Sonntag, 20. Juni 2010

Stuarts


Es zieht sich eine blutige Spur
Durch unser Haus von Alters,
Meine Mutter war seine Buhle nur
Die schöne Lucy Walters.

Am Abend war’s, leis wogte das Korn,
Sie küßten sich unter der Linde,
Eine Lerche klang und ein Jägerhorn, –
Ich bin ein Kind der Sünde.

Meine Mutter hat mir oft erzählt
Von jenes Abends Sonne,
Ihre Lippen sprachen: Ich habe gefehlt!
Ihre Augen lachten vor Wonne.

Ein Kind der Sünde, ein Stuartkind,
Es blitzt wie Beil von weiten,
Den Weg, den alle geschritten sind,
Ich werd’ ihn auch beschreiten.

Das Leben geliebt und die Krone geküßt
Und den Frauen das Herz gegeben,
Und den letzten Kuß auf das schwarze Gerüst, –
Das ist ein Stuart-Leben.


Das ist Fontanes Lied des James Monmouth. Am heutigen Tag hat sich James Scott, der illegitime Sohn von Charles II zum König von England erklärt, der Beginn der so genannten Monmouth Rebellion. Wenn wir Fontanes Gedicht gelesen haben, wissen wir, wie es ausgeht. Fontane hat es im Sommer 1853 geschrieben und es in seine Erzählung James Monmouth eingefügt (1854). Später war es dann zusammen mit anderen schottischen Themen (die Fontane immer faszinierten, nicht nur als er Jenseit des Tweed schrieb) auch in der Sammlung der Gedichte.

Die schöne Lucy Walters war eine der vielen Mätressen von Charles II. Unter Historikern ist es immer noch umstritten, ob Charles sie nicht doch heimlich geheiratet hat. Er hat seinen illegitimen Sohn anerkannt und ihm den Titel eines Herzogs von Monmouth verliehen, ihn aber nicht zum Thronfolger gemacht. Das macht James Scott jetzt selbst. Die Zeitgenossen äußern sich nicht sehr schmeichelhaft über die adlige Lucy Walters. Samuel Pepys bezeichnet sie als common whore. Dieser Samuel Pepys (der sich Pieps ausspricht) ist ein hoher Beamter der Admiralität, der in seiner Zeit ein geheimes Tagebuch geführt hat, eine Fundgrube für das tägliche Leben im London des 17. Jahrhunderts. Heute ist es natürlich nicht mehr geheim, man kann es kaufen und lesen. Es ist eins der berühmtesten Tagebücher der englischen Literatur, und es ist eine wunderbare Lektüre!

Charles II nimmt seinen Sohn zu sich, als der zehn ist, da kann er weder lesen noch schreiben, bitte oder danke sagen. Wenn man bei der Mutter in einem Bordell aufwächst, ist das vielleicht auch nicht die richtige Erziehung für einen Königssohn. Bevor er unter das Beil von Jack Ketch kommt (der im Englischen heute noch ein Synonym für den Henker und für den Tod ist), führt er ein ebenso wildes Leben wie sein Vater, den man The Merry Monarch genannt hat. Allerdings hat er nicht so viele Mätressen wie Charles II. Es ist eine wilde Zeit, wenn man einen Eindruck davon bekommen will, sollte man die Biographie lesen, die Graham Greene über einen Freund des Königs geschrieben hat. Sie hat den schönen Titel Lord Rochester's Monkey, und dieser John Wilmot, zweiter Earl of Rochester übertrifft seinen königlichen Freund im wüsten Leben sicher noch. Er ist neben seiner Tätigkeit als adliger Playboy auch noch Dichter. Obgleich man seine Satiren und seine schmutzigen Verse heute etwas weniger liest, sein Epitaph für Charles II hat die Zeiten überdauert:

Here lies our Sovereign Lord the King
whose word no one relies on,
who never said a foolish thing
nor ever did a wise one.

Johnny Depp hat Rochester in dem Film The Libertine gespielt (John Malkovich spielte Charles II), aber bevor man Geld für den Film ausgibt, sollte man sich lieber das bezaubernde kleine Theaterstück The Libertine von Stephen Jeffreys kaufen, das die Basis für den Film war. Ganze Bände könnte man zusammendrucken, schrieb Goethe über Rochesters A Satyr against Reason and Mankind, welche als ein Kommentar zu jenem schrecklichen Text gelten könnten. Und damit wir auch etwas von dem schrecklichen Text lesen können, hier Rochester im O-Ton:

Bless me! thought I, what thing is man that thus
in all his shapes, he is ridiculous?
Ourselves with noise of reason we do please
in vain: humanity's our worse disease.

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