Donnerstag, 17. Juni 2010

Bunker Hill


Es war heiß an diesem 17. Juni als die Rotröcke unter dem Kommando von Sir William Howe die Schlacht von Bunker Hill beginnen. Den halben Tag hatten sie gebraucht, um mit Booten hierher an die Südspitze der Halbinsel gebracht zu werden. Mit Bunker Hill beginnt 1775 die erste Schlacht des Unabhängigkeitskrieges, Lexington und Concord zuvor waren nur kleine Scharmützel. Als Sir William am Abend Breed's Hill (und Bunker Hill) erstürmt hat, muss er die Strümpfe wechseln. Seine weißen Seidenstrümpfe sind rot von Blut. Sein Sieg ist das, was man so schön einen Pyrrhussieg nennt. Die Hälfte seiner Soldaten sind verwundet oder tot, die meisten seiner Offiziere sind tot. Von nun an nehmen die Engländer die abtrünnigen Hinterwäldler ernst. Whoever looks upon them as an irregular mob will be much mistaken, schreibt Lord Percy nach London. Lord Percy (der spätere Herzog von Northumberland) ist Brigadegeneral und hat gerade die Kompanie gerettet, die man zur Demonstration englischer Stärke nach Concord geschickt hatte. Er ist einer von vielen englischen Generälen, die heute in Boston sind. Sein Vorgesetzter ist Sir Thomas Gage, der auch Gouverneur von Massachusetts ist. Der ist schon lange in Amerika, war gemeinsam mit dem jungen Colonel George Washington im French and Indian War. Er hat eine sehr schöne Frau, die allerdings wohl mit den Rebellen sympathisiert.

Margaret Kemble Gage ist die schönste Frau von New York, man nennt sie heimlich The Duchess. Sie hat ihren eigenen Kopf, Thomas Gage schickt sie nach England, damit sie kein Unheil mehr anrichten und geheime Pläne weitergeben kann. Wenig später ist auch er wieder in England, etwas schmachvoll aus Amerika abberufen. Sein Gehalt als Gouverneur von Massachusetts wird ihm aber weiter bezahlt. John Singleton Copley hat Margaret Kemble gemalt, nachdenklich hingegossen auf einer Ottomane, einen modischen Paisley Schal im Haar drapiert. Wenn sie 1824 im Alter von neunzig Jahren stirbt, ist Bunker Hill (der Anfang vom Ende der englischen Herrschaft) schon beinahe ein halbes Jahrhundert Geschichte. Sir William Howe mit seinen blutigen Seidenstrümpfen wird der Nachfolger von Thomas Gage werden. Er ist einer von drei englischen Generälen, die man gerade neu nach Amerika geschickt hat. Die beiden anderen, John Burgoyne und George Clinton, werden im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg noch eine Rolle spielen. Sie werden aber genau so glücklos sein wie Gage und Howe. Wir sind im Zeitalter der Aufklärung, aber so furchtbar viel Intelligenz bringen Englands Generäle nicht mit in die Kolonien.

Dies Bild von General Gage ist auch von Copley, das ganz oben ist von John Trumbull gemalt worden, der ein Augenzeuge des Geschehens war. Allerdings von sehr weit weg. Er ist zwanzig Jahre alt, Harvard Absolvent. Sein Vater ist der Gouverneur von Connecticut, der einzige englische Gouverneur, der zu den Rebellen übergeht. Trumbull malt das Bild 1786 in London im Studio des berühmten Benjamin West. Da ist er Colonel John Trumbull, man wird da schnell befördert, wenn man aus Harvard kommt und alle wichtigen Leute kennt. Und Pappi ein einflussreicher Politiker ist. Trumbull ist einmal für wenige Wochen Washingtons Adjutant gewesen, verlässt allerdings die Armee schon 1777 (weil seine Ernennung zum Colonel angeblich falsch datiert ist), um in London bei Benjamin West seine Malkünste zu perfektionieren. London ist nun nicht gerade der ideale Ort für einen amerikanischen Maler, außer wenn man wie West der Lieblingsmaler von George III ist. Als die Amerikaner den Major ➱John André gehängt haben, verhaftet man Trumbull als Spion und wirft ihn ins Gefängnis. Er lebt da allerdings recht luxuriös, und seine beiden amerikanischen Malerkollegen Benjamin West und John Singleton Copley erwirken beim König, dass er nach Amerika zurückkehren kann. Er wird später nach London zurückkommen. Sogar in diplomatischer Funktion, als Mitglied der Kommission von John Jay, der mit den Engländern einen Friedensvertrag aushandelt.

Dieses Bild kennt in Amerika jedes Schulkind, es zeigt die Unterzeichnung der Declaration of Independence am 4. Juli. Es ist in jedem Schulbuch (obgleich die Sache gar nicht am 4. Juli stattfand, ist das heute der Nationalfeiertag), es ist auch von Trumbull gemalt, der sich jetzt auf historische Ereignisse spezialisiert hat. Von Bunker Hill bis zu dem Augenblick, in dem der General George Washington den Oberbefehl über die amerikanische Armee niederlegt, Colonel Trumbull malt das alles. Peinlich detailliert genau. Er ist auf einem Auge blind, dafür sieht er mit dem anderen jetzt umso genauer. Er ist, das müssen wir leider sagen, kein wirklich großer Maler. Obgleich er bei West und bei dem Franzosen Jacques-Louis David studiert hat (Trumbull sprach fließend Französisch), kommt er an die großen Werke seiner Lehrer nicht heran.

