Geht uns der 6. Juni 1875, an dem Thomas Mann geboren wurde, heute noch etwas an? Noch einmal diese Frage. Meine Antwort ist, dass ich es nicht weiß. Im Caspar David Friedrich Jubiläumsjahr habe ich zehn Mal über den →Maler geschrieben, über Thomas Mann werde ich in diesem Jahr bestimmt nichts schreiben. Ich habe fünf Biographien über ihn gelesen, aber er bleibt mir fremd. Es fällt mir schwer, ein Werk von Thomas Mann zum zweiten Mal zu lesen. Das ist bei Theodor Fontane, von dem der junge Lübecker so viel gelernt hat, ganz anders. Den kann ich immer wieder lesen. Das manierierte Werk von Thomas Mann, das immer bedeutender sein will, als es ist, überpudert mit ein wenig Ironie, brauche ich nicht unbedingt. Zugegeben, ich habe große Teile des Zauberberg noch einmal gelesen, als ich Magic Mountain schrieb. Aber man liest Thomas Mann beim zweiten Mal nicht mehr mit dem Vergnügen, das man beim Wiederlesen von Proust oder Joseph Conrad empfindet. Oder Tolstoi. Weil ich ja jetzt Krieg und Frieden zum dritten Mal lese.
Der Zweitausendeins Verlag schrieb vor Tagen in einer Merkmail (ein sonderbares Wort): In zwei Tagen beginnt das Thomas Mann-Jahr 2025, und es gibt wohl kaum eine gelungenere Einstimmung, als sich gemeinsam mit anderen Literaturbegeisterten eine der großen Verfilmungen von Werken des Zauberers anzuschauen. Die neu zusammengestellte Box Thomas Mann Jahrhundert-Edition bietet auf 19 DVDs das perfekte Angebot dafür. Die 'Buddenbrooks' sind mit gleich zwei Verfilmungen vertreten, natürlich 'Der Zauberberg', 'Doktor Faustus' und 'Felix Krull', aber auch Verfilmungen von Novellen wie 'Wälsungenblut' und 'Unordnung und frühes Leid'. Als Neuerscheinung frisch bei uns eingetroffen. Das Ganze kostet im Jubeljahr statt 149,99 € nur noch 89,99 €.
Als ich noch an der Uni war, habe ich mich längere Zeit mit dem Problem der Literaturverfilmung beschäftigt. Sie könnten dazu jetzt den Post The Go-Between lesen, der ist nicht original für diesen Blog geschrieben; der stand schon mal in einem Buch, in dem es um dieses Thema ging. Die Anpreisung des Zweitausendeins Verlags, es gibt wohl kaum eine gelungenere Einstimmung, als sich gemeinsam mit anderen Literaturbegeisterten eine der großen Verfilmungen von Werken des Zauberers anzuschauen, würde ich als Literaturwissenschaftler (der ich einmal war) und als Filmkritiker (der ich immer noch bin) nicht unterschreiben. Das Photo hier stammt aus der ersten Buddenbrooks Verfilmung aus dem Jahre 1923. Sie hat Thomas Mann nicht gefallen: strohdummes und sentimentales Kino-Drama hat er sie genannt. Wenn Sie diesen Film einmal sehen wollen, dann klicken Sie ✺hier den über hundert Jahre alten Film an.
Wenn dies ein strohdummes und sentimentales Kino-Drama ist, dann ist vieles von dem perfekten Angebot der 19 DVD Cassette nicht viel besser. ✺Wälsungenblut (hier ein Filmphoto) fiele mir als erstes ein. Der Spiegel schrieb damals dazu: Aus zwei Novellen des Nobelpreis-Dichters und Dekadenz-Spezialisten Thomas Mann destillierte der Cheferotiker des deutschen Kinos, Rolf Thiele, die Story für den 1,2-Millionen-Film. Die Zwillinge Siegmund und Sieglinde (Michael Maien und Elena Nathanael), in mehr als geschwisterlicher Zuneigung und Zärtlichkeit einander zugetan, imitieren auf einem großen Eisbärfell den Inzest, den sie in Wagners 'Walküre' mit angesehen hatten.
Das Beste, das man mit der neu zusammengestellte Box Thomas Mann Jahrhundert-Edition machen kann, ist, sie nicht zu kaufen.Verzichten Sie auf deutsche Stars der Nachriegszeit wie Dieter Borsche, Ruth Leuwerik, Horst Buchholz, Liselotte Pulver, Lil Dagover, Werner Hinz, Hansjörg Felmy und Nadja Tiller. Kaufen Sie sich eine DVD von Luchino Viscontis Verfilmung von Tod in Venedig, oder sehen Sie den Film ✺hier an.
Thomas Mann liebte das Kino: Ich besuche sehr häufig Filmhäuser und werde des musikalisch gewürzten Schauvergnügens stundenlang nicht müde. Vor vierzig Jahren hat mir Fritz Güttinger erzählt, dass Kafka im Kino geweint hat, und dass Thomas Mann Bambi zweimal gesehen hat. Mit großer Rührung. Damals hatte Güttinger gerade die beiden Bände Der Stummfilm im Zitat der Zeit und Kein Tag ohne Kino für das Deutsche Filmmuseums fertiggestellt. Aus den beiden Bänden habe ich →hier eine kleine Zitatsammlung.
In Lübeck wird es am 6. Juni 2025 einen Festakt geben. Bei mir gibt es im Thomas Mann Jahr gar nichts mehr zu ihm. Nur noch eine Auflistung der Posts, in denen er erwähnt wird: Magic Mountain, Gerhart Hauptmann, Fickfackerei, Dichtermode, Ralph Lauren Purple Label, Etikettenschwindel, Ungarn, Nidden, Friedenspfeife, Blauer Dunst, Wiesengrund, Rönnebeck, Manfred Hausmann, Frauen und Zigarren, Zauberberg, Joseph Conrad, Inseln und Badewannen, Segelboote, Lenbach, Rudolf Lorenzen, Theodor Storm, Søren Aabye Kierkegaard, Grand Hotel, Ernst Penzoldt, Wellen, Joachim Maass, Rudolf Sühnel und Eschi
Das Ende des CDF-Jahres verbrachte ich gestern am vorletzten Tag der Ausstellung im Dresdner Albertinum genau dort.
AntwortenLöschenAber ich werde, dank Ihres Hinweises, den T. Mann dieses nicht "vernachlässigen". ;)
Ihnen wünsche ich ein gesundes, frohes, glückliches und erfolgreiches 2025.