Titel auch für sie passen würde. Cracked archangel hat Herman Melville den englischen Universalgelehrten Sir Thomas Browne genannt, der heute vor 410 Jahren geboren wurde. W.G. Sebald (der ➱hier einen Post hat) hat ihn in seinen Roman Die Ringe des Saturn hineingeschrieben. Melville hat sich immer wieder aus dem Werk des Arztes und Philosophen bedient. Haben andere auch getan. Das Motto von Edgar Allan Poes berühmter Erzählung The Murders in the Rue Morgue - What song the Syrens sang, or what name Achilles assumed when he hid himself among women, although puzzling questions, are not beyond all conjecture - stammt auch von Brown. Putzt ungemein. Als John Aubrey ihn um einen kurzen Lebenslauf (denn die Lebensläufe in seinem ➱Buch Brief Lives sind angenehm kurz) gebeten hatte, schickte ihm Browne diese Zeilen: I was born in St Michael's Cheap in London, went to school at Winchester College, then went to Oxford, spent some years in foreign parts, was admitted to be a Socius Honorarius of the College of Physicians in London, Knighted September 1671, when the King Charles II, the Queen and Court came to Norwich. Writ Religio Medici in English, which was since translated into Latin, French, Italian, High and Low Dutch, Pseudodoxia Epidemica, or Enquiries into Common and Vulgar Errors translated into Dutch four or five years ago. Hydriotaphia, or Urn Buriall. Hortus Cyri, or de Quincunce. Have some miscellaneous tracts which may be published.
So kurz fasst er sich in Religio Medici oder Urn Buriall sonst nicht. Sein Werk ist der wunderbarste Kuddelmuddel, den es gibt. Stilistisch eine Herausforderung, die englische Sprache verdankt ihm hunderte von Wörtern, die es vorher nicht gab. Natürlich solche Wörter, die man damals hard words nannte. ➱Dr Johnson, der Verfasser des ersten englischen Wörterbuchs (das Becky Sharp in ➱Thackerays Vanity Fair aus dem Kutschenfenster wirft), war von Thomas Brown begeistert: His style is, indeed, a tissue of many languages; a mixture of heterogeneous words, brought together from distant regions, with terms originally appropriated to one art, and drawn by violence into the service of another. He must, however, be confessed to have augmented our philosophical diction; and, in defence of his uncommon words and expressions, we must consider, that he had uncommon sentiments, and was not content to express, in many words, that idea for which any language could supply a single term.
Er wird anscheinend heute immer noch gelesen. In England ist gerade das Buch The Adventures of Sir Thomas Browne in the 21st Century von Hugh Aldersey-Williams erschienen, die Rezensenten sind von dem Buch sehr angetan. Ich komme allerdings nicht so recht in Versuchung, es zu kaufen. Thomas Brownes Werke stehen bei mir im Regal. Nicht mal in der zweiten Reihe. Ich will gerne gestehen, dass ich nicht alles gelesen habe. Ich weiß auch nicht, ob man ihn wirklich lesen muss. Manchmal ist er gut für Zitate wie Be able to be alone. Lose not the advantage of solitude, and the society of thyself. Aber er geht einem mit seiner Gelehrsamkeit auch furchtbar auf die Nerven. Im Gegensatz zu Michel Montaigne. Auf diesen Autor (der ➱hier im Blog immer wieder erwähnt wird) komme ich, weil uns Kindlers Literatur Lexikon sagt, dass man Browne den englischen Montaigne genannt hat. Wenn man die Wahl zwischen ihm und Montaigne hat, dann sollte man immer Montaigne lesen.
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