Man weiß nicht so ganz genau, wer dieser griechische Chronos war, den Goethe als Schwager Kronos bedichtete, aber er hat irgendetwas mit der Zeit zu tun. Weshalb wir seinen Namen in Chronometern, Chronographen und einem Uhrenmagazin namens Chronos wiederfinden. Dieser Chronos wird häufig mit dem Titanen Cronus verwechselt, der der Vater von Zeus war. Der hatte als Attribut, wie Kunsthistoriker diese Beigaben nennen, die Sense. Welches Instrument er auch immer verwendete, er ist derjenige, der seinen Vater Uranos kastrierte.
Mit all dem hat der Vater der Zeit, der Flügel hat und den Zodiac Bogen dreht, nichts zu tun. Aber irgendwann (nicht in griechischer Zeit) bekam er auf Bildern, Deckengemälden und Statuen, bei denen er eine Allegorie der Zeit ist, auch diese mörderische Sense in die Hand. Falls Sie ihre Kenntnis von griechischen Göttern, Halbgöttern und Helden auffrischen wollen, kann ich die Lektüre des Posts Heldensagen empfehlen. Das ist ein Post, der schon siebeneinhalbtausend Leser hat (genau zwanzigtausend Leser weniger als der Post Morning Coat).
Die sehr flache 36 mm große Cronos kam 1958 auf den Markt. Es war eine Uhr, mit der die Firma →Daini Seikosha dem Modell Seiko Marvel von Suwa Seikosha Konkurrenz machen wollte. In der Geschichte von Seiko hat die Marvel mit 23 Steinen eine besondere Bedeutung, weil man sie als eine Vorstufe der Grand Seiko ansehen kann. Dazu habe ich hier eine sehr interessante Seite mit dem Titel →The birth of Grand seiko or how the Marvel changed Seiko's history. Wir sind jetzt zehn Jahre vor der Zeit, da Seiko die erste Quarzuhr auf den Markt bringt. Die beiden Abteilungen von Seiko (Suwa und Daini) kämpfen darum, wer die flachste Uhr mit einen Qualitätswerk auf den Markt bringt. Sie werden in dem Jahrzehnt, bevor sie die Welt mit der Quarzuhr Seiko Astron überraschen, erstaunliche Uhren bauen. Alle diese Uhren waren JDM Uhren (Japanese Domestic Market), viele hatten ein Chronometerzertifikat.
Man kann das bei dieser →Seiko Goldfeather aus dem Jahre 1960 sehen, dass sie ein ganz flaches Uhrwerk hat. Nur drei Millimeter war es hoch, das flachste Werk der damaligen Zeit. Und es waren zum ersten Mal Werke, die Seiko vollständig selbst konzipiert und gebaut hatte. Vorher hatten sie noch Werke aus der Schweiz bezogen (zum Beispiel von Moeris) und Schweizer Werke kopiert. Jetzt sind sie wirklich eine Manufaktur. Man bezeichnet im Englischen diese eleganten Uhren als dress watch, also Uhren, die man bei besonderen Gelegenheiten trägt. Wenn Daini die Goldfeather hatte, dann hatte Suwa 1960 die → Liner, eine flache dress watch (die es auch als Chronometer gab), die allerdings nur vier Jahre gebaut wurde,
Man trägt damals eine dress watch zu eleganten Anzügen und zum Smoking. Was dieser Herr hier trägt ist definitiv keine dress watch, das ist eigentlich nur geschmacklos. Zurückhaltung ist bei Uhren in den sechziger Jahren noch angesagt. Die Mark Zuckerbergs, die Uhren für 900.000 Dollar tragen, gibt es noch nicht. Im ersten James Bond Film hält man sich noch an die Konventionen, da trägt James Bond auch nicht die fette Rolex, die ihm der Produzent Cubby Broccoli für die Dreharbeiten geliehen hatte; nein, er trägt eine goldene Gruen mit dem Kaliber 510. Sean Connery hat die goldene Gruen übrigens in mehreren Filmen getragen, wir können sie auch in Goldfinger sehen, wenn er mit Oddjob kämpft und die Welt rettet. Kann man alles mit einer Gruen machen, dafür braucht man keine Omega oder Rolex.
Die erste Cronos sah aus wie eine Golduhr, das Gehäuse war allerdings nicht reines Gold, sondern 14K Gold Filled. Das ist aber schon beinahe richtiges Gold. Das Gold Filled Verfahren wurde früher von den amerikanischen Herstellern von Taschenuhren verwendet, die auf ihre Produkte bis zu siebzig Jahren Garantie gaben. Meine Cronos aus den sechziger Jahren sieht immer noch wie neu aus. Seiko brachte 1959 die Cronos auch mit einem →Edelstahlgehäuse heraus, das allerdings nicht mehr acht Millimeter flach war wie die goldene Cronos.
