Mittwoch, 30. Juni 2010

Gone with the Wind


The sun shines bright in the old Kentucky home,
'Tis summer, the darkies are gay,
The corn top's ripe and the meadows in the bloom,
While the birds make music all the day.
The young folks roll on the little cabin floor,
All merry, all happy and bright:
By'n by Hard Times comes a knocking at the door,
Then my old Kentucky Home, good night!

Weep no more, my lady,
Oh! weep no more to-day!
We will sing one song for the old Kentucky Home,
For the old Kentucky Home far away.

Gut, wir sind nicht in Kentucky, wir sind auf Tara in Georgia, aber die Stimmung ist so ähnlich. Ewiger Sommer, und die darkies are gay. Die darkies werden nicht mehr gesungen (auf jeden Fall nicht mehr in der Nationalhymne von Kentucky), sind durch people ersetzt worden. Wir haben ja auch keine Negerküsse mehr, heißen jetzt Super Dickmann. Wörter kann man ändern, die Wirklichkeit selten. Tara ist die Plantage, die Scarlett O'Haras Vater gehört. Er hat sie beim Glücksspiel gewonnen. Die O'Haras gehören nicht wirklich zu der Südstaatenaristokratie. Das alles wissen wir natürlich aus einem Roman, der mit den Worten Scarlett O'Hara was not beautiful, but men seldom realized it when caught by her charm, as the Tarleton twins were anfängt. Und natürlich immer mit After all, to-morrow is another day aufhört. Nicht mit Frankly, my dear, I don't give a damn, wie viele glauben. Die Rede ist von Gone with the Wind, der heute im Jahre 1936 in die Buchhandlungen kam. Um genau zu sein, gab es schon eine Ausgabe vom Mai 1936, die aber vom Verlag zurückgezogen wurde. Eine Erstausgabe vom 30. Juni 1936 wird heute antiquarisch für ca. 15 $ (bei Amazon bekommen sie den Ausgabe vom September 1936 für 20 €) gehandelt, der Schutzumschlag dagegen ist viel mehr wert. Für eine Erstausgabe von Moby-Dick müsste man schon 60.000 bis 75.000 Dollars auf den Ladentisch legen.

Wenn Sie jetzt eins von den 10.000 Exemplaren vom Mai haben, mit Schutzumschlag und Autogramm von Margaret Mitchell, dann haben Sie schon ein Schätzchen. In exzellentem Zustand kann das schon knapp 10.000 Dollar wert sein. Ich habe nur die cheap edition des Macmillan Verlags von 1940, aber immerhin ein Hardcover und lesbar gedruckt. Bei tausend Seiten Text hat man es gerne gut lesbar. Die deutsche Ausgabe erschien 1937 beim Goverts Verlag in Hamburg, es gab 1941 einen Neudruck, der dann nach kurzer Zeit von den Machthabern vom Markt genommen wurde. Da waren aber schon 370.000 Exemplare verkauft. Wir können aus dem oben Gesagten ableiten, dass der Romanerstling der Journalistin aus Atlanta, Georgia, ein Bestseller mit Millionenauflage war (die erste Million wurde im Dezember 1936 erreicht). Melvilles Moby-Dick nicht.

Ich gönne ihr ja den Erfolg, er ist verdient. Bei vielen Bestsellern fragt man sich, warum dafür in Finnland Wälder abgeholzt werden mussten, aber bei Gone with the Wind muss man sagen; Respekt, Frau Mitchell. Es wird immer wieder gesagt, dass nach der Bibel Gone with the Wind das meistverkaufte Buch sei, aber dieser Satz ist wahrscheinlich in einer Werbeagentur entstanden. So richtig beweisen kann man das nicht, obgleich die Verkäufe in den ersten Jahren nach dem Erscheinen phänomenal waren.

Und falls Sie nun eine 1-Cent Margaret Mitchell Marke aus dem Jahre 1986 haben, muss ich Ihnen sagen, die ist leider auch nicht viel wert. Obgleich es natürlich eine Art Margaret Mitchell Reliquienkult gibt. Und es in den Südstaaten der USA eine Vielzahl von Veranstaltungen gibt, die den Roman und seine Heldin ständig wiederauferstehen lassen. Japanische Touristen müssen unbedingt ein Scarlett O'Hara Double photographieren. Wenn eins nie zu Ende ist, dann ist es der amerikanische Bürgerkrieg.

