Dienstag, 22. Juni 2010

Observatorium


22. Juni 1675: Charles II gründet die Sternwarte von Greenwich, könnte die Schlagzeile gelautet haben. Nicht dass ihn die Wissenschaft wirklich interessiert, aber er hat im französischen Exil gelernt, dass es sich immer gut macht, ein Patron der Wissenschaft und der Künste zu sein. Er hat sich auch so malen lassen. Die eine Bildhälfte ist voll mit ihm, in einen überdimensionierten Mantel des Hosenbandordens gehüllt. Die rechte Bildhälfte, auf die sein Arm zeigt, enthält alles, was jetzt wichtig ist. Schiffahrt, Fernrohr, Globus, Karten und Bücher. Man hat ihm einen jungen Mann namens John Flamsteed empfohlen, der jetzt sein persönlicher astronomical observator wird (der Titel ändert sich wenig später in Astronomer Royal). Kriegt auch gleich eine Sternwarte gebaut. Von Charles' Lieblingsarchitekten Sir Christopher Wren, der gerade London nach dem Brand von 1666 wieder aufgebaut hat.

Und Flamsteed bekommt 100 Pfund im Jahr. Fertig. Das reicht zwar nicht aus, um eine Sternwarte zu finanzieren, aber Charles weiß, dass Flamsteed einen reichen Gönner namens Sir Thomas Moore hat. Soll der das doch finanzieren. Der Bau von Flamsteed House hat 520 Pfund gekostet, finanziert durch den Verkauf von schon angegammeltem Schießpulver.

Flamsteed bringt seine eigenen Instrumente mit, nach seinem Tod 1719 wird seine Witwe alle Teleskope und Instrumente aus dem Haus entfernen. Da muss sein Nachfolger Edmond Halley (nach dem der Halleysche Komet benannt ist) sehen, wo er seine Instrumente herbekommt. Flamsteed House steht heute immer noch (und heißt immer noch so), es ist Teil des National Maritime Museum in Greenwich. Den berühmten Octagon Room (Bild), der von Wren für Flamsteeds Beobachtungen gebaut worden war, kann man heute für Abendgesellschaften mieten.

1884 hat man festgelegt, dass der Nullmeridian durch das Royal Observatory verläuft, die Weltzeit ist jetzt in englischer Hand. Vierzig Jahre lang hat Flamsteed hier die Gestirne beobachtet, alle Sterne am englischen Sternenhimmel verzeichnet und nummeriert (die Flamsteed Nummern werden zum Teil heute noch verwendet). Sein großer Widersacher Sir Isaac Newton hat Flamsteed die Ergebnisse geklaut und in einem Buch veröffentlicht, in dem Flamsteeds Name nicht vorkommt. Da hat John Flamsteed alle Bücher gekauft, deren er habhaft werden konnten und sie vor dem Flamsteed House verbrannt. Die Wissenschaft geht seltsame Wege.

Eine der Aufgaben des Royal Observatory war, so steht es in der königlichen Charter, dass Flamsteed the most exact Care and Diligence verwenden sollte to rectify the Tables of the Motions of the Heavens, and the Places of the fixed Stars, so as to find out the so-much desired Longitude at Sea, for perfecting the art of Navigation. Das ist der Traum, genaue Sternkarten und Berechnungen der Mondbahn zu haben, um den Längengrad feststellen zu können. Breitengrade feststellen, das kann man, aber den genauen Längengrad berechnen, das ist noch keinem gelungen. 1714 wird durch den Longitude Act ein Preis von 20.000 Pfund Sterling ausgelobt für denjenigen, dem die Lösung des Longitude Problems gelingt.

Die Engländer werden zwar den Sextanten erfinden, der den Jakobsstab ablöst, aber die Lösung des Longitude Problems wird von Seiten der Uhrmacher kommen, wenn John Harrison zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit eine genau gehende Uhr baut. Heute könnte man das mit jeder billigen Quarzuhr machen. In dem Theaterstück The Libertine von Stephen Jeffreys zerstören die adligen Wüstlinge Rochester und Sackville nachts des Königs Sonnenuhr, weil Rochester enttäuscht ist, dass er die Zeit in der Dunkelheit nicht ablesen kann: He calls himself King!! The greatest patron of the arts and sciences in Europe. The nimble mind bounding with ease from subject to subject. Cunt spends sixty thousand pounds on a clock and it doesn't work in the dark. 

Mit den Rufen Down with Time and Kings! zerschlagen sie die Sonnenuhr. Wenn vielleicht diese Worte nicht in der Juninacht 1675 gefallen sind, aber das Ereignis hat sich Jeffreys nicht ausgedacht: My Lord Rochester in a frolick after a rant did yesterday beat doune the dyill which stood in the midle of the Privie Garding, which was esteemed the rarest in Europe. I doe not know if it is by the fall beet in peeces. Da muss man ja ein Observatorium bauen, wenn die adligen Freunde nachts besoffen die Sonnenuhr kaputtmachen. So soll die berühmte Sonnenuhr ausgesehen haben, die mehr gekostet hat als Flamsteed House.

Man hätte natürlich auch eine kleinere, billigere Sonnenuhr nehmen können, wie diese hier. Die ist von einem gewissen Hilkiah Bedford 1663 oder 1664 gebaut worden, und sie funktioniert heute noch. Natürlich nicht nachts. Die schönste Erzählung der Geschichte des longitude problem und der Zeitmessung findet sich in Dava Sobels Buch Longitude. Man sollte unbedingt die illustrierte Ausgabe lesen, die Sobel später zusammen mit William Andrewes herausgebracht hat.

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