Es war keine dress watch mehr, es war eine Sportuhr, auf deren Boden → WaterProof stand. Fünfzig Meter sollten es sein. Den Gehäuseboden zierte das kleine Seepferdchen, das sich auch auf meiner alten Seiko Champion 850 Sea Horse (und meiner Skyliner) findet. Seiko verwendete das Seepferdchen als Symbol für wasserdichte Uhren nur bei den Handaufzugsuhren. Wasserdichte Automatikuhren bekamen einen Delphin auf den Gehäuseboden. Auf dem Zifferblatt stand entweder Water50Proof oder Sea Horse und wenn Sie diese Uhr, die Seiko auch als die erste ✺Taucheruhr bewarb (wie man hier sehen kann), mal in voller Arbeit sehen wollen, dann klicken Sie dieses ✺Video an.
Diese beiden Cronos Modelle, die verschieden sind wie Tag und Nacht, haben eins gemeinsam: das Uhrwerk 54. Es hat 21 Rubine und eine ziemlich große (11,5 mm) Unruhe. Die Unruhe wird nicht, wie das bei Armbanduhren sonst üblich ist, von einem Kloben gehalten. Sie ist stabil unter einer Brücke angebracht. Rolex hat sein Kaliber 3135 seit 1988 auch unter einer Brücke. Die Konstrukteure von Uhrwerken wussten immer um diese leichte Schwäche der Stabilität der Antriebseinheit. Deshalb verschraubte Dr Kurtz bei seinen in Westdeutschland hergestellten Glashütter Uhren (die zum ersten Mal in Deutschland eine Breguetspirale hatten) den Kloben ziemlich massiv doppelt. Aber auch bei Seiko war man bei der →Lord Marvel und der ersten Grand Seiko mit einem breiten Kloben, doppelter Verstiftung und einer Schraube auf der sicheren Seite.
Daini Seikosha nahm 1961 das Werk der Cronos als Basis für die Kaliber 44A und 4402A der King Seiko. Das Werk bekam zwei Steine mehr und kriegte eine Feinregulierung (manche Modelle hatten auch einen →Sekundenstopp). Es war die beste Uhr, die Daini Seikosha bisher gebaut hatte. Sie konnte durchaus mit der Grand Seiko (die auch eine Brücke für die Unruhe hatte) konkurrieren, die später auf den Markt kam. Und wie die Grand Seiko hatte die →44KS auch ein Goldmedaillon auf dem Gehäuseboden. Die →Grand Seiko 45GS war 1968 die Antwort von Suwa Seikosha auf die 44KS von Daini. Der Wettbewerb der beiden Seiko Töchter brachte die besten japanischen Uhren der sechziger Jahre hervor.
Eine alte Cronos im guten Zustand zu finden, ist schwierig geworden. Ein Händler bei kleinanzeigen schreibt: In letzter Zeit sind selbst gewöhnliche Cronos in gutem Zustand auf dem japanischen Markt nicht mehr aufgetaucht. Dies ist ein Zeitmesser, der für Vintage-Seiko-Sammler gedacht ist. Meine Cronos hatte ich Weihnachten von einem netten Typ aus Dresden zu einem günstigen Preis bekommen. Er versicherte mir, dass die goldenen Indizes auf dem Zifferblatt aus echtem Gold seien. Ich will das mal glauben, sie sehen auch wirklich nach echtem Gold aus. Die Uhr kam sogar mit einem unbenutzten originalen Seiko Lederband. Das musste aber weichen, sie hat jetzt ein dunkelgrünes Krokoband, das eine andere Uhr für diesen kleinen Schatz hergeben musste. Es war der letzte Uhrenkauf des Jahre 2024.
Obgleich der Uhrenmarkt eigentlich ziemlich tot ist und die Preise exorbitant geworden sind, ist mir doch in diesem Jahr mit viel Suchen und diplomatischen Verhandlungen gelungen, einige Uhren verhältnismäßig preiswert zu bekommen, die auf jeder Sammlerliste eines Uhrenfreundes stehen. Das war der Eterna Chronometer, die Zenith Defy und die Zenith Captain Chronometer. Und dann kam dank meiner Freunde bei Tokei Japan noch die Seiko Superior hinzu. Die killer watch, die nicht von meinem Arm weicht. Nichts davon war vierstellig. Bei ebay und Chrono24 hätten die Uhren das Drei- und Vierfache gekostet. Ich habe zum Abschluss noch ein Bild von meiner goldenen Cronos (noch mit dem orginalen blauen Seiko Lederband). Sie können hierbei schön sehen, wie flach diese Uhr ist.
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