Das quietschegrüne hier links ist der Umschlag von einem wirklich wunderbaren Buch, das im Untertitel Dispatches from the Unfinished War heißt. Der Pulitzer Preisträgers Tony Horwitz bewegt sich hier auf den Spuren des Bürgerkriegs, 130 Jahre nach seinem Ende, und Scarlett O'Hara Doubles kommen hier natürlich auch drin vor. Das Buch ist auch mehr als nur frecher Journalismus im Stil von Tom Wolfe, irgendwie dringt es tief bis zum heart of darkness der amerikanischen Seele vor.

Gone with the Wind ist ein historischer Roman, und er besitzt alle Elemente des Genres, das Sir Walter Scott mit Waverley, or, 'tis sixty years since erfunden hat. Bei aller Verherrlichung der Vergangenheit (das, was die Literturwissenschaft den lost cause myth nennt), ist es auch ein historisch erstaunlich korrekter Roman. Margaret Mitchell, die southern belle, die jetzt im Journalismus dilettiert, hat schon ihre Hausaufgaben gemacht. Natürlich ist der Roman auch ein bisschen Blut und Boden Literatur, und seine etwas fragwürdige Ideologie verherrlicht die Pflanzeraristokratie des Antebellum South, für die die darkies nur eine Nebenrolle spielen. Aber wen interessiert das, wenn in ganz Amerika die Great Depression herrscht? Da flieht man doch gerne zurück in die Welt der Lieder von Stephen Foster und des old Kentucky home. Das Schöne an Gone with the Wind ist, dass der Roman eine herrlich unmoralische Heldin hat. Frauenfiguren wie Melanie Wilkes gibt es in der Literatur zuhauf, aber die Scarlett O'Haras als würdige Nachfolgerinnen von Thackerays Becky Sharp sind eher selten.

Drei Jahre nach Gone with the Wind bekommt Amerika einen anderen Bestseller, der eine ganz andere Seite des amerikanischen Südens zeigt. Wo die Menschen nicht vornehm aristokratisch sind, sondern eher richtig prollig wie die Familie Joad. Der Roman heißt The Grapes of Wrath und er spielt in der Gegenwart, in der Welt der Okies, der Staubstürme und der Route 66. Das Buch wurde am Ende des Jahres 1939 eine halbe Million mal verkauft, war aber aus vielen Büchereien verbannt und in einigen Counties sogar verbrannt worden, wie man in Rick Wartzmans Buch Obscene in the Extreme: The Burning and Banning of John Steinbeck's The Grapes of Wrath nachlesen kann. Einen Pulitzerpreis hat es aber (wie Gone with the Wind) dennoch bekommen. Es sind zwei verschiedene Versionen des amerikanischen Südens, aber im Zweifelsfall zieht man doch die Welt der Nostalgie und die Welt von Tara dem harten Alltag vor.














1 Kommentar:

  1. Jetzt bin ich richtig entäuscht: "Scarlett O'Hara was not beautiful...",
    Okay, Englisch ist not so mei Ding, wie wir in Sachsen sagen, aber der Satz: "Scarlett O´Hara war nicht eigentlich schön zu nennen..." ist doch viel ansprechender als "not beautiful". Der stand nämlich in der Ausgabe, die ich erstmals 1990 erwarb, als ein solcher Südstaatenschinken im Osten Deutschlands erwerbbar wurde. Das war keine Erstausgabe sondern Paperback in drei Bänden.

    Sorry, der Satz stand nicht einfach nur dort, denn zuerst las in der AULA von Hermann Kant davon. (Hoffentlich bekommen Sie jetzt keine Zahnschmerzen). Denn der Iswall, die Hauptfigur erzählt in diesem Roman, dass er das Werk, in sowjetischer Gefangenschaft des Nachts unter einer Glühbirne in der Gefangenenküche las.

    Ich glaube, ich schreib gleich erst mal in meinem Blog von verwehten Winden... Natürlich nicht ohne hier hemmungslos abzuschreiben bei exakter Quellenangabe versteht sich.

    Sollte ich die Worte nach dem Komma einfach mißachtet haben, so bitte ich das meinen mangelnden Sprachkenntnissen zuzuschreiben.

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