Dies hier ist Wests berühmtes Bild vom Tod des englischen Generals Wolfe bei Quebec (da kämpfen die Engländer noch gegen die Franzosen und nicht gegen ihre amerikanischen Landsleute), das erste Historienbild in der Geschichte der Malerei, das ein zeitgenössisches Ereignis festhält. Allerdings muss man sagen, dass Wests Bild die Figuren etwas statisch festhält, die klassische Komposition hat nicht diese Dynamik, die den Hügel herauf stürmenden Engländer haben. Der Generalmajor der Miliz von Massachussetts Joseph Warren (der hier als einfacher Soldat kämpfte) liegt schon tot am Boden. Von der Gruppe über ihm wird nur Captain Thomas Knowlton (der mit der heldenhaft entblößten Brust und dem Gewehr in der Hand) den Angriff überleben. Aber auf englischer Seite liegt in der Bildmitte schon Major John Pitcairn sterbend in den Armen seines Sohnes. So weit nach oben auf den Hügel ist der Kommandeur der Marines (der wenige Wochen zuvor noch den Amerikanern in Lexington lay down your arms, you damned rebels zugerufen hatte) in Wirklichkeit gar nicht gekommen. Er starb schon unten am Hügel. Einer seiner Söhne Dr. David Pitcairn diente Jahre später Trumbull in London als Modell, der war ein berühmter Arzt und Gelehrter (ein anderer der Söhne von Pitcairn, der Seekadett Robert Pitcairn hat die nach ihm benannten Inseln entdeckt).

Als Trumbull sein Bild im März 1786 fertig hat, möchte er gerne einen Kupferstich davon haben. So etwas kann man immer gut verkaufen. Aber alle englischen Kupferstecher weigern sich. Er findet endlich jemanden in Stuttgart: Johann Gotthard von Müller (der auch Bilder von Tischbein und Anton Graff in Kupfer gestochen hat) hat keine politischen Bedenken, den amerikanischen Freiheitskampf zu verherrlichen. Im Alter von 75 Jahren hat John Trumbull mit der Universität Yale einen Deal gemacht, alle seine Bilder gegen eine Jahresrente von tausend Dollar. Na ja, dachte man sich in der Universitätsspitze, er wird vielleicht noch ein, zwei Jahre leben. Er lebte noch zwölf Jahre. Seine Gemäldesammlung war der Grundstock für die Yale University Art Gallery.

Kurz nach der Schlacht von Bunker Hill trifft Washington, gerade zum Oberbefehlshaber ernannt, in Boston ein. Er ist John Trumbull dankbar für die Landkarten, die der junge Mann angefertigt hat. Und er hört auch etwas später auf einen jungen Buchhändler aus Boston namens Henry Knox. Der hat alles über Artillerie gelesen, was er in Büchern finden kann, und er schlägt Washington einen verwegenen Plan vor. Er will die in Fort Ticonderoga erbeuteten englischen Kanonen im Winter auf Pferdeschlitten nach Boston bringen. Diese Amerikaner haben die Kriegskunst nicht wie die englischen Generäle auf Europas Schlachtfeldern gelernt, aber sie sind erfinderisch. Im Januar hat Washington 59 englische Kanonen und Mörser, mit denen er Boston bombardieren kann.

Überall auf dem Weg von Fort Ticonderoga am Lake Champlain bis Cambridge stehen heute diese Steine, die den Weg durch Schnee und Wildnis von Henry Knox und seinen Kanonen markieren. Dem englischen General Sir William Howe bleibt nur die Flucht nach Halifax (mit ihm fliehen viele amerikanische Loyalisten nach Nova Scotia und New Brunswick). Er wird wiederkommen. Aber erst einmal ist dieses Kapitel des Unabhängigkeitskrieges zu Ende. In Boston ist der Evacuation Day (17. März) heute noch ein Feiertag. Washington wird nie vergessen, was der Buchhändler aus Boston Henry Knox getan hat. Knox wird General und Chef der Artillerie und eines Tages Kriegsminister der neuen Vereinigten Staaten.

2 Kommentare:

  1. Bei Bunker Hill fällt mir allerdings nur ein filmisches Machwerk über eine Kadettenanstalt mit Tom Cruise und anderen ein. Aber Dank Ihnen weiß ich jetzt ein Stück mehr zum Thema Unabhängigkeitkrieg und von einem Typen namens John Trumbull.
    Außerdem wage ich darauf hinzuweisen, dass Fort Knox wohl nach diesem Kriegsminister benannt wurden ist. Nein, ich hab nicht in Wikipedia nachgeschaut, ich nehme das einfach mal an.

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  2. Ja, Fort Knox heißt nach Henry Knox. Irgendwie muss der Ruhm des Buchhändlers aus Boston, der alle Bücher über die Artillerie gelesen hatte, ja weiterleben.

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